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Gemeinderat, 22. Sitzung vom 27.04.2012, Wörtliches Protokoll  -  Seite 20 von 90

 

Vorsitzender GR Mag Dietbert Kowarik: Für weitere Wortmeldungen bringe ich in Erinnerung, dass sich die Damen und Herren des Gemeinderates nur ein Mal zu Wort melden dürfen und ihre Redezeit mit fünf Minuten begrenzt ist. Als nächster Redner hat sich Herr GR Ellensohn gemeldet. Ich erteile ihm das Wort.

 

10.45.50

GR David Ellensohn (Grüner Klub im Rathaus)|: Herr Vorsitzender! Meine Damen und Herren!

 

Karl Lueger war ein grober Antisemit. Den Satz in dieser Deutlichkeit stehen zu lassen, wäre auch von der ÖVP nicht zu viel verlangt. Aber das wird anschließend relativiert, es wird Antisemitismus hier und dort aufgerechnet und gleichzeitig nicht gesagt, dass auch Sie deswegen der Meinung sind, dass der Ring umbenannt werden soll. – Das ist schwere Kost, und es ist schwer zu akzeptieren, wie Sie das alles aufzählen.

 

Außerdem wundere ich mich, dass die Wiener ÖVP in dieser Frage ausgerechnet GR Ulm herausschickt. Herrn Aigner können Sie nicht mehr herausschicken, weil er schon gewechselt hat! Aber im vollen Ernst: Ich verstehe das tatsächlich nicht, und ich glaube auch nicht, dass alle dahinterstehen. Das glaube ich nicht!

 

Das tut mir auch aus einem Grund leid. Ich nenne jetzt ein Beispiel aus Klagenfurt, auch wenn man natürlich sagen könnte, ausgerechnet Klagenfurt! – Es ging um die Umbenennung von Straßen, weil es bei diesen einen Bezug zum Nationalsozialismus gegeben hat. Es ging um vier Straßen, und die Parteien haben sich zusammengesetzt und gesagt, reden wir vernünftig darüber. Das würde ich mir in Wien auch wünschen! Das ist das, was ich dann „die demokratische Mehrheit“ nenne. (GR Dkfm Dr Fritz Aichinger: Wir waren nicht eingeladen! Das war eine Überraschung!) Sie waren schon sehr lange eingeladen, denn diese Diskussion läuft im Haus seit 1992! Das muss man ja nicht täglich wiederholen! Sie sind also zu der Diskussion schon sehr lange eingeladen, und Sie hätten auch schon lange eine andere Position dazu haben können! (Zwischenruf von GR Dkfm Dr Fritz Aichinger.)

 

In Klagenfurt hatten SPÖ, GRÜNE und die Österreichische Volkspartei – natürlich waren die anderen dagegen! – überhaupt kein Problem, vier Straßen umzubenennen. Das war 2008, und es gab einen Nazi-Bezug. Ich zähle jetzt die Straßen gar nicht einzeln auf. Das geht! In Klagenfurt ist das möglich, in Wien jedoch nicht! In Wien gehen ÖVP und FPÖ nicht nur in dieser Frage in einem Gleichschritt, der natürlich die ÖVP im Wesentlichen überflüssig macht. Das passt zu denen ja. Sie machen sich damit aber selbst überflüssig, weil sie sich in den gesellschaftspolitischen Fragen in einem Ausmaß anhängen, dass ich den Unterschied nicht mehr erkenne. (StR Mag Manfred Juraczka: Sie erkennen vieles nicht!) Ich meine, das ist für die Österreichische Volkspartei in Wien tatsächlich ein ganz schlechtes Zeugnis! (Beifall bei GRÜNEN und SPÖ.)

