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Gemeinderat, 22. Sitzung vom 27.04.2012, Wörtliches Protokoll  -  Seite 7 von 90

 

ich mich tatsächlich, was Ihre Prioritäten sind!

 

So, aber jetzt noch einmal zu den einzelnen Persönlichkeiten: Wissen Sie, Frau Gemeinderätin, wenn Sie jetzt hergehen und sagen, auch der Kreisky, und das ist eh alles eins und so weiter - wissen Sie, was der wesentliche Unterschied ist? Hitler hat sich auf den Lueger berufen, und Kreisky musste vor Hitler fliehen! (GRin Uta Meyer: Und der Renner auch?) Das ist also doch ein ganz wesentlicher Unterschied, den Sie vielleicht nicht kennen, der Ihnen auch wurscht ist. Aber ich sage Ihnen, der Unterschied ist: Kreisky war ein Verfolgter des Hitler-Regimes, und auf den Lueger hat sich der Adolf Hitler als einen der größten deutschen Bürgermeister berufen! Das ist der Unterschied, den Sie halt nicht sehen. (Beifall bei SPÖ und GRÜNEN.)

 

Vorsitzender GR Godwin Schuster: Die 4. Zusatzfrage wird von GRin Novak gestellt. - Bitte.

 

9.27.42

GRin Barbara Novak (Sozialdemokratische Fraktion des Wiener Landtages und Gemeinderates): Sehr geehrter Herr Stadtrat!

 

Auch mich hat ein bisschen die Heftigkeit dieser Debatte überrascht, wenn auch die Qualität der Debatte beweist, wie notwendig sie war und offensichtlich auch in vielen anderen Fragen und anderen Persönlichkeiten es notwendig wäre, einen intensiven historischen und differenzierten Blick zu wagen.

 

Meine Frage ist, eben nachdem es sehr viele Persönlichkeiten und auch historisch differenzierte Betrachtungen geben sollte: Welche anderen Formen der historischen Betrachtung beziehungsweise der Auseinandersetzung mit solchen wichtigen Themen gibt es in dieser Stadt und führen Sie auch?

 

Vorsitzender GR Godwin Schuster: Bitte, Herr Stadtrat.

 

Amtsf StR Dr Andreas Mailath-Pokorny: Sehr geehrte Frau Gemeinderätin!

 

Ich habe schon darauf hingewiesen - aber das wollen ja die Kollegen offensichtlich auch nicht hören -, dass es keineswegs um irgendwelche parteipolitischen Zuordnungen geht. (Ah!-Rufe bei FPÖ und ÖVP.) Also auch die Zusatztafel, die es bei dieser Stalin-Gedenktafel geben soll (GR Mag Wolfgang Jung: Soll!), ist ja ein Hinweis dafür, dass wir versuchen, uns tatsächlich den unterschiedlichen Persönlichkeiten, den unterschiedlichen Zeiträumen der Geschichte der Stadt zu stellen.

 

Ich glaube, dass die Stadt in den letzten Jahren und wahrscheinlich zwei Jahrzehnten tatsächlich sehr, sehr anders und sehr verantwortungsbewusst mit ihrer Geschichte und mit der Darstellung der Geschichte im öffentlichen Raum umgegangen ist. Sie erinnern sich an die großen Debatten über die großen Mahnmäler: am Albertinaplatz das Mahnmal gegen Krieg und Faschismus, das Mahnmal am Judenplatz zur Erinnerung an die Opfer der Schoah von Rachel Whiteread.

 

Es gibt aber noch viele andere Erinnerungsorte, die auch sehr unterschiedlich sind. Beispielsweise das Kunstwerk von Lawrence Weiner am Flakturm im 6. Wiener Gemeindebezirk, das ja auch gewissermaßen ein Aufschrei gegen Krieg, gegen Faschismus, für die Opfer des Krieges ist.

 

Es gibt berührende Denkmäler in den verschiedenen Teilen der Stadt, beispielsweise im 15. Bezirk das Mahnmal in der Herklotzgasse, eine wirklich berührende Kunstinstallation zur Erinnerung an die zerstörte Synagoge in der Thurnhergasse. Also eine ganze Reihe von Denkmälern, die auch auf sehr unterschiedliche Weise auf sehr unterschiedliche Initiativen zurückzuführen sind und wo mittlerweile die Stadt, möchte ich sagen, eigentlich ein anderes Gesamtbild in der Öffentlichkeit abgibt. Ich kenne nicht wenige auch emigrierte Wienerinnen und Wiener, auch sonstige Gäste, die zu uns kommen, denen man mit dem Bewusstsein, dass diese Stadt anders an ihre Geschichte herangeht, all diese Erinnerungsstücke und Erinnerungsorte auch zeigen kann.

 

Aber man sollte ja bei einer Gesamtsicht nicht vergessen, dass wir auch zum Beispiel durch die Bewahrung und Erhaltung des kulturellen Erbes Wesentliches dazu beitragen, die Geschichte der Stadt zu erhalten. Wenn ich an die sehr darstellbare Geschichte der jüngeren Restitution denke, an die eigentlich erfolgreiche Geschichte der Kunstrestitution, in der die Stadt wirklich vorbildhaft gewesen ist - aber auch an die Tatsache, dass wir als Erstes nicht nur Kunstgegenstände restituiert haben, sondern sie restituiert und gekauft haben! Um auch da zu dokumentieren, es geht nicht nur ums Zurückgeben - was offensichtlich Jahrzehnte schwierig genug war -, sondern es geht darum, dass man sagt, wenn man etwas widerrechtlich über viele Jahrzehnte besessen hat, was Eigentum von jüdischen Familien war, es aber für die Kulturgeschichte der Stadt wichtig ist, dann kaufen wir es. Dann nehmen wir zum ersten Mal Geld in die Hand und kaufen es den rechtmäßigen Eigentümern ab.

 

Die vielen, vielen Aktivitäten, die manchmal auch nicht im Bewusstsein der Menschen sind: Wenn ich daran denke, dass Wien beispielsweise bei der Wehrmachtsausstellung 2002 die einzige Stadt war, die öffentlich diese Ausstellung gefördert hat, in der es darum gegangen ist, auch ein differenziertes Bild der Wehrmacht darzustellen, wenn ich an die Deserteursausstellung vor zwei Jahren denke, wenn ich daran denke, dass wir zum Beispiel die Dauerausstellung am Spiegelgrund gemacht haben und vieles, vieles andere mehr, dann soll auch das zeigen, dass wir auf sehr unterschiedliche Weise bewusst mit der Vergangenheit und mit der Geschichte der Stadt umgehen.

 

Vorsitzender GR Godwin Schuster: Danke. - Die letzte Zusatzfrage zur 1. Anfrage wird von GR Dr Ulm gestellt. - Bitte.

 

9.32.55

GR Dr Wolfgang Ulm (ÖVP-Klub der Bundeshauptstadt Wien): Herr Stadtrat!

 

Für mich ist der Vorwurf, dass Sie mit dieser Umbenennung ideologisch und parteipolitisch vorgehen, nicht entkräftet. Aber was ich nun neu in diese Fragestunde einbringen möchte, das ist, dass ich mich schon frage: Warum die Unbenennung jetzt, zu diesem Zeitpunkt? Was veranlasst Sie eigentlich dazu?

 

Denn die SPÖ hat in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten eine Unbenennung des Dr-Karl-Lueger-Rings immer abgelehnt. Es ist erst ganz wenige Jahre

 

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