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Gemeinderat, 44. Sitzung vom 28.06.2004, Wörtliches Protokoll  -  Seite 49 von 121

 

draufzuhaben, sondern einfach Interesse zu investieren, um daraus für unsere Stadt tatsächlich etwas hervorzubringen.

 

Herr Vizebürgermeister! Ich rufe Sie daher auf, endlich verstehen zu wollen, dass nur das freie Unternehmertum die Arbeitsplätze sichern kann und sonst niemand, dass nur gute Rahmenbedingungen freie Unternehmen schaffen und dass nur uneigennützige Politiker gute Rahmenbedingungen sichern. Es geht darum, endlich die Arbeitsplätze der Zukunft zu schaffen. Dann brauchen wir uns nachher hier nicht darüber zu streiten, wer daran schuld ist, dass die Arbeitsplätze weniger werden. Wir müssen sie schaffen, um das geht es! Besser Werden ist das Ziel, und nicht, darauf zu verharren, wer welchen Anteil daran hat, dass es in unserer Stadt mit den Arbeitsplätzen ständig bergab geht.

 

Es geht darum, Herr Vizebürgermeister, dass Sie endlich eine Entwicklungs- und Betreibergesellschaft vor Ort schaffen, die es tatsächlich unternimmt, hier Arbeitsplätze und eine Standortqualität hervorzubringen, die uns in Wien nützen wird. (Beifall bei der ÖVP.)

 

Vorsitzender GR Günther Reiter: Zum Wort gemeldet ist Herr GR Stark. Ich erteile es ihm.

 

GR Rudolf Stark (Klub der Wiener Freiheitlichen): Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Sehr geehrter Herr Vizebürgermeister! Meine sehr geehrten Damen und Herren!

 

Bei der Betrachtung der Wiener Wirtschaft im Hinblick auf die Arbeitsmarktpolitik ist leider festzustellen, dass Wien vom einstigen Spitzenplatz in ganz Österreich - das war 1975 - weit entfernt ist und auch im Jahr 2003, wie schon im Jahr 2002, auf dem letzten Platz liegt. Obwohl sich der Arbeitsmarkt in allen Bundesländern stabilisiert oder verbessert hat, wurde in Wien neuerlich ein Minus verzeichnet. Für 2004 rechnen Wirtschaftsforscher nicht nur mit einem weiteren Ansteigen der Arbeitslosigkeit in Wien, sondern, dadurch bedingt, auch mit einem Ansteigen der Sozialhilfeempfänger.

 

Vor allem bei größeren Betrieben gab es massiven Beschäftigungsabbau. Traditionelle Wiener Betriebe wie Augarten oder Ankerbrot mussten Insolvenz anmelden, andere Betriebe wie Inzersdorfer, Unilever, Siemens haben in den letzten Jahren tausende Arbeitsplätze an ihrem Wiener Standort abgebaut. Umso wichtiger, sehr geehrter Herr Vizebürgermeister, ist es daher, sich auch verstärkt um die Klein- und Mittelbetriebe in Wien zu kümmern, die ja nicht nur der eigentliche Motor der Wiener Wirtschaft sind, sondern auch der bedeutendste Arbeitgeber Wiens.

 

Ich darf noch einmal eine Studie der Universität Klagenfurt, die im Oktober des Vorjahres publiziert wurde, in Erinnerung rufen: "Unternehmensgründer schaffen 77 000 neue Jobs".

 

Aus dieser Studie: “Trotz vieler Einmannbetriebe sind Gründungen ein wichtiger Wirtschaftsmotor. Obwohl rund 85 Prozent der neuen Unternehmen Einzelfirmen sind, ist der tatsächliche Beschäftigungseffekt weit höher. So zählen jene knapp 28 000 Betriebe, die im Vorjahr entstanden sind," - mit Vorjahr war damals 2003 gemeint; das sind übrigens österreichweite Angaben - "heute 77 000 Beschäftigte." Im Schnitt kommen auf jeden Betrieb, den Gründer mit eingerechnet, drei Mitarbeiter. Unter Berücksichtigung der Folgeeffekte durch Schaffung von Arbeitsplätzen in Zulieferbetrieben sind es - nach dieser Studie - 6,8 Jobs pro Betrieb.

 

Einer Statistik über Unternehmensgründungen im Jahr 2003 kann man ebenfalls entnehmen, dass von den im Jahr 2003 neu gegründeten Unternehmen 83 Prozent nicht protokollierte Einzelunternehmen, also Kleinbetriebe waren. Aber auch wenn es sich bei diesen neu gegründeten Unternehmen überwiegend um Einmannbetriebe handelt, darf nicht übersehen werden - und diese Zahlen beziehen sich jetzt auf Wien -, dass die Anzahl von Arbeitgeberbetrieben, die 1 bis 49 Beschäftigte haben, fast 98 Prozent ist. Nur 2,3 Prozent der Wiener Betriebe beschäftigen mehr als 50 Dienstnehmer.

 

Sehr geehrter Herr Vizebürgermeister! Diese Zahlen rechtfertigen meine Forderung, sich nicht nur verstärkt um diese Betriebe zu kümmern, sondern diese auch verstärkt zu fördern und zu unterstützen. Ich darf diese Forderung im Zusammenhang mit der Eigenkapitalausstattung dieser Betriebe noch unterstreichen.

 

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe diese dramatischen Zahlen bereits bei der Budgetdebatte für das laufende Jahr 2004 erwähnt. Betriebe, die 10 bis 49 Dienstnehmer beschäftigen, haben ein durchschnittliches Eigenkapital von 13,9 Prozent, und Betriebe, die 1 bis 9 Dienstnehmer beschäftigen, haben überhaupt nur ein Eigenkapital von 2,2 Prozent. Aber, meine sehr geehrten Damen und Herren, was noch viel dramatischer ist: Von den Betrieben mit 1 bis 9 Dienstnehmern haben 53,5 Prozent ein negatives Eigenkapital, und bei den Betrieben mit 10 bis 49 Beschäftigten haben immerhin 34,5 Prozent ein negatives Eigenkapital. Das bedeutet, dass 88 Prozent dieser Betriebe überschuldet oder sogar Krisenbetriebe sind und somit vom Fremdkapital wie zum Beispiel Krediten et cetera abhängig sind. Hier, sehr geehrter Herr Vizebürgermeister, gilt es zu handeln, hier müsste Wien seine Betriebe unterstützen.

 

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Bundesregierung hat in diese Richtung bereits wesentliche Schritte unternommen. Mit der zweiten Etappe der Steuerreform 2004/2005 wurde eine beachtliche Entlastung der Steuerzahler verwirklicht. Das Volumen dieser zweiten Etappe soll über 2,5 Milliarden EUR betragen, meine sehr geehrten Damen und Herren! Unter Einbeziehung der ersten Etappe der Steuerreform in Höhe von 0,5 Milliarden EUR wird sich daher eine Gesamtentlastung von über 3 Milliarden EUR pro Jahr - das sind rund 40 Milliarden ATS - ergeben. (GR Friedrich Strobl: Ja, aber nicht für die Klein- und Mittelbetriebe!)

 

Ich werde es Ihnen sofort sagen - einige Details dazu: Ein Eckpfeiler dieser Reform ist eine Änderung des Einkommens- beziehungsweise Lohnsteuertarifes. Die in zwei Etappen, und zwar 2004 und 2005, angelegte Tarifreform bewirkt, dass alle Steuerpflichtigen entlastet werden. Der Schwerpunkt dieser Entlastungen wurde bei den kleinen und mittleren Einkünften gesetzt. Sehr

 

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