Gemeinderat,
51. Sitzung vom 24.09.2009, Wörtliches Protokoll - Seite 73 von 83
hindern, ist in der österreichischen Rechtsordnung nicht verankert. Das
erklärt ja die Problemlage, die wir auch juristisch haben.
Das heißt, diese Gesetzeslücke ist sofort zu schließen. Ich sage,
sofort, weil das Problem akut ist. Ich glaube nur nicht daran! Selbst wenn sich
die SPÖ jetzt auch dafür einsetzt, dass diese französische Regelung auf
Bundesebene in Kraft tritt - ich glaube nicht daran, denn: Wenn ich mir die
jüngsten Aussagen aus der ÖVP zu dieser Thematik anschaue und die Aussagen von
Staatssekretärin Marek, die die Fristenregelung sogar noch verschärfen will,
indem sie eine Bedenkzeit einführen will, oder auf so abstruse Ideen kommt, wie
an alle Frauen, die einen Schwangerschaftstest kaufen, Broschüren zu verteilen,
an denen die Kirche mitgearbeitet hat, dann glaube ich, dass es in den nächsten
Monaten oder selbst in dieser Legislaturperiode auf Bundesebene zu keiner
entsprechenden Regelung, wie es sie in Frankreich gibt, kommen wird. Auch wenn
sich die Sozialdemokratie jetzt dafür einsetzt - und das glaube ich Ihnen
sogar, denn auch die Frauenministerin hat sich einige Male in dieser Frage zum
Teil auch sehr provokant geäußert, und das finden wir gut -, wir glauben nicht,
dass es in dieser Legislaturperiode zu diesem so wichtigen Gesetz kommt.
Das heißt, wir müssen alle Mittel ausschöpfen, die es in Wien gibt und
die Wien hat, um diesem Psychoterror ein sofortiges Ende zu setzen. (Beifall bei den GRÜNEN.)
Und Wien hat Möglichkeiten! Wir haben schon vor einigen Jahren darauf
hingewiesen und entsprechende Anträge eingebracht. Wien hat Möglichkeiten,
nämlich die Möglichkeit einer so genannten ortspolizeilichen Verordnung. Der
Antrag liegt Ihnen vor. Eine solche ortspolizeiliche Verordnung wird in vielen,
vielen anderen Fällen seit Jahren erlassen, ortspolizeiliche Verordnungen in
Wien sind nichts Neues. Der Bürgermeister kann eine ortspolizeiliche Verordnung
erlassen und kann damit bestimmte Handlungen verbieten oder sanktionieren. Das
kann er. Das Bundesrecht räumt ihm dies ein. Und zwar sagt die Bundesverfassung
in Artikel 118 Absatz 6, dass der Bürgermeister zur Abwehr beziehungsweise
Beseitigung der das örtliche Gemeinschaftsleben störenden Missstände eine
solche ortspolizeiliche Verordnung erlassen kann. Und nach Meinung von vielen,
vielen ExpertInnen - und wir GRÜNEN haben uns, anstatt uns mit Kardinal
Schönborn zu treffen, wirklich mit den ExpertInnen und mit den Betroffenen hier
im Rathaus an einen Runden Tisch gesetzt - ist diese ortspolizeiliche
Verordnung nicht nur möglich, sondern sie ist auch dringend und wünschenswert.
Und wir stellen heute den Antrag auf Erlassung dieser ortspolizeilichen
Verordnung.
Es gibt dazu den Vorschlag, der vom Verein österreichischer Juristinnen
ausgearbeitet ist, und wir haben uns mit diesem Vorschlag nicht leicht getan,
denn man kann natürlich auch Gegenargumente - wie auch damals im Zuge des
Landes-Sicherheitsgesetzes und im Zuge der Debatten über Schutzzonen - dagegen
vorbringen, weil man natürlich auch Bedenken dahin gehend anbringen kann: Was
bedeutet das für die Versammlungsfreiheit, für die Meinungsfreiheit, für die
Nutzung von öffentlichem Raum in dieser Stadt, der gerade uns GRÜNEN auch sehr,
sehr wichtig ist?
Aber der vorliegende Vorschlag der GRÜNEN ist hier eindeutig: Es soll
nicht pauschal ein Wegweiserecht oder Sanktionen oder gar ein Aufenthaltsverbot
geben, wie dies in manchen anderen Ländern der Fall ist, also pauschale
Schutzzonen oder Bannmeilen - das wollen wir nicht -, sondern wir wollen eine
ortspolizeiliche Verordnung, die klar benennt, um welche Gruppen von Menschen
es geht. Und das kann man juristisch nämlich: Für Menschen - so wie es auch in
Frankreich im entsprechenden Gesetz geregelt ist -, die Frauen an einem Schwangerschaftsabbruch
oder den nötigen Voruntersuchungen hindern wollen, für diese Gruppe von
Personen soll diese ortspolizeiliche Verordnung gelten. Es ist uns GRÜNEN
bewusst, dass dieses Instrument der ortspolizeilichen Verordnung ein
schwieriges und ein sensibles ist, dass es in Ermangelung zeitlich
realistischer anderer - auch besserer - Lösungen zustande kommt und dass wir
eben ausschließlich jene Handlungen, die das Recht auf ungehinderten Zugang zu
einem Schwangerschaftsabbruch verletzen, für einen möglichst kleinen, aber
dennoch möglichst handlungswirksamen Raum definieren wollen. Den Inhalt werde
ich Ihnen nicht noch einmal vorlesen, er wurde schon verlesen.
Ich hoffe nach wie vor auf die Zustimmung der SPÖ in dieser Frage. Es
gab in den letzten Wochen wieder sehr viele Lippenbekenntnisse über das Recht
der Frau auf Schwangerschaftsabbruch. Auch die Frauenministerin hat gesagt:
Jede Frau, die einen Schwangerschaftsabbruch vornehmen will/muss, wird von mir
geschützt! - Ich erhoffe mir ein Bekenntnis, wonach jede Frau auch von der
Politik - denn das ist unsere Aufgabe - in ihren Rechten geschützt wird, auch
von der Wiener Stadtregierung. Ja, das erfordert vielleicht einmal auch
politischen Mut, aber ich hoffe, dass Sie diesen politischen Mut haben, auch
wenn Sie rechtlich zweifeln, dass eine solche Verordnung hält. Wir haben in
anderen Fällen auch schon einmal mutige Wege gewählt, in der Frage des
kommunalen Wahlrechts zum Beispiel. Das heißt, auch hier könnte man es durchaus
darauf ankommen lassen, dass der Verfassungsgerichtshof die Notwendigkeit einer
solchen ortspolizeilichen Verordnung prüft.
Wir GRÜNEN wollen jedenfalls in dieser Frage nicht länger wegschauen.
Wir wollen und wir müssen - denn das ist unsere Aufgabe als PolitikerInnen,
egal, wie wir in diesem Haus zur Fristenregelung stehen - Frauen in dieser
Stadt vor Gewalt schützen. Und ich möchte, dass wir das heute tun. Das ist ein
wichtiges Signal, und es ist ein notwendiges Signal.
Ich möchte noch kurz zu einem anderen Antrag
Stellung nehmen, den mein Kollege Schreuder dann einbringen wird. Er betrifft
die Entkriminalisierung des Schwangerschaftsabbruchs. Es ist dies ein Antrag,
der sich an die Bundesregierung richtet. Denn was vielleicht viele von Ihnen in
diesem Haus nicht wissen, ist, dass
Stadt Wien | Geschäftsstelle Landtag, Gemeinderat, Landesregierung und Stadtsenat (Magistratsdirektion)
Kontaktformular