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Gemeinderat, 22. Sitzung vom 04.05.2017, Wörtliches Protokoll  -  Seite 6 von 21

 

parteipolitischer Natur, da wird dann emotionalisiert, und - das höre ich auch oft - da werden ja nur die Gegner des Projektes sozusagen mobilisiert.

 

Okay, okay, das Instrument der Volksbefragung ist nicht geeignet, dann denken wir bitte über innovative, neue Formen der Bürgerbeteiligung nach. Seien Sie doch einmal mutig! Wir hätten jetzt die Chance, zu zeigen, was innovative, mutige Bürgerbeteiligung im 21. Jahrhundert bedeutet. Das ist keine Utopie, von der ich hier rede, das sind Instrumente, die durchaus eingesetzt werden, auch in Österreich, in Vorarlberg. Dort gibt es einen Bürgerrat, der institutionalisiert ist, in anderen Städten Europas passiert das, in Irland passiert das. Bürgerräte, für die, die es nicht kennen, sind ein sehr taugliches Instrument, um komplexe Fragestellungen mit den Bürgerinnen und Bürgern zu erörtern.

 

Meine Damen und Herren! Wenn Sie das Politikverständnis haben, dass Sie damit Ihre eigene Entscheidungsverantwortung abgeben, dann ist das meines Erachtens ein Zeichen dafür, dass Sie in einer ganz alten machtpolitischen Mentalität verfangen sind, in einer des 20. und des 19. Jahrhunderts, aber nicht des 21. Jahrhunderts. (Beifall bei den NEOS.)

 

Bürgerräte, in die Bürgerinnen und Bürger per Losentscheid hineingewählt werden und sich durchaus ein, zwei Tage mit komplexen Fragestellungen mit Expertinnen und Experten auseinandersetzen, geben Empfehlungen ab. Letztlich entscheidet aber natürlich der Gemeinderat. Das ist nicht Verantwortung Abgeben, sondern das ist eine Politik auf Augenhöhe mit Bürgerinnen und Bürgern, und das ist genau das, was wir NEOS wollen, eine Politik auf Augenhöhe mit den Bürgerinnen und Bürgern. Tun Sie doch bitte nicht so, als wenn Sie gescheiter wären als die Wienerinnen und Wiener. Ich frage Sie an dieser Stelle: Wem sind Sie hier eigentlich verpflichtet? Dem Investor? Ihrer eigenen Partei offensichtlich nicht! Da geht eine Urabstimmung schief, und trotzdem halten Sie sich nicht daran. Oder den Wienerinnen und Wienern? Lassen Sie die Bürger mitreden. Vertrauen Sie in die Kompetenz der Wienerinnen und Wiener, genau mit solchen klugen Instrumenten wie dem Bürgerrat neue Wege in der Stadtpolitik zu gehen und die Bürgerinnen und Bürger als Partner zu sehen.

 

Daher bringe ich heute einen Antrag ein betreffend die Einbeziehung der Bürgerinnen und Bürger Wiens um die Bedeutung des UNESCO-Weltkulturerbe-Status:

 

„Der Wiener Gemeinderat spricht sich dafür aus, dass vor der Beschlussfassung über das Plandokument 7984 eine Einbeziehung der BürgerInnen der Stadt Wien entweder in Form einer Volksbefragung oder in Form eines anderen innovativen BürgerInnenbeteiligungsformats wie zum Beispiel eines Bürgerrats stattfindet. Die Fragestellung soll Aufschluss über die Bedeutung des UNESCO-Weltkulturerbe-Status für die Wienerinnen und Wiener geben.“ (Beifall bei den NEOS.)

 

Mir ist schon klar, dass wir kein Präjudiz schaffen können, dass wir jetzt nicht zukünftig bei jeder Flächenwidmung, bei jedem Bauprojekt eine Volksbefragung oder einen Bürgerrat machen können. Das ist mir schon klar, das will ich auch nicht. Mir ist auch klar, dass die Frage des UNESCO-Weltkulturerbes eigentlich nicht im eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde ist, sondern Sache der Republik Österreich ist. Insofern hätte ich mir ein lauteres und deutlicheres Machtwort des Kulturministers in dieser Frage gewünscht, das habe ich nicht gehört, ich habe nur etwas für die Zukunft gehört, aber das ist ja sozusagen auch immer ganz logisch, dass man in diesen Situationen dann sagt: Für die Zukunft versprechen wir aber Besserung. Das hat durchaus eine katholische Tradition: Ich sündige zwar, aber ich gelobe, mich in der Zukunft zu bessern.

 

Ich glaube aber, dass genau dieses Spannungsverhältnis - und das Spannungsverhältnis zwischen Weltkulturerbe-Status und Stadtentwicklung taucht ja nicht zum ersten Mal auf, das haben wir bei Wien-Mitte gehabt, das werden wir auch noch bei weiteren Bauvorhaben haben - eine ideale Fragestellung für die Wienerinnen und Wiener ist. Denn letztlich glaube ich ganz fest daran, dass die Frage des Status des Weltkulturerbes etwas ist, was eher die Identität der Wienerinnen und Wiener betrifft als den Tourismus. Das habe ich schon vorher gesagt. Deshalb bin ich der Meinung, dass man sie einbeziehen soll.

 

Manche haben mich gefragt: Na, und wieso alle Wienerinnen und Wiener? Wieso nicht die aus dem 1. Bezirk, denn die betrifft es ja eigentlich? Selbstverständlich alle Wienerinnen und Wiener! Ich meine, stellen Sie sich vor, Schloss Schönbrunn würde abgerissen werden, da wird man auch nicht nur die Anrainer vom Grünen Berg und von der Ketzergasse befragen. Das Ensemble der Inneren Stadt ist also schon aus kulturhistorischen Gründen für alle Wienerinnen und Wiener wichtig.

 

Ich glaube, es ist vor allem auch schade, dass wir hier nicht neue Wege gehen, weil das echt eine Chance gewesen wäre, nicht nur in diesem konkreten Fall, sondern auch für die Zukunft der Stadtentwicklung und Stadtplanung neue Formen der Bürgerbeteiligung auf den Weg zu bringen.

 

Dass die Situation verfahren ist, und dass die GRÜNEN hier sämtliche Versprechen von vor 2010 auch gegenüber Bürgerinitiativen gebrochen haben, sieht man ja an diversen Projekten. Die Wut der Bürgerinnen und Bürger ist groß. Mir ist schon klar, dass es in einer wachsenden Stadt immer wieder zu Spannungsverhältnissen kommt, beispielsweise Grünraum versus Wohnbau.

 

Vorsitzender GR Mag. Thomas Reindl (unterbrechend): Entschuldige kurz, Beate!

 

Darf ich bitten, den Geräuschpegel ein bisschen zu senken. - Danke schön.

 

Bitte fortzufahren.

 

GRin Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES (fortsetzend): Es gibt immer wieder Spannungsverhältnisse in der Stadtplanung, Stadtentwicklung zwischen verschiedenen Interessenslagen. Genau das wäre jetzt eine Chance gewesen, ein neues Instrument der Bürgerbeteiligung auf den Weg zu bringen, zu sagen, okay, machen wir einen Bürgerrat als kontinuierliches, ständiges Instrument, auch in schwierigen Fragestellungen, um zum Beispiel Wohnbau versus Grünraum, et cetera zu diskutieren.

 

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