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Gemeinderat, 53. Sitzung vom 24.11.2009, Wörtliches Protokoll  -  Seite 39 von 101

 

die Bewilligung kriegt, einmal nach Österreich zu ziehen und zu arbeiten, dann kommt das Nachziehen der Ehefrauen – zunächst einmal gar nicht vorhaben, in den Arbeitsmarkt zu gehen.

 

An dieser Stelle möchte ich mir schon noch eine kleine Anmerkung leisten zu dem, was Herr Klubobmann Schock von der FPÖ gestern gesagt hat. Er hat allen Ernstes Integrationswilligkeit gleichgesetzt mit Berufstätigkeit von Frauen. Das finde ich schon reichlich absurd, sei hier an dieser Stelle gesagt. Also im Umkehrschluss würde ich sagen, jede Frau, die dem Arbeitsmarkt einige Jahre lang fernbleibt, weil sie ihre Kinder zu Hause großzieht, ist als integrationsunwillig zu bezeichnen. Na, da würde aber ein beträchtlicher Teil der österreichischen Frauen ebenfalls als integrationsunwillig abzustempeln sein.

 

Denn, meine Damen und Herren, Sie sind es doch, die geradezu auf Kreuzzug sind, dass die finanzielle Möglichkeit geschaffen werden muss, dass Frauen sich das leisten können, sich einige Jahre lang aus dem Arbeitsmarkt zu verabschieden, um Kinder großzuziehen. Wir sind im Gegenzug diejenigen, die sagen, nein, ganz im Gegenteil, es muss ja Voraussetzungen geben, um möglichst viele Frauen zu ermutigen, finanziell auf eigenen Beinen zu stehen und schlussendlich die Wahl zu haben, möchte ich zu Hause bleiben bei meinen Kindern oder möchte ich berufstätig sein. In vielen Fällen muss man das aus finanziellen Gründen ja auch sein. Und einmal mehr: Genau in so einer Situation Integrationswilligkeit mit Berufstätigkeit gleichzusetzen, ist unfair, ist gemein und geradezu perfid. (Beifall bei den GRÜNEN und von GRin Nurten Yilmaz.)

 

Ich möchte dennoch jetzt zu dem zurückfinden, was mein eigentliches Thema ist. Einmal mehr: Ja, die Stadt sollte Begleitungs- und Orientierungskurse massiv ausbauen, weit besser ausgestalten, auch mit Anerkennung von mitgebrachten Qualifikationen nach kanadischem Vorbild, und diese im Übrigen allen Neuzuwanderern offen zur Verfügung stellen, auch denjenigen, die nicht aus Drittstaaten kommen, sondern auch aus Staaten der Europäischen Union. Denn wenn man sich anschaut, wie die Migration nach Wien in Zukunft sein wird, so wird man feststellen, dass die Migration aus Drittstaaten gegen null tendiert, wohingegen die Migration aus Ländern innerhalb der Europäischen Union zunimmt. Und das, was gut ist für die jemanden, der aus Indien nach Wien kommt, aus der Türkei nach Wien kommt, aus Serbien nach Wien kommt, ist genauso gut für jemanden, der aus Rumänien nach Wien kommt, aus Polen nach Wien kommt oder aus Russland nach Wien kommt. Und es ist in unserem Sinne, Menschen, die in Wien leben, egal, ob fünf Jahre lang, zehn Jahre lang oder ein Leben lang, einerseits die Möglichkeit zu geben, ausgezeichnet Deutsch zu lernen, zweitens das Gefühl zu geben, hier willkommen und erfolgreich gewesen zu sein. Denn das sind die Botschafterinnen und Botschafter, die wir morgen oder übermorgen in die Welt hinausschicken werden. Nicht jeder, der nach Wien kommt, hat ja auch vor, ein Leben lang in Wien zu bleiben, und nicht jeder, der nach Wien kommt, bleibt auch ein Leben lang in Wien.

 

Das ist die Art Integrationspolitik, die ich mir vorstellen würde und wofür ich gerne viel mehr Geld in die Hand nehmen würde, als es derzeit der Fall ist.

 

Lassen Sie mich einen zweiten Bereich ansprechen, den ich für ebenso wichtig innerhalb der Integrationspolitik halte, das ist das Kapitel Kinder und Jugendliche. Im Gegensatz zu Erwachsenen, die kommen und ein paar Jahre lang bleiben oder aber auch ein Leben lang – das zeigt sich oft auf dem Weg –, sind Kinder, die in Wien geboren werden und aufwachsen, die WienerInnen von morgen. Es sind Kinder, die in Wahrheit keine andere Heimatstadt kennen als Wien, Kinder, die hier die Chance hätten, ein Zuhause zu finden, die aber in jenem Herkunftsland, aus dem die Eltern stammen, ziemlich oft nur als Touristinnen und Touristen höchstens ein paar Monate jedes Jahr unterwegs sind, Kinder, die einen immensen Sprachenreichtum in die Wiener Schulen mitbringen, die aber auch ein zentrales Bedürfnis haben, nämlich die Möglichkeit zu haben, hervorragend Deutsch zu lernen, darüber hinaus auch in der eigenen Muttersprache eine Förderung zu bekommen, um einen bestmöglichen schulischen Erfolg für sich selbst zu erreichen, aber auch für die Zukunft der Stadt.

 

Es ist in unserem Sinne, dass die Wienerinnen und Wiener von morgen bestmöglich gebildet und bestmöglich qualifiziert sind. Und da, meine Damen und Herren – das habe ich bereits in der Generaldebatte gesagt und das möchte ich hier einmal mehr wiederholen – stecken unsere Anstrengungen noch in Kinderschuhen. Denn es kann nicht sein, dass in einer Stadt wie Wien Lehrerinnen und Lehrer massiv eingespart worden sind im vergangenen Jahrzehnt, es kann nicht sein, dass in einer Stadt wie Wien diese Einsparungen schlussendlich zu Lasten jener Maßnahmen ausgefallen sind, die Schülerinnen und Schülern mit Schwächen zugute kommen, und es kann nicht sein, dass man in einer Stadt wie Wien gerade auch dort spart, wo Kinder mit Migrationshintergrund eine besondere zusätzliche Förderung bräuchten, nicht nur – einmal mehr – im Sinne dieser Kinder, sondern einzig und allein deshalb, weil es die Hälfte aller Wiener Kinder ist und weil wir schauen müssen, dass alle Wiener Kinder bestmöglich gefördert werden in der Schule und schulischen Erfolg haben, weil wir wollen, dass die Wienerinnen und Wiener von morgen gescheit sind, gut sind am Arbeitsmarkt und die Chance haben, unsere Stadt, so wie wir sie kennen und lieben, weiter zu gestalten, weiterzuentwickeln und vorwärtszutreiben.

 

Aus diesem Grund, meine Damen und Herren, möchte ich mich einzig und allein nur auf diese zwei Bereiche beschränken, um einfach zu zeigen, dass bemühtes Reden allein, Wollen allein und Nettsein allein nicht ausreichen. Es braucht ganz klare Maßnahmen in diesem Bereich, die Geld kosten, das wir endlich in die Hand nehmen müssen, denn eine Stadt wie Wien hat es verdient, auch morgen und übermorgen und überübermorgen genau eine zu sein, auf die die ganze Welt schaut und sagt: Eine Superstadt, hier würde ich auch gerne leben!

 

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