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Gemeinderat, 8. Sitzung vom 29.04.2016, Wörtliches Protokoll  -  Seite 39 von 107

 

Blümel. Denn das zeigt, welche Gefahr in der Bundesregierung steckt. Wir sind uns da, zumindest im Land und in den meisten Ländern, wahrscheinlich in der Mehrheit einig. Wie es auf der Bundesebene ausschaut, darauf werde ich noch zu sprechen kommen. Aber eines kann ich Ihnen schon sagen: Wenn Sie da weiter so zustimmen, dann können Sie in der ÖVP sich bald eine Daseinsvorsorge vor Augen halten, denn dann werden Sie wirklich minimalisiert werden! (Beifall bei der FPÖ.)

 

Grundsätzlich sollte man ja meinen: Wenn in einer so schwerwiegenden Frage des Landes sowohl die SPÖ als auch, zumindest bei den Bauern, Teile der ÖVP in der Regierung, wir als große Opposition und auch die GRÜNEN, der Gewerkschaftsbund und fast alle Länder dagegen sind, dann wäre die Sache gelaufen, und wir brauchten uns keine Sorgen mehr zu machen. Das ist aber leider eben nicht der Fall.

 

Zunächst: TTIP ist ja noch nicht endgültig ausgehandelt, und selbst der bisherige Text ist nur beschränkt einsehbar. So kann eine seriöse Überprüfung im Sinn eines Begutachtungsverfahrens mit diesen massiven, auf die Zukunft gerichteten rechtlichen Auswirkungen nicht erfolgen.

 

Zweitens: Die Kommission unter ihrem Vorsitz Juncker - Sie kennen den Herrn mit dem Ausspruch „Wenn es ernst wird, muss man lügen.“ - ist ein vehementer Befürworter des Vertrags und wird nur allzu willig sein, zweifelhafte Umgehungsformeln zum Beispiel für das Schiedsverfahren zu akzeptieren. Dazu herrscht Zeitdruck, den benutzt man natürlich auch, weil man unbedingt noch mit Präsident Obama ratifizieren will. Wie sehr dieser gewillt ist, Druck zu machen, das haben wir gerade in dieser Woche erlebt, in Deutschland, als er quasi Hand in Hand mit der „Wir schaffen das!“-Merkel dafür eingetreten ist.

 

Nun hören wir von unserer Bundesregierung eher sehr verhaltene Töne, und auch die nur in Österreich. In Brüssel ist es da wesentlich ruhiger, dort ist man kleinlauter, und wir sind keineswegs sicher, noch immer nicht sicher, ob nicht doch zugestimmt würde. Der Druck mancher Staaten und der Kommission wird ein ganz massiver sein. Erst gestern hat sich im „Mittagsjournal“ der Verfassungsrechtler und Berater des Bundespräsidenten Prof. Adamovich geäußert, und er hat Zweifel geäußert, ob der Kanzler in der Lage und willens sein wird, diesem Druck standzuhalten. Das ist wirklich eine der ganz großen Gefahren dieses Abkommens!

 

Ich glaube es Ihnen hier in der SPÖ, dass Sie es nicht wollen. Ob das auf der Bundesebene halten wird, da haben wir noch Zweifel. Deswegen ist es, glaube ich, umso wichtiger, hier den Willen des Landes und der Stadt Wien kundzutun, dass wir das ganz, ganz sicher nicht wollen! Ich vertraue da auch auf den Gewerkschaftsbund, muss ich sagen.

 

Ein weiterer Punkt ist der: Es ist ja noch nicht einmal sicher, wer überhaupt abstimmen darf. Die Frage des gemischten Abkommens ist überhaupt offen, und damit auch offen ist die Frage - was eigentlich seltsam ist im Regelwerk der EU -, ob unser Parlament überhaupt etwas zu sagen hat. So weit sind wir schon: In einer der vitalsten Fragen für Österreichs Zukunft hat vielleicht das Parlament gar nichts mehr zu sagen! - So weit zur EU-Begeisterung, von der da vorhin gesprochen wurde, und zur Skepsis, die immer mehr um sich greift.

 

Man könnte nun sagen - und jetzt muss ich ein bisschen kritisch werden -, beide Präsidentschaftskandidaten - einer von ihnen wird ja unterzeichnen müssen - haben sich festgelegt, und da könne nichts passieren. Nun, wenn man den Verfassungsrechtlern zuhört, so gibt es die Variante, dass man sagt: Unter Umständen könnte der Kanzler allein ratifizieren und der Bundespräsident nicht. Dann wäre des Abkommen international gültig, aber der Kanzler wäre in Österreich ein Gesetzesbrecher. Eine schwierige Situation, die hier offen ist!

 

Dabei ist aber leider noch nicht ganz sicher, wie sich die beiden Präsidentschaftskandidaten in Wirklichkeit verhalten werden. Der Herr Kollege Van der Bellen hat gesagt, er wird nicht unterzeichnen - nur, er hat halt schon viel gesagt! Wenn ich an das Buch denke, das er veröffentlicht hat: Da hat er gesagt, grundsätzlich steht er TTIP wohlwollend gegenüber. Es ist, glaube ich, erst ein bisschen mehr als ein Jahr her, dass dieses Buch publiziert wurde. „Die Wahrheit ist eine Tochter der Zeit“, das hat ein anderer Präsidentschaftskandidat gesagt. Und Prof. Van der Bellen hat auch schon einmal erklärt, er würde in den Gemeinderat gehen, wenn er hereingewählt wird, und dann hat er es sich eine Zeit lang doch etwas überlegt.

 

Das ist wirklich eine ganz gefährliche Situation, denn wir haben das auch an seinen eigenen Sätzen und seinen eigenen Worten erlebt. Ich zitiere aus dem Parlamentsprotokoll anlässlich des Fekter-Schwindels in der Debatte zur Griechenland-Finanzierung wörtlich: „Wie Sie wissen, bin ich seit drei Jahren der festen Überzeugung, dass Griechenland nicht dazu imstande sein wird, das zurückzuzahlen. Es ist aber ein Unterschied, möchte ich hinzufügen,“ - Das ist interessant: es ist ein Unterschied - „ob der Herr Strache das sagt, ob ich das sage oder ob die Frau Bundesministerin das sagt. Sie muss sich in so einem Fall verschweigen, sie muss sogar, finde ich, gegen ihre eigene Überzeugung sprechen,“ - also wie schaut das aus: entweder habe ich eine Überzeugung oder ich habe keine - „wenn sie öffentlich spricht. Denn wenn sie der Meinung sein sollte, unsere Bundesministerin Fekter, dass Griechenland das nicht zurückzahlen können wird, was wird dann sein? - Dann würden wir fragen: Ja, und was heißt das, wer zahlt dann und was passiert dann? Wo sind die Vorbilder?“ Das würden wir bei TTIP genauso fragen.

 

Daraufhin der Zwischenruf des Abg. Strache: „Das wäre dann wenigstens ein ehrlicher Umgang.“ Van der Bellen: „Das wäre ein ehrlicher, aber unprofessioneller Umgang.“ Beifall bei den GRÜNEN. Strache darauf: „Man muss also lügen, um professionell zu sein?“ Van der Bellen: „Sorry, das muss ich so sagen.“ Also einem so professionellen Bundespräsidentschaftskandidaten würde ich nicht trauen, meine Damen und Herren! Da bleiben die Zweifel, auch bei aller Glaubwürdigkeit der Wiener GRÜNEN, aus unserer Sicht angebracht.

 

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