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Gemeinderat, 58. Sitzung vom 12.11.2014, Wörtliches Protokoll  -  Seite 16 von 34

 

darf ich Ihnen vielleicht nur etwas sagen, weil Sie es sich vielleicht nicht genau angeschaut haben – oder vielleicht wissen Sie es und haben es trotzdem so formuliert: Es gibt in Wien über 700 Schulen, verteilt auf 23 Bezirke; es gibt über 1 898 Kindergartengruppen, verteilt in ganz Wien über 23 Bezirke. Ich möchte nicht darüber reden, wie viele Wohnungen es in Wien gibt, ebenfalls auf alle 23 Bezirke verteilt. (GR Heinz Hufnagl: 180 000!) Wenn hier eine Partei glaubt, es gibt einen einzigen Bezirk in Wien, wo wir im Prinzip alles Mögliche ansiedeln können, ohne dass wir in der Nähe eines Kindergartens, einer Schule oder von Wohnbauten wären, dann täuscht man sich. Wien hat nicht die Möglichkeit auszuweichen.

 

Wenn ich mir Ihre Diktion näher zu Gemüte führe, fallen mir eigentlich nur drei Orte ein, die in Frage kommen würden: der Lainzer Tiergarten, die Donauinsel und der Wienerwald. (GR Johann Herzog: Und die Spitäler, die Großspitäler, Herr Kollege!) Da gibt es keine Wohnverbauung. Da gibt es wahrscheinlich keine Kindergärten und keine Schulen. Nur kann man Politik in dieser Stadt und in diesem Land so nicht machen, geschätzte Damen und Herren. (Beifall bei SPÖ und GRÜNEN.)

 

Entschuldigen Sie jetzt, meine Damen und Herren, ich könnte es mir jetzt leicht machen, indem ich auf meine Rede bei der letzten Gemeinderatssitzung verweise und damit schließe, aber dann würden Sie wahrscheinlich das eine oder andere Argument nicht gesagt bekommen.

 

Liebe Frau Stadträtin, du bist in angenehmer Gesellschaft. Ich habe es schon letztes Mal gesagt. Ich darf seit 20 Jahren in diesem Hause tätig sein, und seit mehr als 20 Jahren beschäftige ich mich sehr intensiv natürlich auch mit den Problemen, die es in dieser Stadt gibt und damit natürlich auch mit der Drogenproblematik. Aber wenn ich eines heute sagen darf: Wir haben bei der letzten Sitzung eine Rücktrittsaufforderung an den Wiener Drogenkoordinator erlebt. Michi, du bist in angenehmer Gesellschaft. Das haben sie nicht nur bei dir gemacht, sondern bei deinem Vorgänger. Auch Peter Hacker wurde zum Rücktritt aufgefordert. Und heute sind wir wieder einmal so weit, liebe Frau Stadträtin, dass man dir das Misstrauen aussprechen möchte.

 

Ich möchte den heutigen Tag aber nicht vergehen lassen, ohne dir zu gratulieren, nämlich aus einem einfachen Grund. Geschätzte Damen und Herren! Wir feiern heute – manche vielleicht nicht, ich sehr wohl – den 12. November. Der 12. November 1918 war ein markanter Baustein für die demokratische Republik Österreich. Sie hat zwar nicht allzu lange gedauert, aber in dieser Zeit, ab dem 12. November 1918 gab es in Wien Sozialreformer in diesem Hohen Gemeinderat. Auch die sind nicht mit Lob bedacht worden. Die sind von Vertretern der anderen politischen Parteien genauso wie du heute kritisiert worden.

 

Ich darf stellvertretend hier diesbezüglich vier Namen nennen: Julius Tandler, Otto Glöckel, Ferdinand Hanusch und Stadtrat Hugo Breitner. Alle vier wurden unisono angefeindet. Man hat damals gesagt: Das sind ja Sozialwahnsinnige! Was die da machen, was die da einführen wollen!

 

Ich darf erinnern: Es wurden Kindergärten gebaut, es wurden Schulen gebaut, der soziale Wohnbau wurde geschaffen, es wurde die Wohnbausteuer eingeführt. Sie können sich vorstellen, damit haben die meisten keine Freude gehabt. Was aber sehr wenige wissen: Man griff auch damals zu so unpopulären Maßnahmen wie einer Sondersteuer für die größten Hotels, Gaststätten und Kaffeehäuser. Was hat man mit diesen Mitteln formell gemacht? Man hat sozialen Randgruppen und Schwachen geholfen. Es wurden Kindergärten gebaut, Kinderfreibäder geschaffen und vieles mehr. Das waren lauter soziale Errungenschaften, und ich weiß noch, und Sie können es im Protokoll nachlesen, was die Oppositionsparteien hier im Wiener Rathaus damals über diese Sozialreform gesagt haben. Liebe Frau Stadträtin, du bist also in angenehmer Gesellschaft.

 

Meine Damen und Herren, bei aller Entgegengesetztheit möchte ich Ihnen sagen, und ich habe es Ihnen schon letztes Mal gesagt: Jede Standortwahl für eine Sozialeinrichtung in Wien ist die zweitbeste Wahl. Es kann und wird nie einen Standort geben, wo die Bevölkerung sofort applaudiert und sagt, genau das wollen wir, dieser Standort ist richtig. Wenn Sie irgendwo in Wien einen Standort zur Betreuung der Wohnungslosen eröffnen, haben Sie genau die gleiche Diskussion, egal, wo der angesiedelt ist. Auch wenn Sie einen Standort errichten, wo Sie psychisch auffällige Personen betreuen, haben Sie genau die gleiche politische Diskussion.

 

Meine Damen und Herren von der Österreichischen Volkspartei, vor allem dem Kollege Ulm! Sie haben gesagt, zum Spritzentausch würden sich auch andere Standorte eignen. Ich darf Ihnen daher in Erinnerung rufen: Sie sind 1996 bis 2001 mit uns gemeinsam in einer Koalition gesessen. 1999 haben wir gemeinsam das Drogenkonzept erarbeitet, im Prinzip. Wir haben während dieser Zeit in Richtung Drogenprävention und Beratungseinrichtungen gearbeitet und welche geschaffen. Damals habe ich von Ihnen nicht gehört, dass diese Standorte alle nicht in Frage kommen.

 

Ich kann mich noch erinnern, das war allerdings vor dem Jahr 1996, als man in den 4. und in den 10. Bezirk wegen der Aktualität der Situation einen mobilen Spritzentauschbus hinschicken wollte, und zwar weder in ein Wohngebiet noch in die Nähe einer Schule oder eines Kindergartens, sondern zum Südtiroler Platz, in die Nähe des Südbahnhofs. Das Einzige, das dort gewesen ist, waren zwei Industriebetriebe, und die Autos sind durchgefahren, und trotzdem waren Sie damals dagegen.

 

Das ist eine interessante Geschichte, denn auch damals hätte sich angeblich jeder Standort besser geeignet als ein mobiler Spritzenbus, der zwei Mal in der Woche dort gewesen ist, und die ÖVP hat sich auch damals dagegen ausgesprochen. Ich weiß das sehr genau, denn ich bin 13 Jahre in der Bezirksvertretung dort gesessen und habe diese Diskussionen auch persönlich erlebt.

 

Meine Damen und Herren, der verstorbene Kanzler von England, Winston Churchill, hat einmal in einer sehr gescheiten Äußerung gemeint, Demokratie sei nicht unbedingt das Optimalste und ist auch nicht die Vollendung dessen, wie man sich Mitbestimmung und Mitwir

 

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