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Gemeinderat, 29. Sitzung vom 19.11.2012, Wörtliches Protokoll  -  Seite 88 von 108

 

heit das wirklich Erschreckende. Das heißt, wenn man nichts anderes als Vision hat, als Verschuldung zu erhöhen, und einem nicht einfällt, wie man wirtschaftet, erwirtschaftet oder wie man den Boden für Wachstum schafft, dann ist das für die Nachkommen, für die nächste Generation eine Tragödie.

 

Wir haben mit 9 Prozent die höchste Arbeitslosigkeit im Bundesländervergleich und noch dazu 150 000 Mindestsicherungsempfänger - das sind 10 Mal so viele wie in Niederösterreich.

 

Wir haben ein Ausbildungsproblem: Der Lesetest sagt, dass jedes vierte Kind nach Abschluss der Volksschule nicht oder kaum lesen kann. - Dazu möchte ich sagen: Sie geben vor, Bildungsspezialisten zu sein, und empfehlen die Gesamtschule. Die Volksschule ist eine Gesamtschule, sie ist als Pflichtschule noch dazu in der Landeskompetenz. Sie hätten hier ohne Weiteres zeigen können, wie eine solche Gesamtschule funktioniert, ausbildungsmäßig, aber auch nachmittagsbetreuungsmäßig. Denn nur ein Drittel der Pflichtschulen in Wien hat Nachmittagsbetreuung - im Gegensatz zu den Bundesschulen, die zu 100 Prozent Nachmittagsbetreuung haben.

 

Mich hat besonders erschüttert, dass das Budget der Geschäftsgruppe für Frauen von 8,7 auf 7,9 Millionen EUR gekürzt worden ist, das heißt, um satte 10 Prozent. Und dabei hat die MA 57 nicht einmal 1 Prozent des Gesamtbudgets zur Verfügung gehabt.

 

Das ist besonders enttäuschend, weil wir hier einen dringenden Budgetbedarf, einen dringenden Nachholbedarf haben. Ich habe zwar von Frau Finanzstadträtin Brauner vernommen, dass bei den wichtigen Themen wie zum Beispiel beim Müll nicht eingespart wird - ich kann daraus eigentlich ableiten, dass die Frauenthemen in Wien zu den nicht wichtigen Themen gehören, also Frauenpolitik in dieser Stadt ein Randthema geworden ist.

 

Wo wir daher die Mittel für Gleichstellungsmaßnahmen hernehmen sollen, bleibt ein Rätsel. Das Budget für den PID ist wieder erhöht worden, um 1 Million. Ich sehe das so: Den Frauen ist das Geld weggenommen worden, und dieses Geld ist dem PID zur Bejubelung und für Werbemaßnahmen zur Verfügung gestellt worden, obwohl er schon sechs Mal so hoch dotiert ist wie das Budget der MA 57.

 

Sie haben, und das ist ebenfalls dramatisch, die Wirtschaftsförderung in den letzten 3 Jahren halbiert, fast halbiert, von 167 Millionen auf 108 Millionen, und gleichzeitig die Mindestsicherung verdoppelt, von 290 auf 470 Millionen. Jetzt frage ich Sie: Alle sagen Sie, wie wichtig Wachstum ist. Was ist daran Wachstum? - Außer Schuldenwachstum natürlich. Ich meine, Wirtschaftswachstum oder die Grundlagen für Wirtschaftswachstum kann man hier wirklich nicht erkennen.

 

Was mich besonders stört: Es gibt keinen Willen zur Einsparung. Und ich hätte als Vorschlag einmal einen sinnvollen Beauftragten, nämlich einen Einsparbeauftragten. Nicht nur, dass der sich selber rechnen würde, er würde unter Umständen dem Defizit gut tun. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

 

Sie lassen keinerlei Initiative für Kostenoptimierungsprogramme und ausgabenseitige Einsparungsmaßnahmen erkennen, obwohl - ich möchte das jetzt nicht alles vorlesen, wir haben das schon gehört - es genug Potenzial dazu gäbe.

 

Die Arbeitslosenquote ist hoch, sie ist die höchste auch bei Frauen. Bei Frauen liegt sie bei 8,2 Prozent - im Vergleich dazu Oberösterreich: 4,2 Prozent. Die Armutsgefährdung in Wien liegt im Schnitt bei 18,2 Prozent, aber bei Ein-Eltern-Familien mit Kindern unter 19 Jahren bei 35 Prozent. Das ist ein unfassbarer Prozentsatz!

 

Wir haben schon viele Anträge eingebracht, ich habe auch viele Anträge eingebracht bezüglich Verbesserung der Situation von Frauen in Wien. Ich versuche es noch einmal mit zwei weiteren Anträgen.

 

Der eine betrifft Förderung von Frauen in Führungspositionen. Wir wissen, dass fast alle Studien der letzten Jahre gezeigt haben, dass Frauen in Führungspositionen nach wie vor unterrepräsentiert sind. Wir wissen auch, dass das nicht auf das Bildungsniveau zurückzuführen ist, denn Frauen stehen den männlichen Kollegen in nichts nach. Es gibt schlechter bezahlte Frauenberufe als Männerberufe, aber auch wenn man diesen Umstand im Hinblick auf die Vergleichbarkeit ausschaltet, ist es trotzdem noch so, dass die Einkommensschere zwar etwas gesunken ist, aber noch immer viel zu hoch ist. Für mich lässt das den Schluss zu, dass im Bereich der gesamtgesellschaftlichen Bewusstseinsbildung ein Nachholbedarf besteht, und auch bei den zielgerichteten Förderungen.

 

Sie haben in Wien die Möglichkeit, nicht nur im eigenen Bereich, bei der Wien Holding zum Beispiel, Maßnahmen zu setzen, sondern auch wirtschaftspolitische Anreize in der Privatwirtschaft zu bieten. Wir wissen, dass Frauen als Entscheidungsträgerinnen einen positiven Einfluss auf die Unternehmenskultur und auf den Unternehmenserfolg haben. Das heißt, dass eine entsprechende Repräsentanz von Frauen auf allen Ebenen des Managements wesentlich ist für den wirtschaftlichen Erfolg und dass ein wirtschaftlicher Erfolg auch unmöglich ist, wenn auf Dauer auf 50 Prozent der Talente verzichtet wird. Daher mein Beschlussantrag:

 

„Die amtsführende Stadträtin möge ein Programm konzipieren, durch das mittels eines Informations- und Anreizsystems die Präsenz von Frauen in Führungspositionen in der Wirtschaft gesteigert beziehungsweise gefördert wird.

 

In formeller Hinsicht wird die sofortige Abstimmung verlangt.“ (Beifall bei der ÖVP.)

 

Ein weiterer Antrag - er betrifft eine Frauenoffensive. Ich gehe davon aus, dass das 21. Jahrhundert davon gekennzeichnet ist, dass die Frauenbewegung nicht mehr nur durch Frauen bewegt wird, sondern dass das ein gesamtgesellschaftliches Thema ist. Ich spreche hier von einer emanzipierten Frau, aber auch von einem emanzipierten oder aufgeklärten Mann. Und es ist ja hoffentlich so, dass mittlerweile allen bewusst ist oder bewusst sein sollte, dass eine Gleichstellung nicht ein Geschlechterkampf ist, sondern eine Intelligenzfrage. Es zeigen immer mehr Forschungsergebnisse, dass eine

 

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