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Gemeinderat, 15. Sitzung vom 23.11.2016, Wörtliches Protokoll  -  Seite 50 von 65

 

staatlichen Mieter bekommen kann, weil dort das Ausfallsrisiko am geringsten ist.

 

Wir haben es gerade am Beispiel Kärnten erlebt, das ja heute in anderem Zusammenhang schon erwähnt wurde. Am Ende des Tages hat der Finanzminister einem Vergleich zugestimmt, bei dem die Gläubiger knapp 95 Prozent, also so gut wie all das, was sie hineingesetzt haben, auch wieder zurückbekommen, und zwar vom Steuerzahler. Daher hat ein Mieter wie die Gemeinde Wien normalerweise fast selbstverständlich einen roten Teppich an Rabatten, der ihm ausgerollt würde. Nicht so hier. Hier zahlen wir nicht nur den vollen Mietpreis, sondern wir zahlen sogar einen Mietpreis, der deutlich über dem marktüblichen liegt.

 

Dem nicht genug, liegen die Betriebskosten bei diesem konkreten Deal ganz knapp am obersten Deckel dessen, was am Büromarkt üblich ist, also auch hier noch einmal was obendrauf; und dann macht die Stadt obendrein noch etwas ganz Spannendes bei diesem Deal: Es wird nämlich die 20-prozentige Umsatzsteuer auf die Vermietung für die nächsten 15 Jahre, im Voraus als Einmalbetrag erlegt. Warum? Weil die Gemeinde Wien nämlich Umsatzsteuer befreit ist und daher der Vorsteuerabzug beim Vermieter nicht geltend gemacht werden kann. Und anstatt dass man auch hier allenfalls eine Gegenrechnung trifft, wie man sie üblicherweise am freien Markt mit einem entsprechend potenten Mieter vereinbart, zahlt die Stadt Wien auch noch bereitwillig den gesamten Umsatzsteuerverlust, den der Vermieter sonst zu tragen hätte, im Voraus für 15 Jahre. Es ist also ein zinsenfreies Darlehen, das hier noch gewährt wird.

 

Kollege Wansch wird in diesem Zusammenhang noch kurz auf die Eigentümerstrukturen eingehen. Da werden sich dann auch noch einige ganz spannende Dinge ergeben, die das Bild noch ein bisschen deutlicher zeichnen, warum die Stadt Wien so unglaublich viel Geld in diesen Deal hineinsteckt, der sachlich aus meiner Sicht durch nichts zu rechtfertigen ist.

 

Fazit: Das vorliegende Aktenstück ist ein gutes Geschäft, um nicht zu sagen, ausgezeichnetes Geschäft, geradezu eine Goldgrube für den Vermieter. Aber es ist ein extrem schlechtes Geschäft für die Wienerinnen und Wiener. Daher werden wir dieses Aktenstück auch entsprechend ablehnen. (Beifall bei der FPÖ.)

 

Vorsitzender GR Mag. Gerald Ebinger: Als Nächste ist Frau GRin Karner-Kremser zu Wort gemeldet. - Bitte.

 

14.09.21

GRin Waltraud Karner-Kremser, MAS (SPÖ)|: Meine sehr geehrten Damen und Herren!

 

Ich kann es kurz machen. Wir haben im Ausschuss sehr intensiv über dieses Geschäftsstück gesprochen, und da wurde klar dargelegt, dass Ressourcen für einen Kauf derzeit nicht zur Verfügung stehen. Es ist keine Schande, zu sagen, dass Geld ein knappes Gut ist in einer Stadt, die so vieles leistet und das tut, was sie tut. Deswegen kommt im Moment ein eigener Bau nicht in Frage. Deswegen ist die Anmietung eine gute Lösung.

