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Gemeinderat, 25. Sitzung vom 26.06.2017, Wörtliches Protokoll  -  Seite 36 von 134

 

die uns alle miteinander betrifft, hier schlau zu machen und dazu eine Meinung abzugeben und sie gegebenenfalls dem Landtag oder besser dem Gemeinderat zu empfehlen. Es ist immer ein bissel schwierig, wenn man in einer Generaldebatte zum Jahr 2016 redet, weil man ja immer auch die neuesten Erkundungen und die neuesten Ereignisse im Blick hat. Ich weiß nicht, ob alle anderen das auch gemacht haben, ich rede über den Rechnungsabschluss des Jahres 2016 in der Generaldebatte und dehne das Jahr 2016 bis jetzt aus, weil das ist halt schwer. Das haben alle anderen auch gemacht, das mache ich jetzt also auch. Ich gebe es zu.

 

Ein Beispiel: Wir haben uns unlängst über die Frage des EU-Weißbuches unterhalten. Das haben wir nicht so getan, wie ich es für optimal gehalten hätte, und wir werden uns mit der Frage noch mehr auseinandersetzen. Aber die Frage des EU-Weißbuches und die Frage der Entwicklung der Europäischen Union an sich ist natürlich eine zentrale und strategische Frage, mit der wir uns insgesamt auseinandersetzen müssen. Und dort, meine Damen und Herren, scheiden sich die Geister, und das ist gut so. Da gibt es halt die einen, die meinen, die Europäische Union ist primär eine Wirtschaftsunion und sollte sich auf das reduzieren. Und die anderen sind der Meinung, die Europäische Union sollte sich entwickeln und sollte sich auch zu einer Sozialunion verdichten und noch darüber hinaus. Das ist zum Beispiel meine Meinung. Es ist gut, dass es diese unterschiedlichen Meinungen gibt. Besser gesagt, es ist gut, dass sie so artikuliert werden, weil das gibt ja den Menschen die Möglichkeit, am Ende des Tages begründet Entscheidungen zu treffen, wohin sie gehen und welcher Meinung sie folgen werden. Das ist ja das Wesen demokratischer Wahlen, dass man auf Grund von Sachentscheidungen eine Auswahl zu dem und zu dem trifft. So täte ich es mir wünschen, und so täte es sich gehören.

 

Der Lauf der heutigen Debatte macht mich nicht optimistisch, möchte ich Ihnen sagen. Natürlich kann man darüber diskutieren, ob die Angleichung europäischer Standards dazu führt, dass die österreichischen Standards sinken. Ich sage Ihnen, das ist nicht unser Interesse, ganz im Gegenteil. Wir meinen, dass eine Sozialunion bedeutet, das Wohl und das Leben der europäischen Bevölkerung als ein Ganzes zu erhöhen in einer solidarischen Gemeinschaft eines gemeinsamen Europas, in einem Projekt einer Friedens- und Freiheitsunion, eines Raumes des Rechtes und der Freiheit. Das ist das, was wir wollen. Dazu stehe ich auch, und da bin ich jederzeit bereit, eine Debatte dazu zu führen. Im Grunde meines Herzens weiß ich, dass am Ende des Tages die überwiegende Mehrzahl, besonders der jungen Bevölkerung dieses Europas, mir in dieser Frage folgen wird. Und nicht nur deswegen vertrete ich es, aber das stimmt mich optimistisch.

 

Das Zweite gilt auch für die Frage der Stadtaußenpolitik. Wien ist eine zentrale Metropole in Europa, und Wien betreibt eine offensive Stadtaußenpolitik. Der Wunsch, über die Frage der Gewichtung der Stadtaußenpolitik öfters zu reden, das finde ich in Ordnung, das sollten wir machen, und ich lade ein, das auch offensiv zu betreiben, in welche Richtung wir gehen.

 

Ich sage Ihnen ein Beispiel dazu. Kurzer Ausflug in Richtung Ausschuss der Regionen. 70 Prozent der Bevölkerung Europas leben in Städten. Die Städte und Regionen sollten meiner und unserer Meinung nach einen wesentlichen Einfluss auf die reale Politik der Europäischen Union haben. Da muss man dann auch vorsichtig sein, wie man agiert, und da gibt es dann Zielkonflikte. Ich höre nämlich immer, dass wir, wenn wir, und das ist ja auch heute gefordert worden, als Nettozahler zur Kenntnis nehmen, dass bestimmte Länder der Union bei der Frage der Verteilung, Beispiel von Flüchtlingen, nicht so tun, wie wir wollen oder nicht so tun, wie es beschlossen ist, um es richtig zu sagen, dann mit Strafen agieren sollten. Dazu gibt es ein schönes Fachwort: Die makroökonomische Konditionalität, ich hab‘s üben müssen. Makroökonomische Konditionalität bedeutet, dass wir Sozialtransfers oder Kohäsionsfondszahlung beispielhalber an das Wohlverhalten bestimmter Länder binden würden. Das würde konkret bedeuten, dass, wenn sich die Republik Polen in der Frage von Aufnahme und Rücknahme von Flüchtlingen nicht so verhält, wir bei den Kohäsionsfonds Kürzungen vornehmen würden, wenn wir das überhaupt könnten. Aber bei der Landwirtschaft geht es nicht, das ist Individualanspruch. Aber im ESF und bei den Kohäsionsfonds ginge das. Aber nur, was heißt das jetzt aus Sicht der Regionen Europas? Die Kohäsion läuft ja nicht auf die Zentralregierung, sondern auf die Region Krakau. Das heißt, wenn die polnische Zentralregierung nicht so tut, wie wir wollen, bestrafen wir die Region Krakau. Das ist nicht die Solidarität der Regionen und Gemeinden in Europa, die ich mir vorstelle. Das muss man sich anders überlegen. Man muss … (GR Mag. Wolfgang Jung: Dann soll die Regierung in Warschau protestieren!) Ja, vielleicht, aber ich will die Region Krakau gar nicht in die Situation bringen, dass sie in Warschau protestieren muss, sondern vielleicht finde ich ein tauglicheres Mittel. Meine Werbung ist folgende, es ist wohl der Unterschied zwischen Populismus und Aufklärung. Ich sage, es gibt zum Beispiel Schwierigkeiten im Sozialtransfer. Wir haben Probleme in der Ausgestaltung. Da kann man an diesen und anderen Stellschrauben drehen. Und die Populisten sagen, wir müssen die Burka verbieten. Das hat zwar nichts miteinander zu tun, aber es klingt irgendwie gut. Dorthin sollten wir uns nicht verführen lassen, meine Damen und Herren, sondern wir sollten hergehen und versuchen, eine sachlich gut orientierte Politik zu machen. Dazu stehen wir auch als Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten, und das ist auch das, wo wir Europa gemeinsam weiterentwickeln können. Das ist ja etwas Motivierendes.

 

In dem Zusammenhang noch einmal: Was haben wir dort in diesem Ausschuss gemacht? Wir haben uns in einer Subsidiaritätsüberprüfung mit der Einreise und dem Aufenthalt von Drittstaatsangehörigen zur Ausübung einer umfassenden Qualifikation voraussetzenden Beschäftigung auseinandergesetzt. Super Titel, heißt irgendwie Rot-Weiß-Rot-Card, ist wichtig für dieses Land

 

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