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Gemeinderat, 22. Sitzung vom 27.04.2012, Wörtliches Protokoll  -  Seite 17 von 90

 

mission noch gar nicht! Diese liegen nicht vor. Das scheint ein Geheimwissen zu sein. Daher frage ich Sie: Können Sie uns ein bisschen etwas darüber sagen, welche anderen kritischen Straßennamen oder Plätze im Rahmen dieser Forschungsarbeiten im Allgemeinen bereits gesichtet wurden?

 

Im Speziellen würde mich Folgendes interessieren: Franz Schuhmeier war ein Zeitgenosse Luegers. Er war sozusagen der rote Lueger, er war ebenfalls ein Demagoge und hatte mit Lueger heftige Rededuelle. Es gibt von Schuhmeier genau so viele Zitate, und ich nenne jetzt nur eines. – Er hat einmal gesagt: „Man müsste die Juden rücksichtslos aus der Sozialistischen Partei ausschließen, da sie die Absicht haben, sie zu einer Judenschutztruppe zu machen.“ – Wissen Sie im Speziellen, ob man sich überlegt, den nach Franz Schuhmeier benannten Platz umzubenennen?

 

Vorsitzender GR Godwin Schuster: Bitte, Herr Stadtrat.

 

Amtsf StR Dr Andreas Mailath-Pokorny: Sehr geehrter Herr Gemeinderat!

 

Ich weise zurück, wenn Sie mir unterstellen, dass ich gesagt hätte, ein bisschen Antisemitismus geht schon. Das habe ich weder gesagt noch meine ich das! Ich habe vielmehr versucht, die Unterschiede zwischen den historischen Persönlichkeiten darzustellen. Darüber kann man natürlich eine lange, sehr intensive Debatte führen. Ich weiß aber nicht, ob der Gemeinderat dafür der richtige Ort ist, und zwar nicht, weil ich ihn minderschätze, aber weil er ja ein politisches und kein historisches Gremium ist.

 

Noch einmal: Die Unterscheidung läuft wesentlich auch hinsichtlich der Linien, welche Wirkungsmacht jemand tatsächlich in der gesellschaftlichen und politischen Auswirkung hatte, und diese ist bei Lueger mit Sicherheit sehr stark gegeben.

 

Es wurde jetzt wieder unterstellt, dass wir irgendwas im Geheimen tun. – Die Historikerkommission hat kein – unter Anführungszeichen – Geheimwissen, sondern sie arbeitet jetzt einmal. Ich habe in diese Arbeit auch noch keinen Einblick, weil ich gewohnt bin, Experten, die ich einlade, etwas auszuarbeiten, nicht jeden Tag anzurufen und zu fragen, was bei ihrer Arbeit herauskommt. Die Kommission arbeitet und wird zu einem Ergebnis kommen, und dieses wird man sich dann anschauen.

 

Ich verweise diesbezüglich im Übrigen auf sehr erfolgreiche Arbeiten anderer Expertenkommissionen zum Beispiel in Bezug auf Ehrengräber und Ehrentitel aus den Jahren 1938 bis 1945 und die Ehrengräber 1934 bis1938. Auch diesbezüglich waren ja entsprechende Experten zugange, die letztlich mit, wie ich glaube, durchaus – nicht im negativen, sondern im positiven Sinn – diskussionswürdigen Ergebnisse herausgekommen sind.

 

Man wird jetzt also einmal die Ergebnisse dieser Kommission abwarten, und dann wird man sich anschauen, wie man mit den einzelnen Verkehrsflächenbenennungen umgeht. Auch in diesem Zusammenhang verweise ich auf das, was ich heute schon eingangs gesagt habe: Es wird mit Sicherheit auch unterschiedliche Herangehensweisen geben. Ich bin nämlich, wie ich auch schon betont habe, nicht grundsätzlich dafür, dass man Straßen umbenennt. Aber wir alle wissen über einige Problemfälle, die ich auch in der Öffentlichkeit immer wieder nenne, etwa die Arnezhoferstraße. Man darf dabei aber auch nicht vergessen, dass ein ganzer Bezirk und ein Hausberg der Wiener nach jemandem benannt sind, der die ersten Judenpogrome in dieser Stadt zu verantworten hatte.

 

Ich meine also, dass schon allein eine durchaus ambitionierte und vielleicht auch polarisierende Diskussion dazu führt, dass sich die Öffentlichkeit dessen bewusst wird, wie unterschiedlich die Geschichte der Stadt war und dass die Persönlichkeiten, auf die man sich immer wieder beruft, natürlich auch sehr ambivalente waren.

 

Die Antwort auf Ihre Frage lautet: Nein. Das ist keine Geheimwissenschaft! Ja. Wir werden das durchaus auch öffentlich diskutieren. Es geht mir nicht um eine parteipolitische Herangehensweise an die Sache, sondern man wird das durchaus auch öffentlich diskutieren und mit einzelnen Benennungen auch unterschiedlich umzugehen haben.

 

Vorsitzender GR Mag Dietbert Kowarik: Wir hatten jetzt einen Vorsitzwechsel. - Die nächste Zusatzfrage kommt von Herrn GR Ellensohn.

 

10.30.00

GR David Ellensohn (Grüner Klub im Rathaus): Herr Stadtrat!

 

Bei dieser Fragestellung ist der Bogen etwas erweitert worden, weg von Lueger. Herr Aigner hat die Frage so formuliert: Werden Sie in der Debatte um Straßen- und sonstige Bezeichnungen dieselben politischen Maßstäbe auch bei anderen Einrichtungen anwenden? Und Herr Neuhuber hat einen neuen Namen ins Spiel gebracht.

 

Ich bringe jetzt auch noch einen Namen ins Spiel, und ich weiß, dass die Österreichische Volkspartei damit auch keine Freude hat. Sie haben jetzt aber selbst die Ehrengräber angesprochen: Es gibt ein Dollfuß-Grab im 13. Bezirk, und dieses ist sehr schön geschmückt, wie man sieht, wenn man sich einmal die Mühe macht, sich das anzusehen. – Bei der Aberkennung der Ehre des Grabes von NS-Flieger Nowotny haben die FPÖ und andere einen entsprechenden Weg gefunden, nämlich selber Geld zu sammeln und den Schmuck des Grabes jetzt mit ihrem eigenen Geld zu bezahlen, und die Stadt Wien muss nichts mehr beisteuern.

 

Meine Frage: Wie soll man denn mit dem Dollfuß-Grab im 13. Bezirk, das auch hin und wieder für etwas Unruhe sorgt, was zumindest in der Kulturkommission der Bezirksvertretung des 13. bereits besprochen wurde, umgehen?

 

Vorsitzender GR Godwin Schuster: Bitte, Herr Stadtrat.

 

Amtsf StR Dr Andreas Mailath-Pokorny: Sehr geehrter Klobobmann!

 

Ich habe die Kommission bereits angesprochen, die es sich auch zur Aufgabe gemacht hat, sich die Gräber zwischen 1934 und 1938 anzusehen. Es liegt bereits ein sehr umfangreiches Konvolut vor, das das Ergebnis beziehungsweise den Bericht beinhaltet. Ich gestehe,

 

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