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Gemeinderat, 11. Sitzung vom 29.06.2011, Wörtliches Protokoll  -  Seite 22 von 65

 

ziell geschult sind für diese Tätigkeit, sich vielfach in andere Bereiche versetzen lassen oder überhaupt auf Grund von Burn-out-Syndromen ausscheiden. Es kann daher kaum mehr berufserfahrenes Personal für die offenen Planstellen in den Krisenzentren gewonnen werden, und es ist daher notwendig, SozialpädagogInnen ohne entsprechende Berufserfahrung in den Krisenzentren einzusetzen.

 

Meine Damen und Herren! Das kann nicht der Zustand der Jugendwohlfahrt einer Großstadt sein, die eigentlich eine gute Struktur geschaffen hat, aber es jetzt bei der personellen Ausstattung schlichtweg mangeln lässt. Es besteht die Gefahr, dass es zu einem Kollaps in den Krisenzentren kommt, die Krisenzentren sozusagen in der Krise, und diese Krise gilt es, möglichst rasch zu beseitigen. Hier müsste es doch möglich sein, bei zehntausenden Dienstposten, die im Bereich der Stadt Wien zu vergeben sind, auch durch interne Umschichtungen, ohne insgesamt den Personalstand zu erhöhen, dafür Sorge zu tragen, dass Kinder in Ausnahmesituationen nicht in einem Matratzenlager untergebracht werden, dass sie nicht am Gang schlafen müssen und dass sie möglichst rasch dann in eine einigermaßen gegebene Geborgenheit eintreten können. (Beifall bei der ÖVP.)

 

Die eigene Personalvertretung, die vor drei Jahren in einer aufsehenerregenden Aktion, in einer öffentlichen Dienststellenversammlung auf ihre Misere hingewiesen hat, ist mit den Maßnahmen, die bisher gesetzt worden sind, ebenfalls noch nicht zufrieden. Ich zitiere einen Personalvertreter, der nach wie vor über Personalmangel und Geldnot im Kinder- und Jugendamt klagt. „Wir brauchen vor allem im stationären Bereich und in der Prävention mehr Personal. Es gibt aber von Seiten der Politik einen totalen Geld- und Personaldruck, und es ist immer wieder von Umschichtungen die Rede.", sagt der genannte Personalvertreter. Im Bereich der Prävention spricht er gar von einem bevorstehenden Kollaps. Also die Prävention ist schon kollabiert, und dort, wo Maßnahmen ergriffen werden müssen, gibt es Zustände, wie sie eben von der Volksanwaltschaft auch dargestellt worden sind.

 

Herr Stadtrat! Das ist eine ganz dramatische Situation, und es liegt in Ihrer Verantwortung, rasch dafür zu sorgen, dass der nächste Volksanwaltschafts- oder Kontrollamtsbericht entsprechend anders ausschaut.

 

Wir müssen das Personal entsprechend unterstützen. Die Kinder sind in den Krisenzentren nur so kurz wie möglich unterzubringen, und das Ambiente, das dort genau für diese traumatisierten Kinder geschaffen werden muss, sollte eigentlich so sein, wie die Campusschulen, die Sie jetzt mit sehr viel Geld schaffen. Die Kinder, die man in einer Krisensituation den Eltern wegnehmen muss – und das ist ein massiver Eingriff –, die sollen dann vielleicht in einem Dorf mit Dorfcharakter, in einem Iglu sitzen, die sollen eine Wellnessatmosphäre bekommen, denn die haben es sich wirklich verdient, die haben offenkundig in ihrem bisherigen Leben noch nicht sehr viel Gutes miterlebt. (Beifall bei der ÖVP.)

 

Meine Damen und Herren! Das Thema ist viel zu ernst, um hier in irgendeiner Form in Populismus abzugleiten. Es ist auch nicht angebracht, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dann, wenn Fälle kommen, in den Focus gerückt werden – warum hat der Mitarbeiter nicht öfter nachgeschaut –, wenn es einfach zu wenig Personal gibt.

 

Das heißt, sehen wir die Jugendwohlfahrt – Wohlfahrt ist ein etwas antiquierter Begriff, aber Wohlfahrt hat auch mit Wohlfühlen, mit Betreuung, mit Service zu tun – als einen ganz wichtigen kommunalen Bereich und tragen wir im Endeffekt auch der Tatsache Rechnung, dass sich die gesellschaftlichen Zustände natürlich auch dahin gehend auswirken, dass die Fallzahlen entsprechend steigen werden. Wenn man auf der einen Seite die Scheidungsraten anschaut, wenn man sich die Probleme in den Familien, die ja auch statistisch dokumentiert sind, anschaut, dann ist nicht davon auszugehen, dass es weniger Arbeit für die Jugendwohlfahrt geben wird. Es wird eher mit einer Zunahme zu rechnen sein, so traurig das ist, und diese Zunahme sollte sich auch im Dienstpostenplan und auch in der ganzen Ausstattung entsprechend niederschlagen.

 

Ich glaube, hier ist Zuwarten ganz furchtbar, denn längeres Zuwarten bedeutet, dass die Folgekosten und das Leid der Kinder entsprechend gesteigert werden. Wir wollen in erster Linie das Leid möglichst minimal halten – das ist unsere Aufgabe –, und wir wollen natürlich dann auch den gesamtgesellschaftlichen Kontext nicht aus den Augen verlieren.

 

Daher auch der Appell noch einmal an die grüne Regierungspartei: Vergessen Sie Ihre Forderungen nach Aufstocken des Personals nicht und überlegen Sie sich, ob es nicht dringendere Aufgaben gibt als einen Fahrradkoordinator für die Stadt Wien.

 

Einen Tipp im Jahr der Freiwilligkeit: Vielleicht findet sich auch in diesem Bereich einmal jemand, der etwas ehrenamtlich für diese Stadt macht. Es gibt in so vielen anderen Bereichen ehrenamtliches Engagement, es müsste doch in der Fahrrad-Community auch ehrenamtliche Aktivisten geben, die nicht darauf warten, dass sie ein Büro, Geld und am Ende auch noch ein Dienstauto bekommen. (Beifall bei der ÖVP.)

 

Vorsitzender GR Mag Thomas Reindl: Für die weiteren Wortmeldungen bringe ich in Erinnerung, dass sich die Damen und Herren des Gemeinderates nur ein Mal zu Wort melden dürfen und ihre Redezeit mit fünf Minuten beschränkt ist. Als nächste Rednerin hat sich Frau GRin Hebein gemeldet.

 

10.59.15

GRin Birgit Hebein (Grüner Klub im Rathaus)|: Werter Herr Vorsitzender! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen!

 

Ich beginne anders, als ich es mir vorgenommen habe, nämlich mit Ihrem Schlussplädoyer, Herr Abg Aigner, dass jetzt ehrenamtliche – ich verkürze es ein bisschen – Fahrradfahrer hier aktiv werden könnten. Ich muss Ihnen ehrlich sagen, mir ist das zu wichtig, als dass ich es hinnehmen könnte, wie Sie hier mit einer Polemik und einem Zynismus agieren, die wirklich letztklassig sind.

 

Ich war während meiner Ausbildung bei einer Kindesabnahme dabei. Die Verzweiflung, die Sie da erleben, ist so enorm, dass ich als professionelle Sozialarbeiterin dieser Arbeit nicht würde nachgehen wollen, ich

 

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