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Gemeinderat, 22. Sitzung vom 27.04.2012, Wörtliches Protokoll  -  Seite 44 von 90

 

Bestimmungen aufrechtzuerhalten. Wir haben viele Besuche mit Parteifreunden unten in Kurdistan gemacht, ich war auch dabei, und wir haben dort die Dinge gesehen. Aber Sie, meine Damen und Herren von der SPÖ und von den GRÜNEN zumindest, haben es ja auch gesehen. Sie waren ja 2011 gemeinsam beim Newroz-Fest unten. Ich war damals nicht dabei. Die Parteien waren gemeinsam unten. Sie haben ja die Ergebnisse und die Vorfälle mitbekommen und Sie wissen es. Ich gehe davon aus, das ist ja für mich eine Selbstverständlichkeit, dass Sie das sicherlich auch bedauern, was da unten passiert, gar keine Frage, wie die Zustände sind und wie sie laufen und dass das keine Sache ist, die man sich gefallen lassen kann.

 

Aber wenn Politik und Politiker sich bedauernd über unmenschliche Zustände äußern, aber sonst nichts, und keinerlei politische Folgen in irgendeiner Form gesetzt werden, dann ist das ein Bedauern ohne Belang, schlicht und einfach. Das muss man festsetzen und feststellen. Ich meine, auch wir können mit unseren Anträgen vielleicht nichts bewirken, aber wir können Öffentlichkeit herbeiführen, wir können uns bemühen. Ich habe nicht gehört, dass in den ganzen Jahren der Bundeskanzler, der Außenminister, der Wiener Bürgermeister auch nur irgendeinen Satz zum Thema Verfolgung der Kurden gesagt haben. Im Kern sind SPÖ, ÖVP und auch die GRÜNEN, gar keine Frage, auf Linie einer eindeutig protürkischen Politik ohne Wenn und Aber. Für die Kurden bleibt Schulterklopfen und ein bisschen Aufmunterung. Da gehen wir zum Festchen und erklären uns solidarisch, ansonsten passiert nichts.

 

Welche Schritte hat zum Beispiel die Stadt Wien in Sachen Kulturabkommen zwischen Wien und Diyarbakir gesetzt, das wir im Jahr 2009 beschlossen haben? Wir haben eine entsprechende Frage heute abgegeben. Wir sind auf die Antwort schon sehr gespannt und neugierig. Ich darf daher den Antrag einbringen, den Sie ja auch bereits bekommen haben, der lautet:

 

„Alljährlich feiern Völker des Nahen Ostens das Neujahrsfest, so auch die Kurden in der Türkei. Heuer kam es wieder zu blutigen Übergriffen des türkischen Militärs in Ostanatolien und Istanbul. In Istanbul wurde sogar ein Funktionär der Kurdenpartei BDP erschossen. Erst Ende Oktober 2011 war es zu Angriffen gegen kurdische Rebellen gekommen, wobei die 24 aufgebahrten Toten eindeutige Spuren von chemischen Waffen wie Napalm aufwiesen. Von kurdischer Seite wird beklagt, dass es von 1994 bis 2011 39 Angriffe mit Chemiewaffen und 437 Toten gegeben haben soll. Der Einsatz chemischer Substanzen wird wiederholt auch von ausländischen Institutionen bestätigt wie der „Spiegel“ vom August 2010, obwohl die Türkische Republik natürlich das Abkommen für Chemiewaffenverbot am 29. April 1997 ratifiziert hat.“

 

Der „Spiegel“ schreibt am 12. August 2010: „Menschenrechtler erheben schwere Vorwürfe gegen die türkische Regierung, Gutachten stützen die Anschuldigung, dass Chemiewaffen eingesetzt wurden. Es sind verstörende Fotos,“ - ich habe sie sogar da, wer sie sehen will - „an Grausamkeit kaum zu übertreffen. Fotos von verbrannten, verstümmelten und verätzten Körperteilen, Leichen, die kaum noch als solche zu erkennen sind. Hans Baumann, ein deutscher Bildfälschungsexperte, hat die Authentizität der Fotos festgestellt und ein rechtsmedizinisches Gutachten der Hamburger Uni-Klinik bestätigt den ursprünglichen Verdacht, die acht Kurden starben mit hoher Wahrscheinlichkeit durch den Einsatz chemischer Substanzen.“ In der Zwischenzeit gibt es schon im Jahr 2011 weitere Vorwürfe über Chemiekrieg und Ähnliches mehr. Erdogan spricht von PKK-Propaganda und weist darauf hin, dass die Türkei Unterzeichnerstaat der Chemiewaffenkonvention sei und dass sie daher keine biologischen und chemischen Waffen hat, also eine reine Schutzbehauptung, muss man feststellen. Zwischendurch gibt es, wie gesagt, immer wieder massive Kämpfe und Verhaftungen gegen die politische Vertretung der Kurden. Es gibt Verhaftungsfälle und Schauprozesse. Ungefähr 1 000 Funktionäre, Stadträte und Gemeinderäte wurden von den Türken ohne rechte Anklage verhaftet, ab dem Jahr 2010 durch Monate festgehalten und dann unter scheinheiligen Anklagen in Massenprozesse hingestellt. Wir waren als Prozessbeobachter dort. Dort sitzen hunderte Angeklagte, werden gemeinsam abgehandelt und dürfen die kurdische Sprache nicht benützen. Das heißt, dass hier entgegen alle Menschenrechte diese kurdische Minderheit massiv unterdrückt ist. Was mich überhaupt wundert, ist: Es ist ja höchst erstaunlich, dass sich der Premier Erdogan hinstellt und richtigerweise die Verfolgung seines Volkes durch Präsident Assad beklagt, aber das Gleiche in Kurdistan ohne die geringste Hemmung seinen Menschen und seiner Bevölkerung gegenüber macht. Daher der Beschlussantrag:

 

„Der Wiener Gemeinderat fordert den türkischen Premierminister Erdogan auf, die brutalen Verstöße gegen die Menschenrechte in seinem Land unverzüglich zu unterbinden und dass gegenüber der kurdischen Minderheit die grundlegenden Rechte sowohl für die Bevölkerung als auch deren politische Vertretung endlich im Sinne eines demokratischen Rechtsstaates eingehalten werden.

 

In formeller Hinsicht wird die sofortige Abstimmung verlangt.“ (Beifall bei der FPÖ.)

 

Vorsitzender GR Mag Thomas Reindl: Herr GR Herzog! Wenn Sie Anträge einbringen wollen, dann müssen Sie die auch dem Vorsitzenden überreichen. (GR Johann Herzog übergibt den Beschlussantrag.) Danke.

 

Zum Wort gemeldet ist Herr GR Akkilic. Ich erteile es ihm.

 

13.35.43

GR Senol Akkilic (Grüner Klub im Rathaus)|: So, ich freue mich, dass wir jetzt bei einem internationalen Thema angelangt sind, wo wir bei Entwicklungszusammenarbeit immer wieder jeden Cent von der FPÖ hinterfragt bekommen, weil die Stadt Wien nicht international tätig sein darf. Aber wir sind jetzt bei der Kurden- und Kurdinnenfrage in der Türkei.

 

Schauen Sie, Herr Herzog, Sie sind in die Türkei gereist, haben sich Gerichtsverhandlungen angeschaut, Ihre Beobachtungen stelle ich nicht in Frage. Aber während Sie sich hier international mit der Türkei und Anträ

 

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