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Gemeinderat, 16. Sitzung vom 25.11.2016, Wörtliches Protokoll  -  Seite 20 von 26

 

fehlen natürlich und werden dann durch die Gangbetten ersetzt.

 

Wenn man im Bereich des Spitals mit einer niedrigeren Wochenstundenanwesenheit des Personals am Patienten rechnen muss, wird man zwei Faktoren unbedingt beachten müssen:

 

Das eine ist eine Reduktion der Mehrfachadministration. Das hätte man vor einigen Jahren auch schon überlegen und durchrechnen können. Hier hätten wir uns sicher sehr gefreut, wenn die Beratungsfirmen in diesem Bereich tätig geworden wären.

 

Das andere ist natürlich eine Verbesserung der extramuralen Versorgung. Hier wird über die sogenannten PHCs sehr viel gesprochen, sehr viel argumentiert. Diese PHCs werden sozusagen auch sehr favorisiert.

 

Ich möchte mir erlauben, einiges Geschichtliches über die PHCs zu sagen. Es war eigentlich eine sozialromantische Revolution 1978. Hier hat man angenommen, dass durch diese sogenannte Primary Health Care die Lebenserwartung der Bevölkerung in den verschiedenen Ländern deutlich steigt und hat das mit sehr großem Enthusiasmus begonnen. Dieses System ist leider gescheitert, ganz einfach an der Tatsache, dass es nicht oder nur teilweise die Primärversorgung ist, die die Lebenserwartung bestimmt, sondern andere Bereiche, wie zum Beispiel Armut, Arbeitslosigkeit beziehungsweise zu hohe Selbstbehalte. In einem bestimmten Bereich sehen wir das auch schon in den westlichen Industriestaaten. Die Arbeitslosigkeit nimmt zu. Die prekären Arbeitsverhältnisse, jetzt nennt man das atypische Verhältnisse, nehmen zu. Die Nachtarbeit wird zunehmend zur Tagarbeit. Die sogenannten „All in one“-Jobs nehmen ebenso zu. Das bedeutet natürlich, dass jeder dieser Faktoren, die ich soeben aufgezählt habe, zu einer Reduktion der Lebenserwartung und zu einer Einschränkung, also zu einer Verstärkung der Morbidität, führt. Aber anstatt gegen diese wirtschaftlichen und sozialen Probleme zu kämpfen, also gegen die Arbeitslosigkeit und gegen prekäre Arbeitsbeschäftigungen, die signifikant die Lebenserwartung verschlechtern, kämpft man lieber gegen die Ärzteschaft, weil das natürlich billiger und einfacher ist. Aber ich halte das für eine äußerst unwissenschaftliche Einstellung.

 

Hier wäre es zweifellos gut, die Primärversorgung durch Gruppenpraxen zu gewährleisten. Der Vorteil einer Gruppenpraxis gegenüber einem PHC, das an sich sehr ähnlich strukturiert ist, ist, es sind mehrere Ärzte, die zusammenarbeiten, an sich die Investitionssicherheit. Bei einem PHC sind die Personen, die dieses PHC aufbauen, im Grunde genommen abhängig von der Laune und von anderen Bereichen der Krankenkassen und können sich nicht hinter dem Gesamtvertrag schützen.

 

Es besteht auch die Gefahr bei bestimmten Bereichen, wenn keine Allgemeinmediziner für ein geplantes PHC zur Verfügung stehen, dies an eine neue Krankenanstalt, die natürlich höchstwahrscheinlich im Privatbesitz ist, auszulagern. Das bedeutet, wenn sich in einem bestimmten Sprengel keine Praktischen Ärzte für ein neues PHC finden, wird nach einer bestimmten Zeit eine neue Krankenanstalt errichtet, und man kann durchaus annehmen, dass diese im Privatbesitz sein wird. Das bedeutet, dass die Primärversorgung zumindest in Teilbereichen privatisiert wird. Eine Medizin, die privatisiert ist, wird natürlich nach der Logik der Ökonomie und nicht nach der Logik der Medizin geführt und wird wenig Platz für die ärztliche Fürsorge haben.

 

Ich komme jetzt gleich, da die ärztliche Fürsorge durch eine Privatisierung und Strukturierung eingeschränkt ist, zu den strategischen Bedeutungen, mit denen wir auch hier in der Wiener Gesundheitsversorgung kämpfen. Grundsätzlich ist die im Krankenanstaltenverbund umgesetzte Reduktion, Herabstufung weder ein finanzieller Vorteil noch ein Vorteil für die Bürgerinnen und Bürger, die in den entsprechenden Bezirken wohnen. Es ist eine Einschränkung der lokalen Versorgung. Es ist auch eine Einschränkung der sogenannten Krisenstabilität. Schließlich ist Wien als die am schnellsten wachsende Millionenstadt Europas auch dafür verantwortlich, eine ausreichende Krisenstabilität anzubieten. Diese Krisenstabilität ist bei einer permanenten Herabstufung der Großspitäler sicherlich nicht gewährleistet.

 

Kollege Wagner hat angeführt, man muss etwas ändern. In der EDV gibt es den Spruch: „Never change a running system.“ Das heißt, man sollte eigentlich nur dann etwas ändern oder Bereiche ändern, wenn sich ein eindeutiger Mehrwert ergibt. Diesen Mehrwert kann man eigentlich bei der Herabstufung von Großspitälern in keiner Weise erkennen. Diese stellen sich natürlich auch nicht als billiger dar. Denn, wie schon vorher erwähnt, die Errichtungskosten einer großen Spezialabteilung, die die ganze Großstadt versorgt, sind natürlich außerordentlich hoch.

 

Frau Kollegin Meinhard-Schiebel hat etwas überautoritär angemerkt, dass sie an sich gegen autoritäre Strukturen ist. Wenn ich mir den Punkt 15a im Rahmen des Finanzausgleiches ansehe, muss ich natürlich schon darauf bestehen, dass das eine der autoritärsten Strukturen überhaupt im Gesundheitsbereich ist. Und zwar geht es nicht nur darum, dass der Berufsgruppe, die natürlich am meisten mit der Medizin zu tun hat, ein großer Teil des Eingriffs oder der eigenen Expertise verwehrt wird. Die Bundesgesundheitskommission errichtet sozusagen eine Parallelstruktur. Grundsätzlich wird die Medizin nach internationalen Leitlinien nach der Methode der Evidence Based Medicine im Rahmen Metaanalysen und Reviews strukturiert. Es gibt seitens der WHO entsprechende medizinische Topics. Diese stehen an sich im Mittelpunkt der medizinischen Leistung. Die Bundesgesundheitskommission ist scheinbar von sich und ihrer Bedeutung so überzeugt, dass sie eben diese Parallelstruktur bewirkt.

 

Wenn man sich das durchliest, sieht man natürlich erwartungsgemäß doch deutliche Widersprüche. Man betont die Ergebnisqualität, hat aber durch die Wartezeiten, auf die man nicht eingeht, eindeutige Mängel in der Strukturqualität. Es wird eine Erweiterung der leistungsorientierten Verrechnung erwünscht und angestrebt. Man möchte aber gleichzeitig zunehmend pauschalierte Bezahlung anrechnen. Man will eine Ergebnisqualität errei

 

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