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Gemeinderat, 61. Sitzung vom 28.06.2010, Wörtliches Protokoll  -  Seite 39 von 126

 

mehr, und das bedeutet Zahlungsunfähigkeit und Insolvenz.

 

Ich darf dieses Problem vielleicht präzisieren. Aus bankinternen Gründen – zum Beispiel Übernahme durch neue Eigentümer wie bei der Bank Austria, bei der BAWAG et cetera oder durch interne Veränderungen, Vorgaben und so weiter – könnte es zu neuen Richtlinien für Überziehungen oder Kredite kommen. Eine jahrelang geübte Praxis der mündlich vereinbarten Kontoüberziehungen könnte zum Beispiel ohne Vorwarnung von heute auf morgen gekündigt werden. Das Ergebnis, sehr geehrte Frau Vizebürgermeister, wäre Zahlungsunfähigkeit und damit Insolvenz, obwohl sich beim kreditnehmenden Unternehmen nichts zum Negativen verändert hat.

 

Das Rating wirft aber noch ein weiteres Problem auf, das ich mit einem einzigen Satz darlegen kann. Eine steuerschonende Bilanz ist ein Feind für ein gutes Rating. Ich möchte jetzt gar nicht auf die Probleme von Basel II eingehen, denn es kommt noch viel schlimmer, denn nach Basel II kommt Basel III.

 

„Basel III im Anflug – Eigenkapital wird wichtiger denn je. Mit so wenig Eigenkapital," – ich zitiere jetzt den Vorstand der Erste Bank, Thomas Uher – „wie man sich vor der Krise finanzieren konnte, wird es nach der Krise nicht mehr gehen.", sagte Uher und warnte vor den „dramatischen Auswirkungen", die Basel III haben wird.

 

Sehr geehrte Frau Vizebürgermeister! Eigenkapital wird wichtiger denn je. Unterstützen Sie bitte die Wiener KMUs, sparen Sie die KMUs nicht in die nächste Krise! – Ein Zitat von Ihnen.

 

Ich habe hier eine interessante Statistik über die Eigenkapitalausstattung der KMUs einiger ausgewählter Länder in Europa. Zum Beispiel Spanien: Eigenkapital der KMUs 42 Prozent, Finnland: 42 Prozent, Belgien: 41 Prozent, Frankreich: 39 Prozent. Schlusslicht ist Österreich mit 22,88 Prozent.

 

Was ist das Ergebnis fehlenden Eigenkapitals? Na, die Insolvenz. Die Zahl der Gesamtinsolvenzen, also die Summe aus Unternehmens- und Privatinsolvenzen, ist in Wien im Jahr 2009 um 7,2 Prozent auf insgesamt 5 963 Fälle gestiegen. Damit gibt es in Wien, in der lebenswertesten Stadt der Welt, wie wir heute schon mehrmals gehört haben, pro Tag 16 Insolvenzen.

 

Sehr geehrte Frau Vizebürgermeister! Den KMUs geht es ausgesprochen schlecht. Auch hier konnten Sie Ihr Ziel noch nicht erreichen.

 

Frau Vizebürgermeister! Die SPÖ behauptet immer, dass Sie sich für die Anliegen der österreichischen KMUs stark macht. Wir konnten das bisher nicht feststellen. Bitte verabsäumen Sie es nicht, dem größten Arbeitgeber Wiens, den KMUs, die überlebensnotwendigen Unterstützungen im Interesse aller Wiener zu geben. Seien Sie nicht nur die Lobby internationaler Unternehmen, für die Headquarters, für die Banken, für die Industrie, seien Sie auch die Lobby für die KMUs. Die Unterstützung der Freiheitlichen Fraktion haben Sie dazu. (Beifall bei der FPÖ.)

 

Vorsitzender GR Mag Thomas Reindl: Zu Wort gemeldet ist Herr GR Dipl-Ing Margulies. Ich erteile es ihm.

 

13.21.00

GR Dipl-Ing Martin Margulies (Grüner Klub im Rathaus)|: Sehr geehrte Damen und Herren!

 

Ich könnte jetzt natürlich die Punkte vier bis sieben weiterlesen, aber ich erspare mir das. Ich möchte eigentlich einleitend vor der Geschäftsgruppe Finanzen auf ein weltpolitisch gesehen trauriges Wochenende hinweisen. Der G20-Gipfel ist zu Ende gegangen und zeigt zwei Jahre nach Beginn der Krise, in wessen Dienst sich eigentlich die führenden Politiker und Politikerinnen der Welt gestellt haben, in den Dienst der Finanzlobby. Keine Bankenabgabe, keine Finanztransaktionssteuer, und der Weg, die Krise zu überwinden, soll angeblich der Schuldenabbau sein. Dies ist letztendlich auch der Kurs, den seit vielen Jahren die österreichischen Bundesregierungen, egal, welchen Couleurs, eingeschlagen hatten. Wer Finanzminister Pröll jetzt zugehört hat, der weiß, was auf Österreich und was auf die Stadt Wien zukommt, wer Angela Merkel zuhört, wer spanischen SpitzenpolitikerInnen, englischen SpitzenpolitikerInnen zuhört, der weiß, dass in Wirklichkeit ein Einsparungs- und Belastungspaket sondergleichen auf ganz Europa zukommt.

 

Nach dem 10.10.2010 befürchte ich, dass auch die österreichische Bundesregierung ein Belastungspaket sondergleichen schnüren wird. Genau zu diesem Zeitpunkt werden wir auf den heute von der SPÖ eingebrachten Antrag verweisen und sie auch fragen, welche Konsequenz daraus gezogen wird. Es hat so viele Anträge in den letzten Jahren gegeben, und ich sage gleich dazu, wir werden diesen Antrag unterstützen, das ist überhaupt nicht die Frage, denn die Grünen sind diejenigen, die sagen, nur wenn es tatsächlich gelingt, die wirklich Reichen zu einem ernsthaften Beitrag zu bewegen, dann müssen wir dieses Land nicht kaputtsparen.

 

Irgendjemand zahlt immer. Entweder es sind 90 Prozent der Bevölkerung, die genau ein Drittel des vorhandenen Vermögens besitzen, oder es sind die oberen 10 Prozent, die zwei Drittel des Vermögens besitzen. Aber irgendjemand wird dafür zahlen, denn Einsparen heißt immer auch, jemandem etwas wegzunehmen. Man kann Steuern erheben, da nimmt man jemandem etwas weg, oder man kann anderen Menschen etwas nicht geben, da nimmt man auch jemandem etwas weg, und wir müssen uns entscheiden, wem wir in der konkreten Situation etwas wegnehmen. Wenn wir wirklich den Wohlstand für die armen und armutsgefährdeten Menschen erhöhen wollen und den Wohlstand für den Mittelstand halten wollen, dann müssen wir uns entscheiden, wem wir etwas wegnehmen.

 

Ja, ich stehe dazu – so wie es auch die SPÖ schreibt –, Besteuerung von Banken, Finanztransaktionen und Spekulanten, ich stehe auch dazu, dass es zu keiner Erhöhung von Massensteuern kommt, aber es geht nicht nur um die Besteuerung, es geht auch um die Vorbildwirkung.

 

Ich komme deshalb, Kollege Strobl, noch einmal auf die Fremdwährungskredite zurück. Wir haben über Jahre hinweg – das stimmt – als Stadt Wien Fremdwährungskredite aufgenommen, weil der Zinssatz im Vergleich zwischen Euro und Schweizer Franken für den Schwei

 

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