 

Der Akt selber ist mehrere Zentimeter dick - mehrere Zentimeter, in denen deutlich dargelegt wird, warum es so ist, wie es ist. Ich denke, es besteht überhaupt kein Grund, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Magistratsabteilungen, die damit befasst sind, diesen Deal auszuhandeln, hier das Misstrauen auszusprechen. (GR Mag. Dietbert Kowarik: Den politisch Verantwortlichen, nicht den Mitarbeitern!) Es ist ein ordentlicher Deal. Es ist ein ordentliches Geschäft, zu dem wir stehen, und ich stehe auch politisch zu diesem Geschäft. (GR Mag. Dietbert Kowarik: Das kritisieren wir!) Ja, das können Sie. Meine politische Meinung können Sie kritisieren oder auch nicht. (GR Mag. Dietbert Kowarik: Deshalb sitzen wir da!) Nein, nicht unbedingt. Sie können Ihre Meinung haben und ich meine eigene. Ich ersuche um Zustimmung. (Beifall bei SPÖ und GRÜNEN.)

 

Vorsitzender GR Mag. Gerald Ebinger: Als Nächster ist Herr GR Dr. Wansch zu Wort gemeldet. - Bitte.

 

14.10.51

GR Mag. Dr. Alfred Wansch (FPÖ)|: Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Sehr geehrter Herr Berichterstatter! Sehr geehrte Damen und Herren hier im Saal und vor den Bildschirmen!

 

Ich möchte Ihnen am Beispiel dieses Geschäftsstückes zeigen und beweisen, dass Bürgermeister Häupl und Finanzstadträtin Brauner in ihrer Amtszeit die Stadt Wien abgewirtschaftet haben. Meine Damen und Herren, es fällt im Ausschuss und hier im Gemeinderat in den vergangenen Jahren auf, dass für Verwaltungsabteilungen der Stadt Wien immer häufiger Büromietverträge abgeschlossen werden. Über die immobilienwirtschaftlichen Auffälligkeiten des gegenständlichen Geschäftsstückes haben mein Kollege Mag. Pawkowicz, aber auch Kollegen Gara und Ulm bereits ausführlich berichtet.

 

Wenn jemand sagt, okay, das ist eben ein besonderer Deal, ein besonderer Geschäftsfall für den Vermieter, muss ich entgegnen: Es wird interessant, wenn man sich weiter mit den konkreten Umständen dieses Falles beschäftigt. Ich frage mich an dieser Stelle, warum sich die Stadt Wien aus freien Stücken in die Abhängigkeit der Immobilienspekulanten begibt. Ich sage hier auch ganz deutlich: Das ist nicht der freien Immobilienwirtschaft vorzuwerfen, der Markt regelt sich nach Angebot und Nachfrage. Interessant dabei ist, dass die Stadt Wien den Preis für ihre eigenen Anmietungen selbst in die Höhe treibt. Als alternativloser Büroflächennachfrager treibt sie die Nachfrage und damit die Preise natürlich hinauf. Wir werden dann sehen, wie diese selbst hinaufgetriebenen Preise dem einen oder anderen Anbietenden zu Gute kommen.

 

Ich sage Ihnen hier, dass wir bei einer Vielzahl dieser Büroanmietungsgeschäftsfälle beobachtet haben, dass wir es nicht mit der freien Immobilienwirtschaft zu tun haben. Wir haben es zu tun auf Vermieterseite mit parteinahen Projektentwicklern und parteinahen - und bei der Sozialbau sogar parteieigenen - Kapitalgesellschaften. Dann schauen wir uns jetzt die Eigentümerstruktur des Vermieters zu diesem Geschäftsstück an: Der Vermieter ist die Entwicklung Baufeld Alpha GmbH. Die gehört zu 10 Prozent einer Privatperson, möglicherweise Treuhänderin, und 90 Prozent der Effektiv Liegenschaftsbesitz GmbH. Mir gefällt die Bezeichnung „effektiv“, weil dieser Geschäftsfall effektiv zu Gunsten des Vermieters und effektiv zu Lasten des Mieters geht, wie schon aufzeigt wurde.

 

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