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Gemeinderat, 10. Sitzung vom 26.06.2006, Wörtliches Protokoll  -  Seite 102 von 118

 

Kollegin Frauenberger schon angesprochene Gender Budgeting, einen Prozess, den wir von Anfang an sehr unterstützt haben, wo die Stadt Wien wirklich eine Vorreiterin ist im Vergleich zu anderen Städten, wo es auch Ansätze zum Gender Budgeting gibt, weil es hier gelungen ist, wirklich den gesamten Budgetbereich dem Gender-Budgeting-Prozess zu unterziehen, in eigenen Teilbereichen, was wirklich ein großer Wurf ist, der da mit dem Voranschlag 2005 gelungen ist, und wir haben das auch sehr begrüßt und unterstützt.

 

Jetzt bemerken wir mit einiger Enttäuschung oder eigentlich mit großer Enttäuschung, dass der Ankündigung, im Rechnungsabschluss, im heurigen Rechnungsabschluss die Veränderungen beim Gender Budgeting darzustellen, nicht nachgekommen wurde. Wir vermissen in der Vorlage, die wir haben, ein Wort, überhaupt ein einzelnes Blatt nur zu Veränderungen im Gender Budgeting. Sie haben das angekündigt, wir hätten das sehr begrüßt, auch weil es, glaube ich, die Debatte in den einzelnen Geschäftsgruppen, auch in den Ausschüssen sehr angeregt hätte, inwiefern die Maßnahmen der einzelnen Geschäftsgruppen unterschiedliche Auswirkungen für Frauen und Männer haben. Und insbesondere hätten uns die Fragen interessiert, die wir beim Voranschlag 2005 an Sie gerichtet haben, nicht nur wir, sondern ich kann mich erinnern, auch meine Kollegin Feldmann hat zum Gender Budgeting zum Teil dieselben Fragen an Sie gerichtet, nämlich wie schaut's aus mit einem konkreten Zeitplan, welche Ziele gibt’s eigentlich in den einzelnen Geschäftsgruppen, wie beheben wir die Mängel an aussagekräftigen Daten, die doch im Voranschlag 2005 in einigen Geschäftsgruppen offensichtlich geworden sind, zum Beispiel im Bereich Sport, zum Beispiel im Bereich der internationalen Hilfsmaßnahmen, welche Bereiche werden von der Stadt Wien überhaupt als gender-relevant beurteilt und welche vielleicht nicht. Und wir haben auch sonst einige Kritik an dem Voranschlag 2005 geübt, zum Beispiel das Fehlen einer Analyse oder eines Berichts der Wiener Stadtwerke und auch der Dinge, die uns aufgefallen sind, ich glaube, mein Kollege Maresch hat das damals auch angesprochen, dass in der Geschäftsgruppe Umwelt die als gender-relevant genannten Maßnahmen ausschließlich Maßnahmen waren, die sich auf Kinder- und Jugendpolitik bezogen haben, mit der lapidaren Aussage, alles, was in Wien Kindern und Jugendlichen zugute kommt, kommt indirekt auch Frauen zugute, denn der Großteil der Familienarbeit wird von Frauen geleistet.

 

Das ist ein Ansatz, der zumindest diskussionswürdig ist. Ich denke, wir sollten beim Gender Budgeting wirklich einen kontinuierlichen Berichterstattungsprozess wählen, weil es dann für uns Abgeordnete leichter ist, beim Voranschlag die Maßnahmen, die vorgestellt werden, zu diskutieren, und beim Rechnungsabschluss die Veränderungen zu evaluieren, um dann im Voranschlag wiederum neue Maßnahmen zu diskutieren.

 

Meine Kollegen Martin Margulies und Alev Korun werden den Antrag einbringen: „Das zuständige Mitglied der Landesregierung möge dafür sorgen, dass die Entwicklungen des Gender-Budgeting-Prozesses sowohl im Budgetvoranschlag als auch im Rechnungsabschluss der Stadt Wien dargestellt werden.“ – Es ist dies ein Zuweisungsantrag.

 

Das nächste Thema betreffend den Bereich Arbeit und Einkommen, das uns sehr wichtig ist, habe ich schon kurz angesprochen. Wir haben in Wien im Frauenbereich nicht nur ein Qualifikationsproblem: Sie wissen sicherlich, dass die Hälfte aller arbeitslos gemeldeten Frauen nur einen Pflichtschulabschluss und weitere 13 Prozent gar keinen Schulabschluss haben. Wir haben aber auch ein soziales Problem: Die Zahl der Sozialhilfebezieherinnen in Wien ist seit 1997 um 200 Prozent gestiegen, und die durchschnittliche Sozialhilfe und Notstandshilfe und das durchschnittliche Arbeitslosengeld von Frauen in Wien liegen unter der Armutsgrenze von 800 EUR. – Wir haben also ein Qualifikationsproblem und ein soziales Problem. Armut ist weiblich.

 

Wir haben auch ein massives Einkommensproblem. Ich habe schon auf die zunehmenden Einkommensunterschiede hingewiesen, die es auf österreichischer Ebene gibt. Das Eurostat und auch die Europäische Kommission haben schon Veröffentlichungen betreffend die Lage in Österreich vorgenommen. – Was wir hier noch nicht diskutiert haben und ich Ihnen zur Kenntnis bringen möchte, meine Damen und Herren, sind die alarmierenden für Wien spezifischen Zahlen hinsichtlich der Einkommensnachteile von Frauen gegenüber Männern, und zwar in sämtlichen Wirtschaftsbereichen und in sämtlichen Altersgruppen.

 

Die Zahlen sind dem Statistischen Jahrbuch der Stadt Wien entnommen, kombiniert mit Eurostat-Zahlen und einem Rechnungshofbericht aus dem Jahr 2003.

 

Das mittlere Bruttogehalt eines männlichen Angestellten in Wien ist um sage und schreibe 41 Prozent höher als das mittlere Bruttogehalt von Frauen in Wien von 2 055 EUR. Das mittlere Bruttogehalt eines Arbeiters in Wien ist um 48 Prozent höher als das Bruttogehalt einer Arbeiterin in Wien. Auch bei den Reichsten sehen wir Einkommensunterschiede: Bei den Akademikern und Akademikerinnen besteht eine Differenz von satten 43 Prozent. Auch bei den Pensionisten und Pensionistinnen – das Problem ist nicht neu – betragen die Einkommensunterschiede 40 Prozent.

 

Interessant, aber auch sehr alarmierend, Frau Stadträtin, ist die Tatsache, dass selbst bei den Lehrlingen weibliche Lehrlinge in Wien im Vergleich zu männlichen Lehrlingen in Summe, statistisch gesehen, nur 82 Prozent der Lehrlingsentschädigung beziehen. Und auch zwischen Beamten und Beamtinnen gibt es einen eklatanten Einkommensunterschied: Im öffentlichen Dienst – also in Ihrem direkten Einflussbereich, Frau Stadträtin! – verdienen weibliche Beamtinnen im Schnitt nur 83 Prozent ihrer männlichen Kollegen.

 

In der politischen Debatte wird oft als Erklärung für die Einkommensunterschiede genannt, dass das auf die steigende Teilzeitbeschäftigung und die geringere Arbeitszeit von Frauen zurückzuführen sei. – Dem ist nicht so, wie unter anderem auch die Arbeiterkammer und das

 

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