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Gemeinderat, 35. Sitzung vom 25.11.2003, Wörtliches Protokoll  -  Seite 9 von 120

 

Lebensweg. Eine ausführliche Laudatio zu seiner Person wird sicher zu einem anderen Zeitpunkt erfolgen. Danke schön. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und den GRÜNEN.)

 

Zu Wort gemeldet ist Frau GRin Mag Unterreiner. Ich erteile es ihr.

 

GRin Mag Heidemarie Unterreiner (Klub der Wiener Freiheitlichen): Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Sehr geehrter Herr Stadtrat!

 

Das letzte Mal nach Marboe sprechen – das lässt eigentlich sentimentale Gefühle hochkommen, Herr Stadtrat. (Heiterkeit.) Denn eines verbindet uns gewiss: Wir sind in den letzten Jahre gemeinsam ergraut, Herr Stadtrat. (Neuerliche Heiterkeit. – StR Dr Marboe: Vielleicht besteht da ein Zusammenhang!) Vielleicht besteht ein Zusammenhang, vielleicht.

 

Doch nun nach Ihren sehr schönen Worten – Sie sind ja ein sehr guter Redner – zurück zu den Niederungen des Kulturbudgets. 1,8 Prozent des Gesamtbudgets, 178 Millionen EUR für das Jahr 2004. Was sagt das aber? Es sind trockene Zahlen, und allein die Höhe eines Budgets sagt ja noch wenig aus über die Güte einer Kulturpolitik, denn es gibt wichtige Schwerpunkte, und nicht nur Geldströme definieren Kulturpolitik.

 

Kulturpolitik in Wien war und bleibt durch eine sehr enge Verwobenheit, eine sehr enge Verzahnung zwischen Macht und Kultur definiert. Macht und Kultur, Politik und Kultur, Parteipolitik und Kultur waren immer eng miteinander verwoben. Offen deklariert noch unter Pasterk. Sie können sich alle erinnern, es war ein richtiger Schlachtruf, mit dem sie in die verschiedenen Wahlkämpfe gegangen ist. Das Kulturressort ist das Ideologieressort sagte sie. Beinharte Kampfansage, offen ausgetragen.

 

Diese linke Kulturpolitik wurde nahtlos, ohne Risse und Brüche dann von Marboe fortgesetzt, es war bloß unter einem anderen Banner. Der Slogan hieß jetzt: Mehr Kultur in die Politik, weniger Politik in die Kultur. Wie sehr aber dieser Wahlspruch zu einer hohlen Formel wurde oder eine leere Worthülse war, bewies – Sie können sich wahrscheinlich alle daran erinnern – dieses erbärmliche Schauspiel der Schlingensief'schen Container-Politagitation. Damals, Sie können sich alle erinnern, hat er auf wirklich niedrigstem Niveau, mitten im Herzen Wiens, vor der Oper, ganz Österreich diffamiert und herabgewürdigt. Das war wirklich eine Schande für Wien. Das war auch eine Schande für Sie, Herr StR Marboe. (GRin Mag Marie Ringler: Das war doch gut!) Ja, aber ich gehe jetzt auf die Politagitation ein, und ich weiß nicht, waren Sie damals zu jung oder haben Sie das nicht miterlebt. (GRin Mag Marie Ringler: So jung bin ich auch nicht!) Aber ich nehme an, Sie haben sich damals sehr gefreut und haben da wahrscheinlich sehr gerne mitgemacht und haben das sehr genossen. Da gibt es eben verschiedene Ansichten, und das ist auch gut so in einer Demokratie. (GR Mag Christoph Chorherr: Wir schenken euch auch einmal einen Container! Den könnt ihr dann hinstellen, wo ihr wollt!)

 

Kultur ist ja eigentlich von niemandem so sehr missbraucht worden wie von Luc Bondy. Von allen Intendanten, die in den letzten Jahren gewirkt haben, angefangen von Wopmann in Bregenz über Salzburg bis hinüber zum Neusiedler See hat keiner der Intendanten seine Position so missbraucht wie Luc Bondy. Und der wurde von Marboe eingesetzt.

 

Doch es kommt noch dicker. Morgen soll ja wieder ein Wechsel ohne Risse und Brüche stattfinden. Wieder nahtlos, quasi über Nacht soll der Wechsel vom Politiker zum Kulturbetriebler stattfinden. Das soll beschlossen werden, und damit, meine sehr geehrten Damen und Herren, wird der Slogan von Marboe, weniger Politik in die Kultur, mit dem er ja landauf, landab jahrelang hausieren gegangen ist, zur fleischgewordenen ganz, ganz viel Politik in die Kultur. Und so wird das einzig Verdienstvolle, das gestern Dr Tschirf genannt hat – neben den Dreijahresverträgen, die ja eigentlich nur eine Fortführung der sozialistischen Kulturpolitik waren –, nämlich diese Entpolitisierung der Kulturpolitik eigentlich fast zu einem Treppenwitz der Rathausgeschichte. Das ist eigentlich traurig, es wird zum Hohn der Marboe'schen politischen Schwerpunktaussage.

 

Doch nun zu Ihnen, Herr StR Mailath-Pokorny, und Ihrer Verwobenheit zwischen Ihrem Amt als Kulturstadtrat und der eigenen Partei, den Interessen Ihrer Partei. Ich glaube, Sie haben selbst schon eine bittere Erfahrung machen müssen mit den beiden Intendantenbestellungen, die in Ihrer Amtszeit stattgefunden haben. Beide kamen ja aus dem Dunstkreis der Sozialdemokraten und beide haben sich als mehr als glücklos herausgestellt.

 

Da gab es das Rabenhofdebakel, ausgelöst eben durch diese Welunschek-Besetzung. Allein wenn man den Kontrollamtsbericht gelesen hat, sind einem ja schon fast die Haare zu Berge gestanden.

 

Und was jetzt die Josefstadt angeht, Herr Stadtrat, trauert man wirklich dem Wunsch des Ensembles nach. Sie können sich alle erinnern, da hat man sich damals Karlheinz Hackl gewünscht, aber es musste auch hier jemand aus der Szene sein. Und was ist jetzt geworden aus diesem Theater? Hans Haider hat es einmal Wiens Grundversorgungsanstalt auf dem Feld des großen Sprechtheaters genannt. Es war auf jeden Fall ein Theater, das von seinem Publikum geliebt wurde. Das Publikum hat dort das gefunden, was es gesucht hat. Es war halt das traditionelle Bildungstheater, wo man sich auch einmal amüsieren konnte, lachen konnte. Was wurde nun aus diesem Theater? Es wurde eine grelle, schrille Theatermaschine. Die Tradition des Hauses ist gebrochen. Der Publikumserfolg ist ausgeblieben.

 

Das waren einmal die zwei Intendanten. Eine dritte – in unseren Augen natürlich politische – Postenvergabe werden wir morgen beschließen. Diese Inthronisierung Marboe's ist ja eigentlich eine Krönung, und zwar wird ja morgen eigens für ihn eine Position geschaffen. Wir werden aber morgen noch darüber sprechen.

 

Man denkt sich, eine weitere Steigerung ist vielleicht gar nicht mehr möglich. Herr Mailath-Pokorny, Sie wissen, ich schätze viele Ihrer mutigen Schritte, was Reformen angeht, aber ich würde sagen, eine weitere Fehlbesetzung sollte nicht mehr passieren. Das wäre wirklich

 

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