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Gemeinderat, 14. Sitzung vom 21.10.2011, Wörtliches Protokoll  -  Seite 22 von 51

 

genug, intensiv genug war, werden wir aus heutiger Sicht sicher anders sehen, man wird auch entsprechend einen Bericht vorlegen. Und diese Historikerkommission soll ja eben das aufklären und wird auch einen Bericht über das Gesamtsystem abgeben.

 

Ohne jetzt dem Bericht vorgreifen zu wollen, glaube ich, ist eines klar, und ist durch Einzelberichte schon bestätigt, dass es die totale Institution, was auch der Herr Stadtrat in der Fragestunde schon beantwortet hat, dass eine totale Institution in einzelnen Fällen de facto auch eine Art Kindergefängnis ist von der Vorschrift her, man muss die Gesellschaft vor den Heiminsassen schützen und nicht umgekehrt, dass diese Institution entsprechendes Leid und Schwierigkeiten auch hervorgerufen hat, und dass die Totalinstitution derartige Vorfälle begünstigt.

 

Es wurde auch strukturell reagiert, seit 1970 hat es Schritte gegeben, um das entsprechend auch zu öffnen, sodass die Kinder auch zur Schule gehen, in die Öffentlichkeit kommen, aber wir haben es auch geschafft, über die Heimreform 2000, dass zumindest alle Großheime jetzt einmal geschlossen wurden und wir in Wohngemeinschaften entsprechend vorgehen. Das heißt - ich habe nur mehr 124 Sekunden, es leuchtet aber jetzt schon - es geht hier auch um die individuelle Schuld, das möchte ich sagen, und da hat Wien immer eines gemacht, dass wir alles und jedes und jeden an die Staatsanwaltschaft weitergeleitet haben, und das wird jetzt entsprechend auch immer geschehen. (Ein akustisches Signal zeigt das Ende der Redezeit an.) Nach der eigenen Zeit hätte ich noch zehn Sekunden, aber ...

 

Vorsitzender GR Mag Dietbert Kowarik (unterbrechend): Herr Kollege, es tut mir leid, ich habe darauf keinen Einfluss genommen, offensichtlich haut es nicht ganz genau hin, Sie haben selbstverständlich noch den Schlusssatz, bitte schön.

 

GR Heinz Vettermann (fortsetzend): Dass mich der Apparat benachteiligt, auch das nehme ich bei dem Thema zur Kenntnis, denn diese vollständige Aufklärung und Darstellung wird ja hoffentlich - und das ist ein Zukunftssatz - dazu führen, dass auch endlich einmal ein gesellschaftlicher Konsens gefunden wird und inhaltlich Schluss gemacht wird mit der „schwarzen Pädagogik“. Vielen Dank! (Beifall bei der SPÖ.)

 

Vorsitzender GR Mag Dietbert Kowarik: Werte Kolleginnen und Kollegen!

 

Herr Gemeinderatsvorsitzender Schuster hat es mir auch gesagt, es wurde hier einiges umgestellt, offensichtlich gibt es hier noch technische Mängel, bitte diese zu entschuldigen und auch bei der jeweiligen Rede gelassen hinzunehmen. Wir arbeiten daran.

 

Als nächster Redner hat sich Herr GR Dr Aigner zum Wort gemeldet, ich erteile ihm das Wort.

 

10.58.27

GR Dr Wolfgang Aigner (Klubungebundener Mandatar)|: Sehr geehrter Herr Vorsitzender, meine Damen und Herren!

 

Der Wiener Gemeinderat ist ein politisches Gremium, ist keine Staatsanwaltschaft, hat auch keinerlei vergleichbare Befugnisse. Wir haben die Aufgabe, politische Verantwortung einzumahnen und diese auch wahrzunehmen. Und im Unterschied zum Strafrecht ist es schön, dass politische Verantwortung keiner Verjährungsfrist unterliegt, und daher kann man sich sozusagen auf diese Fristen auch nicht berufen. Es ist auch völlig klar, dass die verantwortlichen Politiker, die heute operativ tätig sind, für die damaligen Vorkommnisse in keiner Weise verantwortlich gemacht werden können, und das macht auch niemand. Ich glaube, wir haben hier einen parteiübergreifenden Konsens, dass die Erziehungsmethoden von damals in der heutigen Zeit Gott sei Dank nichts mehr zu sagen haben.

 

Es ist zwar für die Opfer überhaupt kein Trost, aber es ist auch eine Tatsache, dass diese Probleme in sehr vielen Ländern aufgetreten sind, und zwar sowohl im staatlichen als auch im privaten Bereich. Und privater Bereich meint bei Gott nicht nur die Kirche, auch im reformpädagogischen Sektor, denken wir an die Odenwaldschule in Deutschland, denken wir an die ganzen Kommunen der 70er Jahre, die sich damals dafür feiern haben lassen, dass dort Kinder wirklich als Sexobjekte missbraucht worden sind, also ich glaube, da haben auch sehr viele einen Lernprozess hinter sich und ich kann nur hoffen, dass dieser Lernprozess auch ein genereller Lernprozess geworden ist und dass sozusagen hier auch alle in der Gegenwart angekommen sind.

 

Ich glaube, man sollte auch immer sehr vorsichtig sein mit der berühmt-berüchtigten Faschismus-Keule. Ich weiß, wie schnell man diese hier schwingt. Und dann ist die Frage, die Kollege Ulm aufgeworfen hat, natürlich schon berechtigt, warum bis in die 60er und 70er Jahre den Heimkindern auch noch ein NS-Schreckensarzt Dr Gross, der Spiegelgrund-Gross, als höchste Strafe drohte, wenn sie irgendwie nicht still waren. Also auch diese Frage sollte man klären und sozusagen ganz neutral auch sagen, dass hier offenkundig im Nationalsozialismus eine Saat gesät wurde, die in sehr vielen politischen Lagern teilweise leider Gottes aufgegangen ist. Man kann nur hoffen, dass die letzten Reste dieser Saat irgendwo verschwunden sind.

 

Es geht daher um offene Aufklärung, um Transparenz, es geht auch darum, dass man wirklich die Strukturen hinterfragt, denn auch das kann man schon als Tatsache ansehen, dass hier nicht individuelles Versagen allein Ursache gewesen sein kann, sondern es muss hier ein System kollektiver Vertuschung gegeben haben bis ganz weit hinauf, denn ansonsten ist es nicht zu erklären, dass solche Dinge so lange eigentlich unter der Tuchent gehalten worden sind. (Beifall bei der FPÖ.)

 

Meine Damen und Herren! Das, was jetzt auch für die politische Arbeit erforderlich ist, ist, dass die Verantwortlichen hier im Haus ihre Information von den jetzt operativ Verantwortlichen aus erster Hand beziehen. Ich muss dazusagen, auch als Mitglied des Ausschusses, meine primären Informationsquellen sind zur Zeit sind die Zeitungen und die Interviews. Also wir sind bis dato über relativ wenig informiert worden. Ich bin auch sehr gespannt auf den Ausschuss, aber ich würde

 

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