 

Zur Diskussion im Haus: Die GRÜNEN sind kaum eingezogen, und es war schon der erste Antrag auf Umbenennung da. Der Name sollte damals Sigmund-Freud-Ring und nicht Universitätsring sein – nach Sigmund Freud ist allerdings schon ein Park daneben benannt –, aber die Diskussion war ähnlich wie die jetzige. Das war 1992. In der Folge hat das Liberale Forum bei seinem Kurzauftritt in diesem Haus das zwischendurch hochgebracht. Die Generation der GRÜNEN, der ich angehöre, hat das über Marie Ringler wieder thematisiert. Die Diskussion hat immer wieder stattgefunden, und die ÖVP war auch immer eingeladen, einen anderen Beitrag zu bringen als denjenigen, den Sie heute bringen.

 

Ich persönlich kann zusammenfassend nur sagen: Das ist ein Beispiel mehr, warum es gut ist, dass wenigstens in einem Bundesland die Österreichische Volkspartei nichts zu sagen hat. Es gibt nur ein Bundesland vom Bodensee bis daher, in dem sie nicht regieren. Wenn die ÖVP ein Familientreffen hat, dann stellt sich heraus: Im Bund regieren Sie, und Sie regieren, angefangen von Vorarlberg, in jedem Bundesland, nur in Wien nicht. Und das ist gut so!

 

Wenn ich das jetzt zusammenrechne, dann kommt ungefähr Folgendes heraus: Stellen wir uns vor, wir hätten das, was wir im Bund haben, nämlich diese unsägliche Streiterei zwischen Rot und Schwarz, auch hier in Wien: Dann würden wir mit einer 515-EUR-Jahreskarte am Karl-Lueger-Ring vorbeifahren. Jetzt sind aber die GRÜNEN auch dabei, und jetzt macht Rot-Grün etwas anderes. Die SPÖ tut sich jetzt natürlich auch leichter, mit uns zusammenzuarbeiten als mit der ÖVP ... (StR Mag Manfred Juraczka: Ist das Ihre größte Errungenschaft? Ist das Ihre Bilanz nach eineinhalb Jahren? Schämen Sie sich! Shame on you!)

 

Mit uns fährt man um 365 EUR am Universitätsring vorbei. Das ist der Unterschied! (Beifall bei GRÜNEN und SPÖ.)

 

Sie hängen Ihren alten Säulenheiligen nach und sind nicht imstande, sich daraus zu lösen. – Nur so in einem Nebensatz sagen Sie, ein bisschen ein Antisemit war Lueger schon! Aber dann geht es wieder weiter. (StR Mag Manfred Juraczka: Was sind Ihre Leistungen? Was ist die Bilanz nach eineinhalb Jahren Rot-Grün?)

 

Es ist schwierig, all das in fünf Minuten aufzuzählen! Aber ich tue das gern. Ich komme auch in den ÖVP-Klub und bringe nicht nur die kleine Broschüre mit, sondern alles ganz detailliert. Überhaupt kein Problem! Das biete ich auf jeden Fall an.

 

Was ich aber noch anbieten möchte: Finden Sie doch bitte einen Weg aus dieser Umklammerung von der FPÖ, denn ich habe tatsächlich Interesse daran, dass wir in Wien einen demokratischen Konsens zwischen SPÖ, GRÜNEN und Volkspartei zumindest wie in der Klagenfurter Gemeindestube schaffen. Lösen Sie sich von der FPÖ! – Vielen Dank. (Beifall bei GRÜNEN und SPÖ. – StR Mag Manfred Juraczka: Lösen Sie die Probleme der Gegenwart und Zukunft!)

 

Vorsitzender GR Mag Dietbert Kowarik: Als Nächster hat sich Herr GR Mag Gudenus zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihm.

 

10.51.04

GR Mag Johann Gudenus, MAIS (Klub der Wiener Freiheitlichen)|: Sehr geehrte Damen und Herren! Werte Kolleginnen und Kollegen!

 

Mein Vorredner hat gesagt: „Karl Lueger war ein grober Antisemit.“ – Ich frage mich, wenn wir von grobem

 

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