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Gemeinderat, 25. Sitzung vom 27.06.2012, Wörtliches Protokoll  -  Seite 40 von 89

 

Das besonders Unsoziale ist, diese Genossenschaftshäuser – und da zeige ich Ihnen jetzt ein paar Bilder – werden aktuell immer noch renoviert. Leute, die heute Geld investieren in ihren Wohnraum, müssen, wenn etwas ganz Schlimmes passiert – was ich niemandem wünsche –, wenn es etwa zu einem Generationenwechsel auf Grund eines Todesfalls kommt, mehr zahlen. Die Kinder müssen, wenn sie volljährig sind, was meistens der Fall ist, wenn so etwas eintritt, bereits die 8,38 EUR zahlen. Das ist bei Gott nicht sozial!

 

Es ist in einer weiteren Hinsicht nicht sozial. Nehmen Sie als Beispiel – ich kann jetzt nicht diesen ganzen Aktenberg hier besprechen – die Siedlung Südost. Da wurden die Grundstücke mittels Schenkungsvertrag der Gemeinde Wien geschenkt, mit dem Sinn, soziale Zwecke für Wohnen weiter zu fördern. Wir haben hier noch einen Gedenkstein im 10. Bezirk, der an dieses Anliegen erinnert. Die 8,38 EUR für die Nachfahren der derzeitigen Mieter sind sicherlich nicht in diesem Sinne. (GR Dipl-Ing Martin Margulies: Geht es jetzt um die Nachfahren, die alle arm sind?) Nein, darauf gehe ich gar nicht ein. (GR Godwin Schuster: Für welchen Zeitraum war das?)

 

Warum sind diese Baurechtsverträge und vor allem die Situation, wie diese Verträge nun zum Abschluss kommen, so zu hinterfragen und so wert, sie zu kritisieren? – Das ist ganz einfach. Die Stadt Wien und die Genossenschaften schließen einen Vertrag ab. Die Genossenschafter, die in den Genossenschaften ihre Zustimmungserklärung, die unter sehr fragwürdigen Umständen eingefordert wird, tätigen, tätigen diese auf Grund von unvollständigen Informationen. Diese Briefe sind wirklich eine Gemeinheit wegen der Art, wie die Leute hier – ich sage es jetzt einmal – uninformiert gelassen werden. Das ist wirklich alles andere als in Ordnung.

 

Kaum ein Genossenschaftsmieter hat den tatsächlichen Baurechtsvertrag zu Gesicht bekommen, wenn er nicht ohnehin in einer führenden Position in der Genossenschaft ist. Kaum ein Genossenschafter hat die Vereinbarung über einen vorübergehenden Verzicht – da geht es um diese Altmieter – jemals zu Gesicht bekommen. Kaum ein Genossenschaftsmieter hat den Sideletter jemals zu Gesicht bekommen.

 

Der Sideletter hat etwas besonders Bemerkenswertes in seinem Text. Ich darf Ihnen ganz kurz aus dem Genossenschaftsgesetz § 1 Abs 1 zitieren. Dieses Gesetz gilt für Personenvereinigungen mit Rechtspersönlichkeit von nicht geschlossener Mitgliederzahl, die im Wesentlichen der Förderung des Erwerbes oder der Wirtschaft ihrer Mitglieder dienen wie für Kredit-, Einkaufs-, Verkaufs-, Konsum-, Verwertungs-, Nutzungs-, Bau-, Wohnungs- und Siedlungsgenossenschaften.

 

Das ist im Zusammenhang mit dem Sideletter besonders interessant, denn im Sideletter verpflichtet die Stadt Wien die Genossenschaften zu Folgendem, was hier unter Verrechenbarkeit des Bauzinses steht: Auf Grund der gesetzlichen Bestimmung gehen beide Vertragsteile davon aus, dass der gegenständliche Bauzins an die Mieter weiterverrechnet werden kann.

 

Jetzt stelle ich mir schon einmal die Frage: Wenn beide Vertragsteile von der Rechtskonformität ausgehen, warum brauche ich dann einen Sideletter, der als einzigen Inhalt diese Feststellung und die nachfolgenden Absätze hat, die auch diesen Punkt betreffen? Da brauche ich keinen Sideletter, wenn ohnehin alles rechtskonform ist.

 

Sie haben aber recht, dass Sie diesen Sideletter machen, denn Sie gehen davon aus, dass es unter Umständen nicht rechtskonform ist. Ich darf in diesem Zusammenhang Herrn Prof Ludl, sicherlich ein Experte im Genossenschaftswesen, der auch lange Zeit an der WU unterrichtet hat, zitieren. Der hat genau gesagt, dass diese Verlängerung der Baurechtsverträge nicht in Ordnung ist. Das heißt, Sie wissen das bereits, machen es aber trotzdem und machen es in einer Höhe, die zu großem Unmut innerhalb der Genossenschaftsmitglieder führt.

 

Das heißt, der vernünftigere Weg wäre gewesen, entweder zu versuchen, in einer Mediation unter vollständiger Information der Genossenschaftsmieter zu einer moderaten Erhöhung zu kommen, aber nicht die Genossenschaftsmitglieder etwas unterschreiben lassen, sie nicht informieren, bei den Informationsveranstaltungen – auch besonders lustig – den Teufel – unter Anführungszeichen – der Stadt Wien oder Gemeinde Wien an die Wand malen, dass die dann „für euch zuständig ist, das werdet ihr doch alle nicht wollen!“ Das ist mehrfach in den Informationsveranstaltungen gesagt worden. So schlimm wird die Gemeinde Wien ja hoffentlich nicht sein.

 

Aber warum ich den Punkt jetzt herausgenommen habe, ist, dass die Stadt Wien die Genossenschaften zu Folgendem verpflichtet – ich darf das auch kurz vorlesen, nur damit das klar ist und hier auch einmal gesagt wird: „Die Bauberechtigte“ – also die Genossenschaft – „verpflichtet sich, alles in ihrer Macht Stehende und Zumutbare zu unternehmen, um dies abzuwenden.“ – Also wenn geklagt wird. – „Sie verpflichtet sich insbesondere, über diese Frage allenfalls anhängig werdende Gerichtsverfahren unter Zuhilfenahme anwaltlicher Vertretung mit Eifer und Gewissenhaftigkeit zu führen und alle Rechtsmittel bis hin zum Obersten Gerichtshof auszuschöpfen, um die Weiterverrechenbarkeit des Bauzinses sicherzustellen.“

 

Das heißt, der kleine Genossenschafter mit einem meist eher sehr geringem Einkommen wird von seiner Genossenschaft – aus meiner persönlichen Sicht entgegen dem Genossenschaftsgesetz – bis zum Obersten Gerichtshof gezerrt, um die Rechtskonformität dieses Vertrages herzustellen. Seien Sie mir bitte nicht böse, ich bin von dieser Vorgangsweise alles andere als überzeugt, und ich finde das sehr, sehr bösartig gegenüber den einzelnen Mietern und Genossenschaftern.

 

Warum das Ganze eigentlich doch in dieser Art und Weise über die Bühne gehen konnte – ich bin da zufällig auf etwas gestoßen, dazu hätte ich jetzt einerseits ein

 

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