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Gemeinderat, 64. Sitzung vom 17.09.2010, Wörtliches Protokoll  -  Seite 30 von 98

 

dem Fortschrittsbericht STEP 05 zuwenden und möchte hier einige Zitate in Kurzform bringen. Zum Beispiel steht auf Seite 25: „Der STEP 05 ist reich an inhaltlichen Aussagen. Allerdings sind sie oft nicht auf den ersten Blick erkennbar.“ Vollkommen richtig, sie sind wirklich nicht auf den ersten Blick erkennbar, oft nicht auf den zweiten Blick, oft nicht auf den dritten Blick, sondern gar nicht erkennbar. Hier ist der Fortschrittsbericht vollkommen richtig. Ich werde auch darauf eingehen, warum es nicht erkennbar ist.

 

Oder auf Seite 29 steht: „Wiens räumliches Wirtschaftsleitbild.“ Da steht unter anderem: „Die Sicherung von Standorträumen für Klein- und Mittelbetriebe im dicht bebauten Stadtgebiet.“

 

Meine Damen und Herren! Wir sind weit entfernt davon, hier diese Zielsetzung erreicht zu haben. Im Gegenteil, wir schrammen an einer Katastrophe in diesem Bereich wirklich fast schon vorbei. Da hat die Wiener Handelskammer eine Studie herausgegeben. Die ist relativ neu und dort steht drinnen und das ist nachweislich, dass die Schließungsquote der Unternehmen in diesem Bereich seit 2004 bis Ende 2008 – das waren die aktuellen Zahlen – um 12 Prozent zugenommen hat und die Überlebensquote, die sehr, sehr wichtig ist - weil ja alle vom Bürgermeister abwärts immer über die vielen Neugründungen, Ein-Mann-Gesellschaften reden –, ist von 82 Prozent in diesem gleichen Zeitraum auf 69,5 Prozent gefallen. Das heißt, hier kann fast ein Drittel nicht überleben, obwohl angeblich die Stadt ein forciertes Management und Wirtschaftsstandortpolitik betreibt. Wir sind weit davon entfernt, meine Damen und Herren!

 

Oder auf Seite 31: „Mehr Betriebe in Wien.“ Sie schreiben: „Seit 2004“ - also Sie sind am gleichen Ausgangspunkt wie die Wiener Handelskammer - „gelang es den beiden Institutionen,“ - nämlich WWFF und Austria Business Agency - „rund 440 internationale Unternehmen in Wien anzusiedeln. Das brachte 4 300 Arbeitsplätze und 420 Millionen EUR an Investitionen.“

 

Meine Damen und Herren! Die Realität ist natürlich eine andere. Die Stadt Wien ist in den letzten 16 Jahren, seit der Herr Bgm Häupl hier regiert, zum Schlusslicht geworden, was Arbeitsplätze betrifft. Es mag schon sein, dass 4 300 Arbeitsplätze neu geschaffen wurden. Im gleichen Zeitraum sind aber in Wien insgesamt wesentlich mehr, nämlich über 6 000, verschwunden. Alle anderen Bundesländer gemeinsam haben im gleichen Zeitraum zirka 320 000 Arbeitsplätze neu geschaffen. Also da kann man nicht davon reden, dass hier eine perfekte Arbeitsplatzpolitik betrieben wurde.

 

Oder die Arbeitslosenrate: Der neueste Stand Mai 2010, Quelle WIFO und Sozialversicherungsträger. Hier hat im Durchschnitt aller Bundesländer die Arbeitslosigkeit 5,7 Prozent betragen, in Wien 8,1 Prozent. Wir liegen also weit über dem Durchschnitt.

