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Gemeinderat, 9. Sitzung vom 01.06.2011, Wörtliches Protokoll  -  Seite 8 von 35

 

großer Staaten wie Mexiko, Indonesien, Russland, Argentinien und Pakistan von 1995 bis 2001 kostete nur ein Fünftel der Summen, die nun für das eher kleine Griechenland aufgewendet werden. Frankreichs Banken - der Grund ist auch ganz klar, denn durch diese Griechenlandgeschichte sind Frankreichs Banken ins Trudeln gekommen und Sarkozy hat es durchgesetzt, das Problem nicht innerstaatlich zu lösen, sondern auf Europa abzuwälzen und damit die Gesamttragehilfe, eben eine Haftung europäischer Staaten für die französischen Banken, auch herbeizuführen.

 

Der Dieter Spethmann, Chef des Thyssen-Konzerns, sagt, dass kein Steuergeld für Griechen und Co ausgeschüttet werden soll. Ulrich Blum ist Präsident des Institutes für Wirtschaft, Forschung in Halle und er sagt, es soll nicht an Symptomen herumgedoktert werden, sondern man muss Lösungen finden, die tragfähig sind.

 

Gustav A Horn ist der Leiter des gewerkschaftsnahen Instituts für Makroökonomie und er stellt fest, dass die Regierungen beschlossen haben, den Rettungsschirm auszuweiten und auf Dauer einzurichten, aber die Märkte wollen sich nicht beruhigen. Der Rettungsschirm hat ein großes Loch, weil eine Klausel besteht, dass Umschuldungen von Mitgliedern des Euroraumes möglich sind und dadurch die Qualität von Anleihen des Euroraumes massiv verändert wurde. Also auch aus Gewerkschaftskreisen gibt es hier klare, entsprechende Widersprüche.

 

Herr Konrad ist Vorsitzender des wissenschaftlichen Beirates beim Bundesfinanzministerium und er sagt: „Gern weist die deutsche Politik darauf hin, dass der ESM eben keine Blankoschecks ausstellt. Der Rettungsfonds soll nur unter strengen Auflagen vergeben werden. Nur, diese harten Anstrengungen, die da sind, werden im Großen und Ganzen nicht vollzogen. Strenge Auflagen werden zwar gemacht, aber im Grunde genommen nicht eingefordert. Und grundsätzlich muss man feststellen, eine Überschuldung kann man nicht einfach gesundsparen. Man muss hier eben nicht eine Symptomkur machen, sondern die Ursachen beseitigen.“

 

Peter Bofinger ist Mitglied des Sachverständigenrates und sagt, die Regierungen hätten aus den Krisen nichts gelernt. Ein Staatsrechtler bedauert oder fordert die Berücksichtigung und die Einbeziehung des Bundestages ein. Und ein anderer Professor für öffentliches Recht an der Universität Speyer sieht eine Verfassungskrise auf uns zukommen. Dann weiters, Jörg Krämer ist Chefvolkswirt der Commerzbank und er stellt fest, dass eben die Geberländer der schwächeren Eurozone mit dieser Gewaltkur der Finanzmittel keine Hilfestellung als solches bringen werden. Das heißt, es gibt also in der Wissenschaft eine weitgehend einhellige Ablehnung, in der Bundesrepublik ziemlich durchgehend.

 

Bei uns hat man sich nicht geäußert. Auch die Wissenschaft hat sich hier zurückgehalten. Die Bundesregierung hat es vorgezogen, überhaupt nichts zu sagen. Sie hat alle dumm sterben lassen. Es wurde überhaupt nichts in irgendeiner Form gesagt, was passiert. Die Bevölkerung weiß nicht, was auf sie zukommt. Im Großen und Ganzen hat sie auch keine eigenen Ziele und Vorstellungen entwickelt. Sie hängt an den Rockschößen von Finanzminister Schäuble und damit fühlt sie sich offensichtlich wohl.

 

Ein anderer Punkt, den ich noch anbringen möchte, ist der Inhalt eines Beschlussantrages und zwar betreffend ein verbindliches Insolvenzverfahren. Wir brauchen, der Text ist nachlesbar, Sie haben ihn alle bekommen, sicher in Europa einfach eine handbare Möglichkeit, von Insolvenz bedrohte Staaten in irgendeiner Form sozusagen abzuhandeln. Wir brauchen daher ein verbindliches Insolvenzverfahren für von Zahlungsunfähigkeit bedrohte bankrotte Staaten. Und hier kann man nicht wie bisher einfach wirr, ohne Ziel, ohne Plan einfach Geld irgendwo hineinstecken, wie es den Leuten gerade einfällt. Das macht die Europäische Kommission in Privataktion. In Österreich ist meines Wissens nur einmal beim ersten Mal für den ersten Teil des Rettungspaketes für Griechenland das Parlament gefragt worden, seitdem nicht mehr. Das heißt also, wir brauchen Regeln, die sich hier ergeben. Daher gibt es einen Beschlussantrag der FPÖ-Gemeinderäte Mag Johann Gudenus, Herzog, Mag Jung, Mag Ebinger betreffend Schaffung eines verbindlichen Insolvenzverfahrens für bankrotte Mitgliedsstaaten:

 

„Der Wiener Gemeinderat fordert die Bundesregierung auf, in Brüssel die Schaffung eines verbindlichen Insolvenzverfahrens für bankrotte Mitgliedsstaaten durchzusetzen.“ (Beifall bei der FPÖ.)

 

Abschließend kann ich nur sagen, wir müssen diese verfehlte Politik, wie sie jetzt abläuft, wieder in den Griff bekommen. Wir fordern die Regierungsparteien in Wien, aber vor allem im Bund auch auf, endlich dafür Sorge zu tragen, dass Rechtsstaat Rechtssaat bleibt, dass die Verfassung der EU eingehalten wird, dass eine Transferunion entgegen sämtlichen Bestimmungen der EU nicht Platz greifen soll und dass der österreichische Steuerzahler weiß, um was es geht. Faymann hat ein Versprechen abgegeben, wenn europäisches Primärrecht, Verfassungsrecht geschaffen wird, dass dann eine Volksabstimmung kommen muss. Man muss die Bevölkerung über diese Dinge fragen, ohne das geht das nicht, denn eines ist auch klar: Entmachtung des Volkes und Entmachtung des eigenen Parlaments sind etwas, was der Demokratie zutiefst schadet und das wollen wir verhindern. (Beifall bei der FPÖ.)

 

Vorsitzender GR Godwin Schuster: Als Nächster zum Wort gemeldet ist Herr StR Mag Gerstl und ich erteile es ihm!

 

9.40.03

StR Mag Wolfgang Gerstl|: Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Meine sehr geehrten Damen und Herren!

 

Ich bin heute in zweierlei Hinsicht besonders verwundert. Erstens, dass wir einen Sondergemeinderat haben zum Europäischen Stabilitätsmechanismus, weil ich mich frage: Was hat das mit der Kompetenz des Wiener Gemeinderates zu tun? (GR Johann Herzog: Na, zahlen tun wir! – Aufregung bei der FPÖ.) Aber es wundert mich auf der anderen Seite auch nicht, wenn wir das Juristische einmal beiseite lassen, dass die SPÖ ja jede sich bietende Chance aufgreift, die FPÖ als politisches Reibeisen zu benutzen. Ist es nicht so, dass die SPÖ an ihrem Landesparteitag klar zum Ausdruck gebracht hat, dass die FPÖ der Mensurgegner der SPÖ ist, und dass

 

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