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Gemeinderat, 22. Sitzung vom 27.04.2012, Wörtliches Protokoll  -  Seite 34 von 90

 

herauskommt, bevor man sich da schon die entsprechenden Attribute selbst an das Revers knöpft.

 

Und ein bisschen - diesen Eindruck habe zumindest ich mitgenommen von der Veranstaltung, bei der ich dabei war - könnte man das Ergebnis vorwegnehmen: Wir fordern und mahnen die guten Manieren ein und stellen die guten Manieren außer Streit. Denn dass man sich vielleicht die Türen aufhält, dass man, wenn man irgendwo Platz nimmt und ein anderer zur Seite rücken soll, sagt, entschuldigen Sie, darf ich Platz nehmen?, und so weiter, ja, das kann man natürlich jetzt in einem Charta-Prozess sozusagen außer Streit stellen und einmal ins allgemeine Bewusstsein rücken. Das ist auch in Ordnung. Es ist zwar traurig, dass es notwendig ist ... (GR Dr Kurt Stürzenbecher: Sie sollten sie für sich selbst wieder entdecken, die guten Manieren!) Bitte? (GR Dr Kurt Stürzenbecher: Sie sollten für sich selbst die guten Manieren wieder einmal entdecken!)

 

Herr Kollege Stürzenbecher! Was habe ich jetzt Unmanierliches gesagt und getan? (GR Dr Kurt Stürzenbecher: Gestern in meiner Rede!) - Ich weiß nicht, was Sie mir ... - Ich meine, ich bin bei solchen Vorwürfen durchaus sensibel (GR Johann Herzog: Ich glaub, diese Einwürfe kann man vergessen!), denn Sie können meine politische Einstellung ablehnen, aber mir schlechte Manieren vorzuwerfen, das nehme ich persönlich und das lasse ich mir eigentlich auch nicht nachsagen. (Beifall bei der FPÖ.)

 

Ich darf dazusagen, ich bin jetzt doch einige Jahre hier, ich habe noch nicht einmal irgendwie an einem Ordnungsruf vorbeigeschrammt. - Also, Herr Kollege Stürzenbecher, wenn Sie glauben, dass ich keine guten Manieren habe, dann treten Sie den Beweis an und dann sagen Sie mir, was ich jetzt Schlechtes und Falsches und Unmanierliches gesagt habe! Und wenn Sie das nicht können, dann seien Sie bitte still und lassen Sie mich weiterreden. (Beifall bei der FPÖ.)

 

Also ich meine, das Anliegen ist durchaus in Ordnung, nur: Man darf nicht und sollte nicht das Ganze im Banalen, im Selbstverständlichen sozusagen versanden lassen.

 

Und eines muss man natürlich auch sagen - auch das habe ich aus dem Charta-Prozess irgendwo mitgenommen: es soll keine Forderungen an die Politik geben, sondern es soll sozusagen alles das geschehen, was man gemeinsam erarbeitet -: Im Endeffekt kann und darf sich die Politik vor gewissen Entscheidungen auch nicht herumdrücken. Letztendlich sind viele Dinge sozusagen auch politische Entscheidungen, die man letztendlich fällen muss!

 

Das ist auch bei dieser Veranstaltung, bei der ich teilnehmen durfte und teilgenommen habe, mehrfach gesagt worden, was die Frage des Essens in den öffentlichen Verkehrsmitteln betrifft: Im Endeffekt geht es darum, ob die Beförderungsbedingungen der Wiener Linien eine dahin gehende Bestimmung enthalten sollen oder nicht. Das heißt, wenn herauskommt, man will die anderen Fahrgäste, die da befördert werden wollen, nicht belästigen, indem man etwas isst, dann muss man das halt letztendlich in die Beförderungsbedingungen hineinnehmen, und wenn man es ernst meint, muss man es dann natürlich auch entsprechend umsetzen und exekutieren. Und irgendwann kommt der Tag der Entscheidung: Will man das oder will man das Ganze nicht?

 

Da kann man jetzt das Bewusstsein dafür schaffen, aber im Endeffekt glaube ich, dass die echten Probleme des Zusammenlebens auf einer ganz anderen Ebene sind als bei der Frage, ob man einen Leberkäs oder einen Kebap in den öffentlichen Verkehrsmitteln konsumieren soll oder nicht. Wobei man sicher sagen muss, im Endeffekt geht es auch um die Frage der Zivilcourage des Einzelnen, und die kann man im Endeffekt auch niemandem abnehmen. Denn man kann ja sagen, es tut mir leid, das stört mich. - Es ist ja dann meistens eh keiner da, der einem hilft.

 

Aber wenn ich mir jetzt Ihre Inserate anschaue - der Charta-Prozess hat gerade begonnen, aber es gibt schon die Inserate - und dann kommen so Dinge wie: „Ruhig bleiben", „Gelassen bleiben", „Miteinander kommunizieren" - also nicht böse sein: Da brauche ich kein Inserat zu schalten, denn solange die Leute ruhig sind, gelassen sind, miteinander kommunizieren, gibt es keine Konflikte. Und wenn sie nicht mehr gelassen sind, dann kommunizieren sie auch nicht miteinander und dann helfen Ihre Inserate und Ihre ganzen Arbeitsgruppen im Endeffekt auch nichts. (Beifall bei der FPÖ.)

 

Der Verdacht steht schon im Raum, dass es wiederum darum geht, einen Anlass zu haben, viel Geld in Bewegung zu setzen, Moderationen in Gang zu setzen, teilweise auch öffentliche Dienststellen, die Partner sind oder sein müssen, weil da sozusagen die Obrigkeit dazu herangezogen wurde. Es werden Inserate geschalten, so ähnlich wie in einem anderen Bereich, wie man sich am Fußballplatz benimmt: Das Ergebnis des Platzsturms bei Rapid-Austria vor einem Jahr war eine Inseratenkampagne: „Ruhig bleiben, gelassen bleiben!" - Also ich weiß wirklich nicht, ob ein Inserat oder ein Workshop wirklich die Antwort auf alle Probleme sein kann.

 

Im Endeffekt kommt mir das auch ein bisschen so vor, als ob man mehr oder weniger aus dem ganzen auch privaten Bereich einen einzigen Workshop machen soll. Also wenn man dann ins Schwimmbad geht, auf einmal steht ein Flipchart da, und man sitzt auf einmal in einem Arbeitskreis drinnen. Ich glaube, man soll bei allem Bemühen, möglichst viele Menschen in diesen Prozess einzubeziehen, doch auch die Freizeit und die Privatsphäre wahren. Das geht bis hin zu den Tupperwarepartys - das habe ich mir auch noch gemerkt. Das ist irgendwie sehr retro und gemahnt irgendwo an die 70er und 80er Jahre. Ich weiß nicht, ob dieses Phänomen heute noch existiert, aber es wurde gesagt, man soll auch im Rahmen einer Tupperware- und einer privaten Grillparty doch geschwind irgendwie ein paar Anregungen für den Charta-Prozess liefern. - Also ich weiß nicht, ob das wirklich so zielführend ist.

 

Im Endeffekt kommen Sie um die Frage nicht herum: Wenn man eine Hausordnung sozusagen einmahnt, dann muss man auch die Bereitschaft zeigen, die Hausordnung aufzustellen, klare Regelungen zu treffen - und nicht den Fall jeder Regelung letztendlich noch abfeiern.

 

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