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Gemeinderat, 19. Sitzung vom 26.01.2017, Wörtliches Protokoll  -  Seite 84 von 125

 

Thema. Ich finde es sehr spannend, über Kultur zu diskutieren, ich finde es sehr spannend, über Stadtentwicklung zu diskutieren, und dieses Thema vereint beide Themenbereiche. Nein, ich war erstaunt über den Antragsteller, genau die Partei, die immer kritisiert, dass wir am Gängelband der EU sind, dass wir fremdbestimmt sind, dass die, die in den Glaskobeln sitzen an den Schreibtischen, über uns bestimmen und versuchen, uns zu beeinflussen. Genau diese Partei beruft sich jetzt auf eine internationale Organisation, die im Übrigen auch in einem Glaskobel sitzt, nämlich in Paris (GR Mag. Dietbert Kowarik: Wir berufen uns auf Gesetze, Frau Kollegin, das ist ein Unterschied!), eine Partei, die immer sagt, wir sollen doch selbstbewusst sein und autonom sein. Genau diese Partei beruft sich jetzt auf die UNESCO.

 

Wir, sehr geehrte Kollegen der Freiheitlichen Partei, agieren selbstbewusst, darauf können Sie sich verlassen, wir treffen unsere Entscheidungen, von denen wir überzeugt sind, dass sie zum Wohle der Menschen dieser Stadt sind. Wir haben gute demokratische Instrumente, wir haben einen hervorragenden Denkmalschutz, und wir haben internationale Auszeichnungen en masse.

 

Das Stadtzentrum Wiens ist UNESCO-Welterbe, wie ich meine, zu Recht, und nur wenige Städte bieten ein Stadtbild wie Wien. Ich möchte Ihnen auch in Erinnerung rufen, warum gerade das Wiener Stadtbild zum UNESCO-Weltkulturerbe erklärt worden ist. Dieses Stadtbild zeigt auf hervorragende Art und Weise die Entwicklung einer europäischen Stadt, und ich möchte diesen Satz wiederholen: Das Stadtbild Wiens, das UNESCO-Weltkulturerbe ist, zeigt auf hervorragende Weise die Entwicklung einer europäischen Stadt. Und diese Entwicklung, meine sehr geehrten Damen und Herren, hat nicht im Jahr 2001 aufgehört, als uns der Titel verliehen wurde. Städte entwickeln sich permanent weiter, das war in der Vergangenheit so, das ist natürlich auch in der Gegenwart so.

 

Wien hat sich ständig entwickelt, von der Ringstraße zur Südosttangente. Wenn wir gerade von der Ringstraße sprechen, wir haben ja voriges Jahr 150 Jahre Ringstraße gefeiert, dann möchte ich Ihnen zu bedenken geben, dass, wenn vor 200 Jahren Wien schon Weltkulturerbe gewesen wäre und Menschen wie Sie in Regierungsverantwortung gewesen wären, es diese Ringstraße gar nicht geben würde. Es würde auch keine Kärntner Straße geben, es würde auch keinen Graben geben, es würde ganz vieles nicht geben. (Zwischenruf von GR Mag. Manfred Juraczka. - GR Mag. Dietbert Kowarik: Wissen Sie, wer damals in der Regierung war? Lernen Sie Geschichte, Frau Kollegin!)

 

Wien entwickelt sich von der Ringstraße bis zur Südosttangente, vom Palais Ferstel bis zum Designtower, von der Pferdekutsche bis zur U-Bahn. Wien wird sich auch weiterhin entwickeln, das ist gut so, und das ist das Recht jeder Stadt. Wenn Sie sich vielleicht auf den heutigen Tag vorbereitet haben und sich auch mit Aussagen der UNESCO beschäftigt haben, dann wird Ihnen wahrscheinlich aufgefallen sein, dass die UNESCO eine Stadt als Weltkulturerbe natürlich anders sieht als ein Denkmal als Weltkulturerbe, denn die Chinesische Mauer oder die Pyramiden von Gizeh sind mit einer Stadt nicht zu vergleichen. Auch die UNESCO sagt, eine Stadt muss sich den aktuellen Anforderungen anpassen. (GR Mag. Manfred Juraczka: Warum wollen Sie uns dann das Weltkulturerbe wegnehmen?)

 

Eine Stadt muss sich immer wieder weiterentwickeln. Was genau ist eine Stadt, meine sehr geehrten Damen und Herren? Ich habe da lange gesucht, selbst der Begriff Stadt hat sich im Laufe der Jahrhunderte geändert. Faktum ist, dass eine Stadt ein lebendiger Organismus ist, manche sprechen von einer eigenen DNA, die jeder Stadt innewohnt. Jedenfalls ist eine Stadt eine größere zentralisierte Siedlung, in der Menschen leben.

 

In unserem Fall leben in dieser Stadt die Wienerinnen und Wiener, und das Leben der Menschen ändert sich, ihre Bedürfnisse ändern sich, ihre Anforderungen an sich selber, aber auch an ihren Lebensraum ändern sich. Und auch das, was sie sich von ihrer Stadt wünschen, ändert sich. Wir sind die politisch Verantwortlichen, die diese Stadt in die Zukunft führen, diejenigen, die die Rahmenbedingungen schaffen, damit die Menschen in unserer Stadt ein gutes Leben führen können, und zwar in der Gegenwart, dafür sind wir verantwortlich, auch in der Zukunft.

 

Jede Zeit hat ihre speziellen Anforderungen, so hat Wien auch jetzt ganz spezielle Anforderungen bei der Weiterentwicklung. Wir müssen uns heute im Zusammenhang mit dieser Frage, mit dieser Aufgabe, die Frage stellen, ob wir unsere Aufgabe in erster Linie darin sehen, der Vergangenheit zu huldigen, ein Wien für Touristinnen und Touristen bewahren, die das mit dem Weltkulturerbe gar nicht so ernst sehen. (Heiterkeit bei GR Mag. Manfred Juraczka.) Wenn Sie gestern vielleicht „Wien Heute“ gesehen haben, es hat einen Beitrag gegeben, da wurden Touristinnen und Touristen interviewt. Es hat eine Person gegeben, die gesagt hat, ja, er ist da wegen dem Weltkulturerbe, die anderen wussten gar nicht, dass sie sich hier befinden.

 

Wollen wir Wien also als Museum bewahren, oder ist es unsere Aufgabe, Wien weiterzuentwickeln, die Lebensqualität der Menschen weiter zu verbessern und Wien auch in Hinblick auf die wachsende Stadt zukunftsfit zu machen? Anders gesagt: Wollen wir Wien als Museumsstadt oder ein Wien, in dem jede Zeit, auch die Gegenwart, ihre Spuren hinterlässt? Es geht hier um einen Ausgleich von Bewahren und Verändern. Wir bekennen uns zu dem großartigen Erbe vergangener Jahrhunderte, und wir bekennen uns auch dazu, dass man damit sorgsam umgehen darf, aber auch zu einer zukunftsfähigen Entwicklung der Stadt.

 

Wie kann das gelingen? Wie immer in solchen Fällen muss man die diversen Interessenslagen sorgfältig gegeneinander abwägen und gemeinsam einen tragfähigen Kompromiss finden. Und das ist, so meine ich, bei dem Projekt, über das wir heute konkret sprechen, auch so passiert. Ich darf noch einmal ganz kurz in Erinnerung rufen: ein mehrstufiger Planungsprozess, ein zweistufiger Wettbewerb, ein Preisträgerprojekt, ein Flächenwidmungs- und Bebauungsplan, kritische Fragen des Fachbeirates, Überarbeitung der Kritikpunkte, positive Würdi

 

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