 

Bei den Lehrstellen: Ich lese dauernd Inserate, wie viele Lehrstellen geschaffen werden, überall, auch in der Stadt Wien. Wien ist das Schlusslicht, was den Lehrstellenmarkt betrifft, und das hat alles mit Standortpolitik und Wirtschaftspolitik zu tun, daher auch mit Planung und Verkehr. Wien hat nämlich die meiste Diskrepanz zwischen Angebot und Nachfrage. Zum Beispiel Salzburg und auch Tirol, nur um zwei Länder herauszugreifen, die auch rot und schwarz regiert werden, haben eine positive Bilanz zwischen Angebot und Nachfrage. Sogar das gebeutelte Land Kärnten hat nur um minus 92, also auch hier kann man jetzt nicht sagen, dass die dort unheimlich desaströs gearbeitet haben. Auch die liegen hier relativ gut im Rennen.

 

Meine Damen und Herren! Das Gleiche betrifft die Insolvenzen. Die sollten uns zu denken geben. An Unternehmensinsolvenzen haben wir in Wien täglich - Gesamtinsolvenzen, Entschuldigung, Private und Unternehmen, 16 am Tag, ich kümmere mich jetzt nur um die Unternehmensinsolvenzen. Das sind in Wien 31,5 Prozent von den gesamten österreichischen 100 Prozent. Das sollte uns wirklich zu denken geben. Diese Entwicklung korrespondiert überhaupt nicht mit den Zielsetzungen des Stadtentwicklungsplanes 2005 und des Fortschrittberichtes.

 

Meine Damen und Herren! Auf Seite 33 gehen Sie auf den sozialen Wohnbau ein, der natürlich auch ein sehr wichtiger Punkt in der Planung ist. Sie schreiben: „Sicherstellung von zeitgemäßen und erschwinglichen Wohnungen. Forcierte Anstrengungen im Bereich der Bodenmobilisierung zur Absicherung der geplanten Wohnbeileistungen.“

 

Meine Damen und Herren! Die FPÖ und vor allem StR Herzog hämmern seit Jahren: Es gibt in Wien keinen Gemeindebau mehr, keine echten Sozialwohnungen, wo sich ärmere Bevölkerungsschichten, Jüngere, Ältere, diese Wohnungen überhaupt leisten können. Es gibt Kostenvergleiche, die kann ich Ihnen sagen, zwischen Alt Erlaa, wo ich in einem Genossenschaftsbereich mit einer hohen Infrastruktur wohne und dem Schöpfwerk. Sie werden es nicht glauben, akribisch sieben Jahre lang aufgearbeitet, sind die Betriebskosten mit Mieten und Erhaltungsbeiträgen insgesamt Am Schöpfwerk höher als in Alt Erlaa! Da kann ja irgendwas nicht stimmen. Da stimmt ja etwas im sozialen Wohnbau nicht! Und wissen Sie, warum? Weil die Stadt Wien keine sozialen Wohnungen mehr zur Verfügung stellt, sondern Sie bewerben ununterbrochen Luxuswohnungen. Sie bewerben die Wohnungen im Eigentum. Das ist sehr schön, es sei jedem gegönnt, der es sich leisten kann. Nur, das ist nicht die Aufgabe der Stadt, dass man hier Wohnsiedlungen mit Swimmingpool, mit Sauna, mit Heurigen und Sonstigem baut. Zum Beispiel heute in der Zeitung „Heute“ steht drinnen: „Wohnungsluxus pur in Döbling.“ Aber wo? Beim Wertheimsteinpark, natürlich im Grünen, errichtet die Raiffeisen 75 Eigentumswohnungen um bis zu 7 500 EUR pro Quadratmeter! Es werden villenartige Trakte gebaut, es werden Weinkeller, Sauna und Pool zur Verfügung stehen.

 

Meine Damen und Herren! Das ist Ihre soziale Wohnungspolitik? Das kann doch nicht wahr sein, dass Sie sich genau mit diesen Genossenschaften hier zusammentun! Sie sind aufgerufen, Boden für einen echten sozialen Wohnbau bereitzustellen, für Gemeindewohnungen, die für die Ärmeren zumindest in der Anfangsphase der ersten Jahre, wo sie ihr Leben neu gestalten

 

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