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Gemeinderat, 2. Sitzung vom 14.12.2010, Wörtliches Protokoll  -  Seite 5 von 91

 

Vorsitzender GR Godwin Schuster: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau GRin Mag Wurzer. Ich erteile es ihr.

 

9.15.11

GRin Mag Martina Wurzer (Grüner Klub im Rathaus)|: Guten Morgen, sehr geehrter Herr Vorsitzender! Sehr geschätzte Frau Stadträtin! Geschätzte Mitglieder des Gemeinderates!

 

Ja richtig, Frau Kollegin Feldmann, Sie haben schon richtig zitiert und vorgelesen: Österreich ist ein feministisches Entwicklungsland. Seit Jahren liegt Österreich in allen Gleichstellungsrankings an Schlusslichtpositionen, beschämende Schlusslichtpositionen. Bei den Gehaltsunterschieden zwischen Männern und Frauen liegt Österreich nur knapp vor Estland innerhalb der EU, im Gender Gap Report reiht sich Österreich zwischen Uganda und Guyana ein.

 

Dazu passend ist auch das vorherrschende Frauenbild in Österreich. Das Ideal ist die postfeministische Frau, die alle Diskriminierungen und Übergriffe fröhlich wegkichert. Junge Frauen heute, heißt es, hätten die Gleichberechtigung mit der Muttermilch aufgesogen. Die nehmen ihr Leben in die Hand, heißt es. Die moderne Frau verzettle sich heute nicht mehr im Kampf der Geschlechter, sondern stellt sich viel mehr selbstbewusst den neuen Herausforderungen oder bügelt Unterhosen, je nachdem.

 

Das Ideal ist also die Powerfrau, die Marathonfrau. Hinter diesem Mythos Powerfrau, Marathonfrau, jedenfalls Superfrau steckt eine massive Entpolitisierung und Endsolidarisierung der Gesellschaft. Die Botschaft ist, dass jede Frau, egal, ob Akademikerin oder Arbeiterin, wenn sie den Bilderbuchaufstieg nicht schafft, gefälligst selbst daran schuld ist. Dieses auch medial ständig vermittelte Bild verkürzt und verklärt die Realität in unverschämter Art und Weise. Es tut gerade so, als stünden Frauen kurz vor der Übernahme der Schlüsselpositionen in Gesellschaft und Wirtschaft.

 

Dabei ist das Gegenteil davon der Fall. Österreich hat den Retourgang eingelegt. Wir leben in einer heftigen antifeministischen Backlash-Phase. Im Gegensatz zu Resteuropa – die Frau Kollegin hat bereits darauf hingewiesen – geht in Österreich die Einkommensschere weiter auseinander. (GR Mag Wolfgang Jung: Langsam! Wir kommen ja gar nicht mit!) Im Gegensatz zu Resteuropa, wo der Frauenanteil in Führungspositionen steigt, sinkt in Österreich die Zahl der Frauen in Führungspositionen in den letzten Jahren. Das ist ein Rückschritt, den wir so weiter nicht hinnehmen werden. Über diesen Stillstand, über diesen Rückschritt werden wir nicht schweigen, sondern zukünftig weiterhin lautstark sprechen und uns darüber aufregen. (Beifall bei GRÜNEN und SPÖ.)

 

Wir wollen nicht mehr länger auf wirksame Instrumente wie die Einkommenstransparenz, wie die Koppelung der öffentlichen Auftragsvergabe an Gleichstellung in Firmen und an gesetzliche Frauenquoten warten. Von alleine geht nichts, das haben wir inzwischen zur Genüge festgestellt. Darauf zu warten, ist zynisch. (GR Mag Wolfgang Jung: Auf zur Revolution?)

 

In Wien können wir uns und werden wir uns aktiv gegen den Stillstand einsetzen. Das haben wir bereits in der letzten Legislaturperiode mit unserem gemeinsam umgesetzten rot-grünen Projekt der Koppelung der gemeinsamen Wirtschaftsvergabe an Frauenförderung in den Betrieben, in Firmen, in Unternehmen getan und gezeigt. Dieses Projekt werden wir weiterhin ausbauen. Darauf sind wir sehr stolz. Das halten wir für eine sehr wirksame Maßnahme, und wir werden das weiter ausbauen.

 

Einige Dinge haben wir uns im Regierungsübereinkommen vorgenommen, die uns sehr freuen. Wir sind zufrieden mit diesem Abschluss, auch wenn wir einige Dinge nicht erreicht haben. Jetzt spreche ich kurz die negativen Dinge an, die wir nicht erreicht haben. Am meisten weh tut uns, dass wir keine wesentliche Erhöhung des Frauenbudgets erreicht haben. Das sehen wir auch so. Über 50 Prozent des Budgets geht in die sehr wichtige Aufrechterhaltung der Frauenhäuser in Wien. Das sind über 50 Prozent des Frauenbudgets in Wien. Wir halten das für eine Ausgabe, die die gesamte Gesellschaft zu tragen hat, und für keine spezifisch frauenfördernde Ausgabe, aber jedenfalls keine Ausgabe, die Frauen zugute kommt, sondern die gesellschaftliche Missstände und Gewalt abzufedern versucht und dadurch Frauen zu schützen versucht.

 

Das ist also keine Aufgabe, die das Frauenbudget aus unserer Sicht originär zu leisten hätte. Unser Vorschlag war also, entweder dieses Budget, diesen Anteil des Budgets aus dem Frauenbudget herauszunehmen, um das in der Höhe, wie es ist, beizubehalten oder eben das Frauenbudget entsprechend zu erhöhen. Wir werden daran weiterhin arbeiten. In den nächsten Budgets werden sich dieser Wunsch und diese Vorstellung von uns hoffentlich niederschlagen.

 

Zur Gleichstellung von Frauen auf dem Arbeitsmarkt haben wir uns einige weitere wirksame Dinge vorgenommen, nämlich die Selbstverpflichtung der Stadt Wien zur weitgehenden Einkommenstransparenz – das freut uns besonders –, ein Pilotprojekt zur Einkommensgerechtigkeit im Magistrat, eine offensive Umsetzung der 50-Prozent-Zielquote im Magistrat, die Stärkung der Förderung von Frauen am Arbeitsmarkt – selbstverständlich mit dem Ziel der Vollzeitbeschäftigung – und die Durchführung eines experimentellen Arbeitsmarktprojekts. Besonders widmen wollen wir uns auch Mädchen mit Migrationshintergrund am Arbeitsmarkt, die im nächsten Jahr besondere Berücksichtigung erfahren sollen.

 

Das sind nur einige Beispiele von vielen wirksamen und wichtigen Forderungen, die wir festgeschrieben haben. Wien hat in all diesen Bereichen Vorbildwirkung zu zeigen und wird es mit unserem Zutun in den nächsten Jahren auch tun. Wir wissen mit der SPÖ eine gute Partnerin in diesen Fragen an unserer Seite. Wir werden in Zukunft viele Dinge tatkräftig umsetzen. (Beifall bei den GRÜNEN.)

 

Ganz besonders viel liegt mir selbst am Aufbrechen von stereotypen Rollenbildern. Ich kämpfe für eine Stadt, in der jede Menge selbstbewusste Mädchen leben, die ihren Körper toll finden, die Berufswünschen abseits von Rollenklischee durchsetzen, die lieben, wen und wie sie wollen, die kritisch sind, die Nein sagen, die eingreifen,

 

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