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Gemeinderat, 15. Sitzung vom 22.11.2011, Wörtliches Protokoll  -  Seite 95 von 110

 

Unterschiede zwischen den zwei Oppositionsparteien. Die eine Opposition bringt nachvollziehbare Argumente ein, mit denen man sich auseinandersetzen kann; und, Sie werden sich wundern, das ist nicht die ÖVP, sondern das ist die FPÖ und im Speziellen Kollege Ebinger. Ich bin der Nächste, der den Kollegen Ebinger positiv hervorstreicht. Wir sind vielleicht in vielerlei Hinsicht nicht derselben Meinung, aber es findet im Gegensatz zur ÖVP ein Austausch statt. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

 

Und die ÖVP … Kollege Ernst Woller hat sich in der letzten Legislaturperiode oft den ÖVP-Kulturexperten, Kultur-Gemeinderat Salcher zurückgewünscht; weil in der ÖVP schon damals, in der letzten Legislaturperiode, so wenig kulturpolitisches Verständnis da war. Und ich frage, was ist jetzt? Ich behaupte, es ist überhaupt kein kulturpolitisches Verständnis mehr da. Es ist absolute Wüste, kein Interesse an Kultur, Kunst und Wissenschaft. Es ist keine ideologische Auseinandersetzung zu spüren. Man merkt das auch jetzt an der Nichtanwesenheit vieler ÖVP-Gemeinderäte. (Zwischenruf von StR Mag Manfred Juraczka.)

 

Ihnen ist Kultur vollkommen wurscht. Ihr einziges parteipolitisches Interesse im Bereich Kultur ist anscheinend, genügend Geld für das Stadtfest zu lukrieren – nicht einmal das haben Sie geschafft –, und aus. Das ist eben diese kulturpolitische Wüste, auch das muss dargestellt werden. Deswegen muss ich Folgendes feststellen – und ich hätte mir nie gedacht, dass ich diesen Satz je aussprechen würde –: Die FPÖ ist durch Herrn Ebinger heute in kulturpolitischen Fragen relevanter als die ÖVP. (Beifall von GR Mag Wolfgang Jung.)

 

Ebinger schafft es immerhin, einen japanischen Kampfhund in der Kulturdebatte zu platzieren – dazu gehört schon ein bisschen was. Dass die FPÖ heute in kulturpolitischen Fragen relevanter und interessanter ist als die ÖVP, ist eigentlich eine sehr traurige Angelegenheit für eine ehemalige Kulturstadtratsfraktion wie die ÖVP.

 

Somit kann man nur zu einem Schluss kommen: Angesichts der katastrophalen Leere bei der Opposition und – du entschuldigst, Herr Kollege Ebinger, eine Schwalbe macht noch keinen Sommer (GR Heinz Hufnagl: Eine Blaumeise, heißt das!) – angesichts dieser Lehre, dieser Ideen- und Ideologielosigkeit und auch angesichts dieser Verantwortungslosigkeit ist Rot-Grün nicht nur notwendig, sondern für das Kultur- und Geistesleben dieser Stadt überlebenswichtig.

 

Ja, meine Damen und Herren, Rot-Grün ist gut für Wien. Sie sehen es auf der Straße und es ist tatsächlich wahr. Rot-Grün steht nämlich für Dynamik, Fortschritt und etwas, das ich Lebensnähe nenne. Nehmen Sie etwa den Bereich Kino und Film her. Der Wiener Kinostandort wurde vor wenigen Jahren buchstäblich vor dem Tod gerettet. In anderen Städten wurden Stadt- und Programmkinos reihenweise zugesperrt, privatisiert, in Garagen oder Einkaufshäuser verwandelt; und in Wien stehen sie immer noch, und das ist ja nicht selbstverständlich.

 

Liebe angebliche Wirtschaftspartei ÖVP! Der freie Markt, dem Sie so anhängen, hätte unsere Wiener Kinos längst aufgefressen. Er hätte sie mit seiner unsichtbaren Hand zerquetscht und entwürdigt. Durch die öffentliche Hand konnten unsere Kinos jedoch gerettet werden, und diese rettende öffentliche Hand war geleitet von einer sozialdemokratischen Idee.

 

Und was macht Rot-Grün heute? Kollege Klaus Werner-Lobo hat es schon angesprochen: Wir ruhen uns nicht aus auf dem Erreichten, wir müssen weitermachen, auch im Interesse von hunderttausenden filmbegeisterten Wienerinnen und Wienern, die alle gemeinsam eines lieben: gute, anspruchsvolle, geistvolle Filme, die nicht den kurzfristigen Erfolg am Markt im Fokus haben, sondern ihren Beitrag zum humanistischen Fortschritt leisten wollen, jeder Film auf seine ganz eigene Art und Weise.

 

Die Digitalisierung macht auch vor unseren Kinos nicht halt. Klaus hat schon angesprochen, dass wir die Digitalisierung und somit den Fortbestand der Wiener Kinotradition über eine Ausschüttung von 150 000 EUR bewerkstelligen. Ich finde, das sind einige gute Argumente dafür, dass Sie dem Kulturbudget zustimmen könnten. Vorher habe ich kein einziges gehört, warum Sie das nicht wollen. Kollege Ebinger hat wenigstens gesagt, für ihn geht ein bisschen zu wenig weiter. Bei Ihnen habe ich absolut nichts mitbekommen, kein einziges Argument, dabei habe ich genau aufgepasst.

 

Ein Beispiel noch aus dem Filmbereich – ein ganz kleines, aber ein sehr wichtiges: In Tschechien, vor allem in Prag, ist in den letzten Jahren eine sehr interessante Jugendbewegung entstanden, die sich „Jeden svět“ nennt, das heißt „die eine Welt“. Sie ist jetzt zu uns herübergeschwappt, bei uns heißt sie „One World Filmclubs“. Junge Menschen organisieren sich selbstständig, schauen sich Dokus an, bilden sich dabei und reden über die Inhalte.

 

Das klingt vielleicht noch nicht sehr spektakulär, ist aber angesichts unseres Bildungssystems von zentraler Bedeutung. Angesichts eines Bildungssystems, welches zu früh und sehr brutal selektiert und fast ausschließlich nach den Interessen einer ÖVP-dominierten Lehrergewerkschaft funktioniert; angesichts eines Bildungssystems, das uns garantiert die Letztplatzierungen in sämtlichen internationalen Bildungs-Rankings beschert; angesichts eines Bildungssystems, welches den Fokus im überwiegenden Großteil darauf legt, brave, unkritische und fleißige Produktions- und Konsumptionseinheiten für den kapitalistischen Kreislauf zur Verfügung zu stellen; angesichts eines Bildungssystems, das so sehr entmenschlicht ist, dass einem schlecht wird; und angesichts eines Bildungssystems, das Generationen von jungen Menschen Chancen auf Aufstieg und ein selbstbewusstes und selbstbestimmtes Leben nimmt, nur damit die eigene Klientel, wieder aus Sicht der ÖVP gesehen, hinter der sich die FPÖ in Bildungsfragen ja versteckt, nicht mit dem sozialen Mittelmaß oder gar der sozialen Unterschicht in Berührung kommen muss – also angesichts eines solch beschämenden Bildungssystems bin ich sehr dankbar für Initiativen wie „One World

 

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