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Gemeinderat, 14. Sitzung vom 21.10.2011, Wörtliches Protokoll  -  Seite 25 von 51

 

das, was passiert ist und was jede Einzelne und jeder Einzelne von uns natürlich schärfstens kritisiert, durchaus Ausfluss eines Systems ist, wie ja auch Aufdecker wie Abg Karlsson oder damit Befasste wie Herr Präsident Jesionek gesagt haben, der zum Beispiel von einer Dimension spricht, die ihn selbst erschreckt hat, obwohl ich denke, dass man als Opferanwalt ja tagtäglich mit sehr grausamen Dingen befasst ist. Oder es wurde von einer Mauer durch Beamte gesprochen, die eben keine Kritik zugelassen haben.

 

Und das ist ja das Wesentliche, dass eine Beschwerdekultur in einem dichten, verflochtenen System aus Verwaltung, aus Politik nicht stattfinden kann. Daher ist es natürlich wichtig, hier auch das System zu beleuchten im Falle Wien. Wien ist ja nicht der einzige Fall, war aber eben auch ein System SPÖ.

 

Ich möchte an dieser Stelle aber nicht verabsäumen, eine Lanze für die vielen Erzieherinnen und Erzieher, Pädagoginnen und Pädagogen zu brechen, die oft unter sehr widrigen Umständen arbeiten, denn die Kinder, die in die Hände dieser Erziehungseinrichtungen gelangen, haben ja eine schwierige Biographie und sind dann miteinander noch um ein Vielfaches schwieriger. Es ist Thema in Wien, das ist ganz klar. Es gibt ja auch viele Menschen, die eine Zeit ihres Lebens in einer entsprechenden Einrichtung verbringen mussten. Mir hat eine noch relativ junge Frau, die zwei Jahre im Charlotte-Bühler-Heim war, gesagt, sie denkt mit Dankbarkeit an diese Zeit zurück. Und das möchte ich hier auch sagen, weil es nicht überall so war.

 

Aber leider kenne ich auf der anderen Seite auch ehemalige Knaben, heute Männer, die schon in die Jahre gekommen sind, die auf der Hohen Warte waren, wo eben das Essen von Erbrochenem, das eingewickelt Sein in nasse Laken und in der Nacht am kalten Gang stehen auch zu den Erziehungsmethoden gehört haben.

 

Wir alle sind uns klar darüber, dass diese Erziehungsmethoden Gott sei Dank heute oder jetzt schon über einen längeren Zeitraum keine anerkannten mehr sind, und wir alle distanzieren uns davon. Man muss aber auch sagen, dass die Distanzierung hier im roten Wien von etwa einem Psychiater Dr Gross – weil ja heute auch schon die NS-Methoden in der Erziehung von VorrednerInnen angesprochen worden sind – sehr lange gedauert hat, und hier ist schon die Frage zu stellen – Dr Gross lebt nicht mehr, aber er hatte Helfer und ein Team –: Wer hat hier Verantwortung getragen?

 

Es war leider auch in späteren Jahren so – ich bin Jahrgang 1958, das heißt, ich spreche durchaus von einer Zeit, die ich schon bewusst erlebt habe, Gott sei Dank nicht bei mir zu Hause, aber ich weiß das von meinem Umfeld durchaus –, dass die Worte „Du kommst ins Heim!" eine der schärfsten Drohungen war, die man einem Kind gegenüber aussprechen hat können. Das heißt, es war schon auch in der öffentlichen Meinung durchaus im Bewusstsein, im Kinderheim ist es nicht schön. Dass es dann aber zu solchen Dimensionen gekommen ist, wie wir sie jetzt vom Erziehungsheim am Wilhelminenberg hören, ist natürlich sehr, sehr bedauernswert.

 

Wir sagen aber, natürlich muss jede untersuchende Kommission unabhängig sein. Ich darf jetzt nur aus der Berichterstattung zitieren. Herr Stadtrat, Sie haben gesagt, Juristen werden gefragt, ob sie diese Kommission leiten wollen. Wir würden auf jeden Fall dafür plädieren, dass es insgesamt eine unabhängige Kommission gibt. Vielleicht rollt der Fall in Wien weitere Fälle auf – es gibt ja schon in Anzeichen in anderen Bundesländern auch –, daher wäre selbstverständlich auch aus meiner Sicht eine Bundeskommission unabhängiger Experten von Nöten. (Beifall bei der FPÖ.)

 

Wir müssen aber auch mit aller Kraft gegen die Verarmung von Familien angehen, denn Kinder mit diesen Biographien landen wieder in Händen von autoritären Strukturen, die vielleicht dann Gewalt und Macht über sie ausüben. Das heißt, starke Kinder kommen aus starken Familien. Jede Stärkung der Familie wird von uns selbstverständlich gefordert und mitgetragen. Wir haben immerhin ungefähr 5 800 – das ist die bestätigte Zahl, die Grauzone, würde ich einmal sagen, ist mindestens doppelt so groß – verwahrloste, vernachlässigte Kinder in Wien. Auch daran gilt es zu arbeiten, dass diese Zahl um ein Vielfaches geringer wird. (Beifall bei der FPÖ.)

 

Vorsitzender GR Mag Dietbert Kowarik: Danke. Als letzte Rednerin hat sich Frau GRin Mag (FH) Tanja Wehsely gemeldet. Ich erteile ihr das Wort.

 

11.20.12

GRin Mag (FH) Tanja Wehsely (Sozialdemokratische Fraktion des Wiener Landtages und Gemeinderates)|: Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geschätzter StR Oxonitsch!

Aufklärung, Transparenz und lückenlose Aufarbeitung – unter diesen Prämissen wird die aktuelle Debatte geführt, und sie muss auch unter diesen Prämissen geführt werden. Ich denke mir, StR Oxonitsch ist auch ein Garant dafür, dass das so geführt wird und so sein muss. (Beifall bei der SPÖ.)

 

Der Respekt, das Zuhören, die Wertschätzung und natürlich auch die Entschädigung, das ist es, was die Opfer unbedingt brauchen.

 

Die totale Institution, die geschlossenen Systeme, die Wände, die Mauern, die bis in die 70er Jahre üblich waren, die sind schrecklich, die sind verwerflich, die verurteilen wir heute glücklicherweise alle, doch sie waren – das ist schon von vielen Vorrednern gesagt worden – leider breitest getragen. Es war kein Zufall, sondern es war teilweise, so wie es Vorredner Ellensohn auch gesagt hat, Gesetz, etwa die „g’sunde Watschn“ et cetera. Wir haben es schon gehört. Es wäre wirklich wunderbar gewesen, ein Traum nahezu, hätte man damals in den 70er Jahren einen Schalter umlegen können, und die erwachsene Gesellschaft hätte Kinder und Jugendliche respektiert und als Persönlichkeiten geachtet. Es war leider nicht so.

 

Seit damals haben viele Bewegungen – und viele von uns haben diesen Bewegungen angehört – gekämpft. Es war die 68er Bewegung, es war die Bewegung für antiautoritäre Erziehung, es war die Bewegung für emanzipatorische Erziehung, also Kinder gleichberechtigt und als Partner zu sehen, sie zu

 

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