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Gemeinderat, 22. Sitzung vom 27.04.2012, Wörtliches Protokoll  -  Seite 4 von 90

 

strebt deshalb nach einer neuen Adresse - zum 650. Jahr ihres Bestehens, nota bene -, weil man im Ausland immer wieder Unverständnis gegenüber dieser Adresse entgegenbrachte und die immanenten Ziele der Alma Mater Viennensis, nämlich Aufklärung, Humanismus sowie wissenschaftliche Bildung, in Widerspruch mit dem Namensgeber ihrer Hauptadresse stehen.

 

Es geht hier um eine Justierung in der Wahrnehmung Luegers im Stadtbild von Wien und nicht um Bilderstürmerei, die in der Geschichte noch nie besonders hilfreich war.

 

Meine Damen und Herren! Dass sich die Stadt Wien hier auf dem richtigen Weg im Umgang mit ihrer Vergangenheit befindet, belegen eindrucksvoll jene Stimmen aus dem In- und Ausland, die sich in den letzten Tagen öffentlich zu Wort gemeldet haben. Ich zitiere an dieser Stelle abschließend nur einige jener Personen, die in ihrer moralischen Integrität wohl schwer in Zweifel gezogen werden können.

 

Eric Kandel, Nobelpreisträger, Neurowissenschaftler von Weltgeltung in den USA, aus Wien vertrieben 1938, sagt - Zitat: „Seit einigen Jahren setzen sich viele Persönlichkeiten, auch ich mich, für die Umbenennung des Dr-Karl-Lueger-Ringes ein, und ich freue mich sehr, dass sich dieses Engagement gelohnt hat. Denn eine Forschungs- und Wissenschaftseinrichtung von internationalem Ruf, wie die Universität Wien eine ist, sollte nicht nach einem Menschen benannt sein, der Vorurteile für politische Zwecke missbrauchte. Ich bin daher sehr froh über die richtige Entscheidung der Stadt, den Lueger-Ring in Universitätsring umzubenennen." - So Eric Kandel.

 

Carl Djerassi, Erfinder der Antibabypille, schrieb: „Nach vielen Jahrzehnten im Ausland verbringe ich in den letzten Jahren wieder mehr Zeit in meiner Heimatstadt Wien, und das gerne, obwohl ich mich hier an vieles mit Wehmut und zwiespältig erinnere. Dass ein so prominentes Straßenstück wie der Ring zwischen Rathaus und Universität nun nicht mehr nach Karl Lueger benannt ist, sondern nach der bald 650 Jahre alten Alma Mater Viennensis, freut mich als Wissenschaftler sehr."

 

Eric Pleskow, einer der größten Filmproduzenten des 20. Jahrhunderts, meinte: „Straßenbenennungen sind symbolhaft für den moralischen Zustand einer Gesellschaft. In diesem Sinne begrüße ich die Umbenennung des Lueger-Rings in Universitätsring und beglückwünsche die Stadt zu diesem bewussten Akt im Umgang mit ihrer Geschichte. Es war ja schon höchste Zeit! Wien ist zum Glück wirklich anders."

 

Und schließlich die Schriftstellerin Ruth Klüger: „Die internationale akademische Welt wird sicher mit Beifall reagieren, wenn die renommierte und traditionsreiche Universität Wien nicht mehr an einer Adresse zu finden ist, die den Namen eines umstrittenen österreichischen Politikers trägt."

 

Meine Damen und Herren! Dieser Zuspruch bestärkt uns darin, dass diese Umbenennung der richtige Schritt ist.

 

Betreffend alle anderen in den letzten Tagen und Wochen auftauchenden Wünsche, Forderungen, Vorschläge nach Umbenennung verweise ich nochmals auf meine eingangs geäußerte Position und verweise außerdem darauf, dass derzeit eine von mir eingesetzte Kommission von Experten sämtliche personenbezogenen Verkehrsflächenbenennungen untersucht. Sollte sich dabei herausstellen, dass es Fälle gibt, die nicht mit dem geltenden Recht und den Grundsätzen unserer demokratischen Republik in Einklang stehen, so werden selbstverständlich auch diese Namen neu zu bewerten sein.

 

Vorsitzender GR Godwin Schuster: Ich danke. - Die 1. Zusatzfrage wird von GR Dr Ulm gestellt. - Bitte.

 

9.11.07

GR Dr Wolfgang Ulm (ÖVP-Klub der Bundeshauptstadt Wien): Sehr geehrter Herr Stadtrat!

 

Ich frage mich nur, wenn es so eine Neubewertung auf Grund der Historikerkommission geben soll, warum Sie jetzt einen herauspicken, nämlich den Lueger, und sich mit der Umbenennung anderer noch Zeit lassen wollen.

 

Aber lassen Sie mich den Vorwurf an Sie formulieren, um den es mir wirklich geht, nämlich dass Sie eben mit verschiedenen Maßstäben messen! Für Sie sind linke Politiker und Persönlichkeiten sakrosankt, und bei den anderen messen Sie mit ganz anderem Maß.

 

Natürlich ist der Antisemitismus von Lueger scharf zu verurteilen, nur: Diesen Antisemitismus finden wir auch bei Sozialdemokraten und bei Sozialisten aus dieser Zeit! Es gibt noch immer einen Franz-Schuhmeier-Platz, einen Julius-Tandler-Platz. Karl Marx hat die theoretische Grundlage (GR Dr Kurt Stürzenbecher: Aber geh! Das glaubst ja selber nicht!) für die verbrecherische Diktatur des Kommunismus geschaffen. Karl Renner hat noch 1938 - da gab es den Nationalsozialismus bereits sehr real - zum Anschluss Österreichs an Nazi-Deutschland aufgerufen. (GR Dr Kurt Stürzenbecher: Innitzer!) Und noch im Jahr 2008 haben Sie einem Ernesto Che Guevara ein Denkmal im Donaupark gesetzt, der eine furchtbare Diktatur aufgebaut hat (GR Dr Kurt Stürzenbecher: Schönes Denkmal! Tolles Denkmal!) und Idol des linken Terrorismus ist.

 

Ich frage Sie: Warum gehen Sie nicht sachlicher, verantwortungsvoller und nachvollziehbarer mit der Benennung von Straßen und Plätzen im öffentlichen Raum um?

 

Vorsitzender GR Godwin Schuster: Bitte, Herr Stadtrat.

 

Amtsf StR Dr Andreas Mailath-Pokorny: Na ja, sehr geehrter Herr Gemeinderat, jetzt können wir natürlich eine lange historische Debatte über die einzelnen Persönlichkeiten abhalten. (GR Mag Wolfgang Jung: Das werden wir!) Sicher werden wir das.

 

Ich sage Ihnen nur schon jetzt, die Geschichte mit dem Karl-Lueger-Ring ist - wie ich darzustellen versucht habe - einerseits ein seit Langem geäußerter Wunsch der Universität Wien. Und den Karl Lueger unterscheidet zweierlei grundlegend von all den anderen von Ihnen genannten Persönlichkeiten. Erstens hat die Stadt wahrlich keinen Mangel an Gedächtnisorten und Memorabilia für, um und nach Karl Lueger. Ich habe darzustellen versucht, dass es mehr als ein Dutzend sehr prominenter Orte gibt: Gedächtnisorte, sogar eine Eiche, es gibt eine

 

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