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Gemeinderat, 12. Sitzung vom 29.09.2016, Wörtliches Protokoll  -  Seite 22 von 98

 

heute noch einen Antrag ein, der auch mit dieser Aktuellen Stunde in Zusammenhang zu bringen ist, dass Sie bei Ihrer Punkteaufzählung betreffend Programm zur Rettung des Gesundheitssystems in Wien in Ihrer Begründung für mich gesehen schon ein bisserl einen logischen Fehler begehen. Wenn es nämlich stimmt, was Sie kritisieren - unter Punkt 3 schreiben Sie „Spitalslastigkeit des Systems“ -, so kann man jetzt sagen, okay, ich gebe Ihnen zwar nicht recht, aber da kann man noch die Verbindung finden, da schreiben Sie: Überfüllte Spitalsambulanzen. Dann schreiben Sie aber gleichzeitig: „Lange OP-Wartezeiten in Verbindung mit Spitalslastigkeit.“ Was heißt denn das, Frau Kollegin Korosec? Sind Sie der Meinung, dass zu viel operiert wird, weil das würde ja, wenn das in diesem Nebensatz steht, der Umkehrschluss sein? Sie sind der Meinung, die Patientinnen, Patienten haben eine zu hohe Spitalslastigkeit, die sollen nimmer im Spital operiert werden, sondern beim niedergelassenen Arzt. Na, das schau ich mir an, welcher niedergelassene Arzt diesbezüglich das haben möchte!

 

So gibt es mehrere Punkte, auf die man jetzt formell eingehen könnte, und ich möchte mich in die Diskussion auch gar nicht einmischen, die tatsächlich die Wiener Gebietskrankenkasse mit der Ärztekammer wegen dem niedergelassen Bereich führen muss. Aber dass Sie wiederholt, und das schon zum x-ten Mal, schon wieder versuchen, die Frau Stadträtin für das habhaft zu machen und sagen, na die soll sich da mehr einmengen und einmischen, weil in Wirklichkeit hätte ja sie dort das Sagen, dann darf ich Ihnen sagen: Sie haben Vertreter im Vorstand der Gebietskrankenkasse, die bei jeder Sitzung dabei sind und die das letzte Mal dort auch gehört haben, wie denn die Vorschläge sind, ohne dass ich die jetzt werten will, weil eine Interessensvertretung hat andere Zielsetzungen und eine Standesvertretung muss jetzt nicht unbedingt mit den Bereichen der Gebietskrankenkasse übereinstimmen. Aber wenn man sich dann konkrete Vorschläge hernimmt, dann muss ich dazu sagen, die Gebietskrankenkasse muss das ja auch finanzieren können, weil sonst müsste im Prinzip hier wieder der Steuerzahler oder die Steuerzahlerin die Rechnung dafür zahlen. Und da habe ich Verständnis, dass man nicht jeden Wunsch erfüllt.

 

Vorsitzender GR Mag. Dietbert Kowarik (unterbrechend): Herr Kollege, ich bitte um den Schlusssatz.

 

GR Kurt Wagner (fortsetzend): Und das wird auch künftig so sein.

 

Zum Schluss kommend, was die Ärztearbeitszeit anbelangt: Jede Umstellung für jeden Arbeitnehmer, was die Arbeitszeit anbelangt, ist immer schwierig, nur bin ich guten Mutes. Bei ein bisschen gutem Willen wird uns auch das gelingen. Wir stellen das Gesundheitssystem auf jene Beine, dass wir für die nächsten Herausforderungen der kommenden Jahre fit sind. Danke schön. (Beifall bei SPÖ und GRÜNEN.)

 

Vorsitzender GR Mag. Dietbert Kowarik: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr GR Dr. Gara. Ich erteile ihm das Wort.

 

10.57.40

GR Dipl.-Ing. Dr. Stefan Gara (NEOS)|: Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Sehr geehrte Frau Stadträtin! Werte Kolleginnen und Kollegen!

 

Zweifelsohne braucht das Wiener Gesundheitssystem eine Reform. Das ist vollkommen klar. In der Form kann es ja nicht weitergehen. Aber jede Reform braucht auch Kultur. Und ich glaube, das ist das Problem, das wir in Wien haben. Diese Reformen passieren ohne Kultur. Hier wird einfach über die Menschen drübergefahren. Ich habe das auch schon vor dem Sommer erklärt: Mit Maulkörben wird man diese Reformen nicht umsetzen können, und das ist letztendlich das Problem. Ich finde es auch immer wieder sehr gut, wenn der geschätzte Kollege Wagner beschwichtigt: Es ist alles bestens, wir haben überhaupt kein Problem. Aber letztendlich muss man schon sagen, hier sind mehrere Tausend Ärzte auf die Straßen gegangen und haben gestreikt, und das hat, das muss man schon ehrlich sagen, einen Grund. Und der Grund, und das find‘ ich wirklich besonders problematisch, ist: Wien rühmt sich, die Stadt der Menschenrechte zu sein, und auf der anderen Seite wird hier auf die Ärzte, die streiken wollen, massiver Druck ausgeübt, damit sie ihr Streikrecht nicht ausüben können. Ich muss sagen, das halte ich schon für eine sehr verwerfliche Vorgangsweise, denn diese Menschen streiken nicht ohne Grund. Man sieht, es betrifft ja nicht nur die Ärzte, sondern es betrifft genauso das Pflegepersonal. Nicht ohne Grund hat sich hier wieder eine neue Gewerkschaft gegründet, weil natürlich die bisherigen Gewerkschaften die Interessen der MitarbeiterInnen überhaupt nicht mehr vertreten. Letztendlich ist die Solidarität zwischen Ärzten, Pflegepersonal und anderen Gruppen deutlich größer, als man hier immer versucht, darzustellen und einen Spaltpilz einzuschlagen.

 

Und wenn Sie von den Zahlen sprechen, Kollege Wagner, wissen Sie, das wesentliche Problem all der Vereinbarungen - das gilt für die erste Vereinbarung zum Arbeitszeitmodell und auch für die jetzige Vereinbarung, die auf dem Tisch liegt - ist, dass man von unterschiedlichen Zahlen ausgeht. Wir haben ja schon mehrmals angefragt: Wie viele Stunden haben denn die Ärzte vor der Umstellung des Arbeitszeitgesetzes gearbeitet? Und uns wurde immer wieder vermittelt, es waren 44 Stunden, 46 Stunden. Die andere Seite der Vertragspartner spricht hingegen von 55 bis 60 Stunden. Wenn man diese Differenz hernimmt, dann fehlen 25.000 Arbeitsstunden an Ärzten pro Woche. Wenn das der Fall ist, ist es vollkommen logisch, dass es eine enorme Arbeitszeitverdichtung gibt, längere Wartezeiten in den Ambulanzen, et cetera.

 

Ich halte das für einen der wesentlichen Punkte. Bei allen Vereinbarungen muss man sich eigentlich von Anfang an auf eine gemeinsame Datenbasis einigen, und sie verwechseln leider Gottes die sogenannten Vollzeitäquivalente mit den Köpfen. Daher sind die Vergleiche, die Sie angestellt haben, einfach nicht korrekt. Und wenn man 25.000 Stunden pro Woche weniger an Arbeitszeit zur Verfügung hat, dann beginnt das System natürlich an mehreren Ecken und Enden zusammenzubrechen, und das halte ich für ein sehr großes Problem.

 

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