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Gemeinderat, 35. Sitzung vom 23.06.2008, Wörtliches Protokoll  -  Seite 121 von 126

 

mache. Sie verteidigen immer wieder mit blumigen Worten die „Kultur" in unserem Land. Sie untergraben mit Ihrer Brandstiftelei und Ihren persönlichen Angriffen die Kultur der Demokratie in diesem Haus. (Beifall bei der SPÖ. – GR Mag Wolfgang Jung: Gehen Sie auf das Glücksspiel ein, Herr Kollege!)

 

Vorsitzender GR Godwin Schuster: Als vorläufig vorletzter Redner für den heutigen Tag hat sich Herr StR Ellensohn gemeldet. Ich erteile ihm das Wort.

 

StR David Ellensohn: Herr Vorsitzender! Meine Damen und Herren!

 

Ein paar Sätze zum Kindergarten, die ich eigentlich nicht vorhatte, aber ich sage sie, denn die Sozialdemokratie darf sich nicht nur ständig im Vergleich sicher fühlen. Ja, in vielen Bundesländern am flachen Land, auch in Vorarlberg, wo ich aufgewachsen bin, wo es in der Gemeinde gar keinen Kindergarten gegeben hat, ist manches im Argen diesbezüglich.

 

Aber wenn Sie in Wien so tun, als ob es so sozial wäre, möchte ich nur eine ganz kleine Rechnung anstellen. Wenn Sie ein Haushaltseinkommen von 2 300 EUR haben, sind Sie in Wien Vollzahler. Ein Vollzahler und eine Vollzahlerin zahlt 270 EUR mit dem Essen. Das heißt, mehr als 10 Prozent Ihres Haushaltseinkommens gehen alleine für den Kindergarten drauf. Damit sind aber Ihre Kinderkosten nicht gedeckt. Wenn Sie ein bisschen mehr verdienen und zwei Kinder haben, also wenn Sie 2 700 EUR netto verdienen – nicht ganz – und zwei Kinder im Kindergarten haben, dann zahlen Sie 540 EUR für den Kindergarten. Das sind über 20 Prozent Ihres gesamten Haushaltseinkommens, das Sie für den Kindergarten ausgeben. Damit ist es aber nicht getan. Wir alle wissen das, die selber Kinder haben. Das heißt, Sie brauchen ungefähr 30 bis 35 Prozent alleine für die Kinder.

 

Und wenn Sie jetzt noch nehmen, was die Leute für die Wohnung zahlen müssen, dann wissen Sie, warum die Leute jammern und nicht wissen, wie sie ihre Rechnungen zahlen sollen, dann wissen Sie auch, warum jede zweite Familie mit mehr als zwei Kindern in Wien unter der Armutsgrenze lebt. Das ist einfach hoch! Das fängt einfach viel zu spät an. Wenn Sie schon eine Staffelung machen, dann müsste die Staffelung vielleicht bei uns allen greifen, aber das können Sie mir nicht einreden, dass Sie glauben, dass es eine soziale Meisterleistung der Sozialdemokratie ist, wenn zwei Leute, die beide arbeiten gehen und gemeinsam 2 700 EUR netto mit nach Hause bringen, über 20 Prozent für den Elternbeitrag für die zwei Kinder zahlen müssen.

 

Das brauchen Sie mir nicht einzureden. Deswegen muss man das Gute vom Wiener System, nämlich den besseren Deckungsgrad, die besseren Plätze, die besseren Öffnungszeiten mit dem kombinieren, was einzelne Bundesländer machen, nämlich mit der Kostenfreiheit. Deswegen werden die GRÜNEN weiterhin intensiv dafür kämpfen, dass der Kindergarten in Wien am Schluss kostenlos sein wird. (Beifall bei den GRÜNEN.)

 

Weil es gut zur Familie passt, ein paar Sätze zu dem Antrag der FPÖ, die heute einmal mehr einen Antrag eingebracht hat, der in Wirklichkeit zum Speiben ist, bei dem es um Eheverbote geht: Wenn man kurz googelt, wann immer es seit dem Römischen Reich Eheverbote gegeben hat, was alles schon verboten war, wer aller über die verschiedenen Jahrhunderte nicht heiraten durfte und wie sich die Gesellschaft weiterentwickelt und weiterentwickelt hat – die FPÖ ist ein bisschen früher stehen geblieben, aber irgendwann wird auch die FPÖ im 21. Jahrhundert ankommen –, sieht man: Früher haben Leute auf Grund verschiedener Religionen nicht heiraten dürfen. Noch ein bisschen früher, als man noch Feudalherrschaft gehabt hat – gar nicht so lange her, 19. Jahrhundert! –, wurde überhaupt erst die Zivilehe eingeführt. Da haben die unterschiedlichen Stände nicht heiraten dürfen! Das würde vielleicht dem einen oder anderen auch noch gefallen, aber das haben wir alles überwunden!

 

Gleiches mit Gleichem und Ungleiches mit Ungleichem! Das ist überhaupt einer der etwas weniger intelligenteren Sätze, die hier gefallen sind. Ungleich ist es auch, wenn zwei 20-Jährige heiraten, Mann und Frau, wenn zwei 60-Jährige heiraten – die haben nämlich meistens nicht mehr so einen ausgeprägten Kinderwunsch –, wenn zwei 85-Jährige heiraten, was ich immer sehr lieb finde, wenn ich es im Fernsehen sehe, wenn zwei Schwule oder zwei Lesben heiraten. All das ist ungleich. Es ist ungleich, wenn ein Holländer einen Rumänen oder ein Österreicher eine Holländerin heiratet.

 

Das ist alles ungleich, und all das wird in Zukunft so behandelt werden, wie es soll und wie wir es gelernt haben und wie wir alle dazugelernt haben. Verschiedene Parteien tun sich ein bisschen schwerer beim Lernen. Die FPÖ hat es bis jetzt nicht geschafft.

 

Ich glaube ganz fest daran, dass auch in Österreich am Ende Leute nicht danach beurteilt werden, welchem Stand, welcher Religion oder welchem Geschlecht sie angehören, wenn sie heiraten wollen, sondern dass sich zwei Leute einfach selber entscheiden müssen. Alexander van der Bellen hat das immer so formuliert: Was Heterosexuelle für Fehler machen dürfen, das sollen Homosexuelle auch machen dürfen. – Jeder ist selber schuld, genauso soll es sein. Marco Schreuder muss sich das so gut überlegen wie ich. Er ist verheiratet, ich bin verheiratet, wir sind beide glücklich. So soll es sein. (Heiterkeit bei GR Dipl-Ing Martin Margulies.)

 

Ein paar Sätze zur SchuldnerInnenberatung: Die ÖVP hat einen Antrag eingebracht, den wir selbstverständlich unterstützen. Seit Jahren gibt es ja Anträge in diesem Haus. Ich habe vorher kurz geblättert: Aus dem Jahr 2002 habe ich jetzt einmal einen auf die Schnelle gefunden; er wurde von Susi Jerusalem bezüglich des Ausbaus der SchuldnerInnenberatung eingebracht.

 

Auch heute noch gibt es dasselbe Problem: zu wenig Personal, nicht spezialisiert für Jugendliche, die jetzt eine der am stärksten zunehmenden Gruppen sind. Und was ich eigentlich einen Skandal finde: Man wird dort abgewiesen, wenn man einen Grund hat, warum man verschuldet ist, nämlich wenn man als Glücksspielsüchtiger hinkommt und sagt, man hat deswegen kein Geld mehr.

 

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