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Gemeinderat, 45. Sitzung vom 19.11.2013, Wörtliches Protokoll  -  Seite 20 von 73

 

verdienen, bekommen.

 

Ich habe jetzt leider nur noch 50 Sekunden, erwähne nur noch, dass ich den Einkommensanwalt schon mehrfach eingebracht habe, der doch für Wien, nachdem wir Österreich-weit den Rest nicht ändern können, ein irrsinniges Vorbild und erster Schritt wäre, diese Lohnspanne zu verringern. Vielleicht können wir das doch schaffen!

 

Ich stimme aber dem Budget nicht zu, denn es gibt folgenden Punkt: Wenn die Wiener Linien 1 Million EUR pro Tag Zuschuss an Betriebsmitteln brauchen und an 8 Tagen 8 Millionen EUR Zuschuss bekommen, unser Frauenbudget aber 8 Millionen EUR ist, dann ist das für mich so ein dramatisches Missverhältnis in der gesamten Budget- und Zahlengedankenkonstruktion, dass ich diesem Budget auf Grund der Unausgewogenheit auf keinen Fall zustimmen kann! - Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

 

Vorsitzender GR Mag Dietbert Kowarik: Als nächste Rednerin zum Wort gemeldet hat sich Frau GRin Mag Wurzer. Selbstgewählte Redezeit 11 Minuten.

 

11.00.03

GRin Mag Martina Wurzer (Grüner Klub im Rathaus)|: Herr Vorsitzender! Liebe Frau Stadträtin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Kollegin Feldmann!

 

Wenn Ihre Partei, die ÖVP, frauenpolitisch nur dort stehen würde, wo Sie gerade standen und was Sie gerade erläutert haben: Unsere Welt und dieses Österreich wären so viel besser! Das wäre schön! Hoffen wir, dass es irgendwann doch so weit kommt!

 

Bis dahin betreibt die rot-grüne Regierung in dieser Stadt ja kräftige feministische Frauenpolitik, und ich möchte mich in meiner Rede gerne zwei Arbeitsschwerpunkten des kommenden Jahres widmen, nämlich erstens der Einkommensgerechtigkeit und zweitens dem Gewaltschutz. Beide Themen bilden zwei sehr große und gewichtige Arbeitsschwerpunkte. (Zwischenruf von GRin Mag Barbara Feldmann.) Ja, Frau Kollegin Feldmann! Wir sprechen von einer geringen Summe an Gesamtausgaben, es sind leider nur 8 Millionen EUR. Wir sehen das ähnlich, dass es nämlich Erhöhungsbedarf gibt.

 

Ich komme zu unserem Schwerpunkt der Einkommensgerechtigkeit für Frauen und rede dabei über nichts Geringeres als über eine der größten Ungerechtigkeiten in diesem Land und vor allem über deren Bekämpfung. Die wirksame Bekämpfung des inakzeptablen Einkommensunterschiedes zwischen Frauen und Männern wird hierzulande leider mittlerweile sogar weniger diskutiert. Vielmehr beschäftigt man sich, das Ausmaß in Frage zu stellen und herunterzuspielen. Es ist jetzt immer wieder und immer öfter zu hören und auch zu lesen, dass der Unterschied eh nicht so eklatant sei.

 

Häufig heißt es auch, dass die Lohnungleichheit daran liege, dass Frauen schlechter bezahlte Berufe ergreifen. Das ist ein Satz, der schnell dahingesagt ist, den viele aus ihrer eigenen Alltagserfahrung heraus wahrscheinlich auch bestätigen werden. Dieser Satz ist aber gefährlich und zwar in mehreren Hinsichten. Zum einen verschleiert er, dass Frauen auch in den sogenannten Männerberufen schlechter bezahlt werden als ihre männlichen Kollegen und dass selbst nach Berücksichtigung von Teilzeitbeschäftigung und Babypausen immer noch eine Lohnlücke bleibt, und zum anderen macht diese Aussage die Frauen zu Anwältinnen in ihrer eigenen Sache, ohne dass sie etwas an den Ursachen ändern könnten.

 

Mit der Zuweisung der Verantwortung für schlechtere Bezahlung an die Frauen selbst stiehlt sich diese Gesellschaft aus ihrer eigenen Verantwortung. Auch die Politik hat es damit bequem: Sie hat damit einen schönen Vorwand dafür, weshalb die notwendigen gesetzgeberischen Maßnahmen nicht ergriffen werden, warum in der Öffentlichkeit dieser Missstand als individuelles Problem dargestellt und damit die gesellschaftliche Ungerechtigkeit als individuelles Problem wahrgenommen wird.

 

Es ist aber kein individuelles Problem, wenn Gehaltseinstufungen von Arbeitgebern intransparent vorgenommen werden. Es ist kein individuelles Problem, wenn Lücken in der Erwerbsbiographie, die durch Erziehungszeiten oder das Muttersein an sich entstanden sind, als nichtkalkulierbares Ausfallkriterium eingeschätzt werden. Es ist auch kein individuelles Problem, wenn von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in der Arbeitswelt immer mehr Flexibilität gefordert wird. Nein! Es ist ein riesengroßes gesellschaftliches Problem, wenn ausgerechnet die sogenannten Frauenberufe, die Berufe der Alten- und Krankenpflegerinnen, der Friseurinnen, der Frauen im Gesundheitswesen, der Volksschullehrerinnen, der Kindergartenassistentinnen, die schlechtbezahlten Berufe sind.

 

Wer hat das Recht, die Arbeit dieser Frauen durch eine schlechte Bezahlung derart herabzuwürdigen? Und wer hat das Recht, auch noch mit dem Finger auf diese Frauen zu zeigen und ihnen vorzuhalten, hättet ihr einen Männerberuf gewählt, dann hättet ihr dieses Problem jetzt nicht! – Niemand hat dieses Recht!

 

Warum bekommt einen Frau, die drinnen Räume und Toiletten sauber macht, weniger als der Mann, der draußen für die Pflege der Außenanlage zuständig ist? Warum ist das Putzen von Klos eigentlich geringer zu bewerten als das Abkratzen von Kaugummis auf Parkbänken? Warum erhält der Leiter einer Kfz-Werkstatt deutlich mehr Lohn als die Leiterin einer Küche? Warum ist die Kindergartenpädagogin so viel niedriger bezahlt als der Universitätsprofessor? – Weil Arbeit eben nicht geschlechtsneutral bewertet wird, weil diese Unterschiede eben keine Naturgewalt sind! Die Bewertung von Arbeit findet keinesfalls im macht- und geschichtsleeren Raum statt. Wie sehr sich das sehr wohl verändern kann, können wir am Beispiel des Lehramts sehr schön beobachten. (Zwischenrufe bei der FPÖ.)

 

Noch vor 50 Jahren war der Herr Lehrer neben dem Herrn Pfarrer eine Autoritätsperson mit sicherer, gut bezahlter Anstellung. Seit Frauen diese ehemalige Männerdomäne erobert haben, geht es bergab mit Ansehen und Bezahlung. (Zwischenruf von GR Mag Wolfgang Jung.) Ebenso war der Sekretär im 19. Jahrhundert eine geschätzte, respektierte Persönlichkeit. Heute ist das der Job einer „Tippse“.

 

Frauenarbeit ist niedriger bewertet als Männerarbeit. Die Arbeit an Menschen und Dienstleistungen, die allen anderen die Arbeit überhaupt erst ermöglichen, wie etwa

 

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