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Gemeinderat, 2. Sitzung vom 01.12.2005, Wörtliches Protokoll  -  Seite 13 von 64

 

dem aktuellen ÖPNRV-Gesetz vor. Diese Reform würde eine Neuordnung der organisatorischen und finanziellen Grundlage für den öffentlichen Verkehr insgesamt bedeuten. Aus Sicht der Stadt Wien bedeutet das, dass der Bund der Kritik des Rechnungshofes begegnen möchte. – Es ist okay, wenn man die Kritik des Rechnungshofes ernst nimmt. Der Bund möchte aber, um dieser Kritik künftig zu entkommen und davon abzulenken, dass er seine Aufgaben bisher nicht beziehungsweise nicht ausreichend wahrgenommen hat, die Verantwortung und die Kompetenz auf die Länder abschieben.

 

Ich muss daher feststellen, dass ich vom Grundsatz her kein Problem damit habe, wenn man sagt: Die Länder machen es besser, überlassen wir das Thema den Ländern. Die Problematik ist nur, dass der Bund eben bisher seine Verantwortung nicht wahrgenommen hat, und zwar insbesondere in der Beziehung zu dem Unternehmen, das in seinem Eigentum steht, nämlich den Österreichischen Bundesbahnen, in welche Postbus und Bahnbus ja ebenfalls mit integriert sind.

 

Aus heutiger Sicht muss man also sagen: Die Republik Österreich und insbesondere das Verkehrsministerium und das Finanzministerium kommen ihren Verpflichtungen im öffentlichen Nah- und Regionalverkehr nicht nach. Hier ist man mit Maßnahmen säumig: Im gültigen Gesetz, im § 7 des ÖPNRVG 1999, steht, dass der Bund eine Garantie abgibt, dass der Fahrplan aus dem Jahre 1999/2000 im öffentlichen Personennah- und Regionalverkehr auch weiterhin dort durch den Bund finanziert wird, wo die Österreichischen Bundesbahnen nicht kostendeckend fahren.

 

Es steht auch in den Erläuterungen zu diesem Gesetz, dass – umgerechnet –64 Millionen EUR jährlich zur Co-Finanzierung zusätzlicher Verkehrsleistungen, welche die Länder oder Gemeinden bestellen, zur Verfügung gestellt werden. Dieser Wert war über lange Zeit hin einstellig, und für das heurige Jahr hat die Republik Österreich, das Verkehrsministerium, mitgeteilt, dass für Neubestellungen überhaupt keine Mittel mehr zur Verfügung stehen. – Hier besteht also eine Diskrepanz in der Größenordnung von etwa 55 Millionen EUR, die im Budget des Bundes einfach nicht verfügbar sind und daher auch nicht für den öffentlichen Personennah- und Regionalverkehr eingesetzt werden können. Jetzt sieht man vor, dass man diese Garantie, die für Wien das gesamte Schnellbahnnetz betrifft, zurücknimmt und den entsprechenden Betrag und gleichzeitig auch die Kompetenz den Ländern überträgt.

 

Ich frage mich – und das haben sich alle Landeshauptmänner gefragt –, wie man denn mit dieser Situation umgehen kann, dass dann an der Stadtgrenze beziehungsweise Landesgrenze von Wien auf einmal eine andere Rechtslage gilt und eine andere Finanzierung gefunden wird als innerhalb Wiens oder an der Grenze zwischen Niederösterreich und Burgenland, wo die Pendlerrelationen auch stark sind, oder zwischen Niederösterreich und Oberösterreich. Dazu gibt es viele Beispiele in den Bundesländern.

 

Zusammenfassend: Die Landeshauptmänner haben eindeutig festgehalten, dass sie mit diesem Vorschlag nicht zu Rande kommen würden, dass es Aufgabe des Bundes ist, für sein Unternehmen Österreichische Bundesbahnen entsprechend Sorge zu tragen, und dass er seine Verantwortung für den öffentlichen Personannah- und Regionalverkehr nicht so einfach abschieben kann.

 

Vorsitzender GR Rudolf Hundstorfer: Danke schön.

 

Die 1. Zusatzfrage kommt von Herrn GR Mahdalik.

 

GR Anton Mahdalik (Klub der Wiener Freiheitlichen): Sehr geehrter Herr Stadtrat!

 

Die geplante Verländerung von Kompetenzen bei der Reform des Nahverkehrsgesetzes könnte bei entsprechender finanzieller Dotierung eine Verbesserung der Situation Wiens hinsichtlich Entscheidungen und Kompetenzen im Nahverkehrsbereich bedeuten. – Das wäre hilfreich für die Position Wiens, wenn sich die Verantwortlichen nicht schon bei vergleichsweise einfachen Aufgaben wie den Grundstücksverhandlungen beim U-Bahn-Ausbau teilweise überfordert zeigen würden.

 

Daher meine Frage an Sie als amtsführenden Stadtrat für Stadtentwicklung und Verkehr: Was können und werden Sie in Ihrer Position tun, um eine entsprechend starke Verhandlungsposition bei den finanziellen Verhandlungen zwischen Wien und dem Bund sicherzustellen? Oder sind Sie grundsätzlich gegen mehr Kompetenzen und Gestaltungsmöglichkeiten bei entsprechender finanzieller Dotierung?

 

Vorsitzender GR Rudolf Hundstorfer: Bitte.

 

Amtsf StR Dipl Ing Rudolf Schicker: Ich kann Ihnen ergänzend dazu sagen, dass sich nicht nur die Landeshauptmännerkonferenz eindeutig gegen diesen Entwurf ausgesprochen hat, sondern auch die Landesfinanzreferenten das in sehr, sehr klaren Worten getan haben. Ich kann nur empfehlen, dass der Herr Vizekanzler und sein Staatssekretär sich von diesem Entwurf verabschieden und noch einmal nachdenken und gemeinsam mit den Ländern verhandeln, was bisher nicht erfolgt ist. Bisher wurden nur Länderexperten eingeladen, auch die Gespräche mit den Gemeinden zu führen. Die großen Städte wurden überhaupt nicht eingebunden, abgesehen von Wien in seiner Doppelrolle als Land und Stadt. Mein Kollege aus Graz, Herr Dipl Ing Rüsch, hat im Auftrag des Städtebundes ebenfalls massiv Protest eingelegt, dass diese Vorgangsweise nicht sinnvoll und zweckmäßig ist.

 

Ich denke, dass man bei Aufzeigen aller Problemlagen, die sich ergeben, auch zu einer ordentlichen Lösung kommen kann. Wir wehren uns nicht gegen Kompetenzerweiterungen für die Länder – keine Frage! –, wir sehen aber die Notwendigkeit, dass erstens die Mittel, die seinerzeit schon zugesagt wurden, auch wirklich zur Verfügung gestellt werden, und zwar valorisiert und entsprechend den neuen Gegebenheiten aufgestockt. Weiters muss eine entsprechend geordnete Situation im Rahmen des großen Verkehrsunternehmens der Republik Österreich, der Österreichischen Bundesbahnen, gegeben sein. Diese Zersplitterung in einzelne AGs, die in den Aufgabenbereichen der Bundesbahnen erfolgt ist, muss wieder zurückgenommen und dieses Unternehmen

 

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