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Gemeinderat, 26. Sitzung vom 28.03.2003, Wörtliches Protokoll  -  Seite 54 von 67

 

zwischenstaatlicher Ebene zu installieren über das Völkerrecht, über die UNO. Und das Wesen der Lösung besteht ja gerade darin, dass nicht der Ankläger gleichzeitig der Richter, gleichzeitig der Verteidiger und gleichzeitig der Exekutor sein kann.

 

Genau das ist im gegenständlichen Fall aber die Tatsache. Die USA sind alles zusammen. Und selbst den glühendsten USA-Befürwortern, deren es, was diesen Fall betrifft, und das sollte den USA zu denken geben, in Europa jetzt sehr, sehr wenige nur mehr gibt – das sage ich auch als jemand, der vieles an diesem Land geschätzt hat und nach wie vor schätzt –, sollte es zu denken geben, dass dieses Zusammenführen von Ankläger, Richter, Beweisführer, Exekutor jenseits der Rechtstaatlichkeit ist und die USA immer ihre Außenpolitik primär und nahezu ausschließlich für ihr eigenes Interesse eingesetzt haben und dass damit der UNO schwerster Schaden zugefügt wurde, dass damit – ich füge noch hinzu – auch der Politik grundsätzlich schwerster Schaden zugefügt wurde. Ich möchte das nur in einigen Punkten dokumentieren. Dazu gehört die Selbstverständlichkeit, wie zum Beispiel der Türkei signalisiert wurde: Wenn ihr einem Truppenaufmarsch zustimmt, bekommt ihr – ich habe die Zahl nur grob im Kopf –, ich glaube, 27 Milliarden Dollar an Wirtschaftshilfe. Oder 30 Milliarden Dollar. Wenn ihr dem Truppenaufmarsch nicht zustimmt, bekommt ihr sie nicht. Und auch die anderen Mitglieder im Sicherheitsrat wurden unverhohlen, auch in amerikanischen Medien dokumentiert, ganz schlicht vor die Alternative gestellt: Wollt ihr wirtschaftliche Hilfe, dann stimmt mit uns, sonst entziehen wir sie euch.

 

Was glauben viele Menschen? Politik ist prinzipiell korrupt. Politiker sind prinzipiell käuflich. Und die Art, wie das allein hier vorgeführt wurde, ist vielleicht nur ein Detail, aber ein ganz wesentliches.

 

Dass der Waffeninspektor Blix sich erst jüngst zu Wort gemeldet hat und gesagt hat, er wurde massiv unter Druck gesetzt von den USA, Ergebnisse zu liefern, die etwas rechtfertigen, von dem wir alle leider seit Monaten wissen, dass das ein Vorwand war, dass der Krieg vorbereitet wurde, und auch Bush hat ganz klar gesagt, letztendlich hoffen wir, dass die UNO dem zustimmt, und wenn die UNO dem nicht zustimmt, machen wir es trotzdem, ist ein weiterer Punkt, der in aller Schärfe kritisiert wird und möglicherweise nach – ja nach, nach was? –, nach einem möglicherweise sehr, sehr bitteren Erwachen für die USA und ihre wenigen Verbündeten vielleicht eine neue Bewertung internationaler Institutionen bringt.

 

Ich gehe aber noch weiter. Etwas gibt mir unglaublich zu denken. Ich habe vieles an den USA immer kritisiert, ich habe aber vieles immer sehr bewundert. Zum Beispiel das, was ich den "freedom-of-information-act" nenne, die Art, wie dort gegen ärgste Widerstände Transparenz und in einer gewissen Weise auch Öffentlichkeit gegeben war. Wie jetzt bei der Oscar-Übertragung, nur um ein Detail zu nennen, wo ein scharfer Kritiker der USA – übrigens ein Amerikaner –, der Michael Moore, den Oscar erhalten hat für den sehr sehenswerten Film "Bowling for Columbine", den ich Ihnen sehr ans Herz legen kann, der auch eine Seite von Amerika zeigt, die ich bewundere, dass es so einen Film gibt, dass so ein Film in den USA gemacht wird. Ich muss mich jetzt selber oft motivieren und sagen, was es an Innovationen, an Kraft in diesem Land gibt. Dass ausgerechnet in diesem Moment im amerikanischen Fernsehen, das immer von vorne bis hinten die Oscar-Verleihung übertragen hat, in dem Moment, wo Moore hinausgegangen ist, um Bush vehement zu kritisieren, im Kurzen ihn zu kritisieren, die Übertragung unterbrochen wurde. Aus aktuellem Anlass musste man in den Irak schalten. Dass die Zensur, die auf der ganzen Welt vorgeworfen wird – zu Recht – Ländern wie dem Irak, jetzt in den USA zur Selbstverständlichkeit wird. Sie gehen vorsichtig mit den Medien um. Der Herr Rumsfeld richtet aus, dass die, die gewisse Bilder bringen, dem Feind in die Hände spielen.

 

Dass alles das jetzt passieren kann, dass Bürgerrechte in einer Weise eingeschränkt werden – falls Sie es noch nicht wissen: Von jedem von Ihnen, der in ein Flugzeug in die USA steigt, wird automatisch von jeder Fluglinie nicht nur der Name, die Adresse und alle Visitkarten, sondern auch alle Daten, die die Fluglinie über Sie hat, den amerikanischen Geheimdiensten zur Verfügung gestellt werden. Das kann man alles nachlesen und da frage ich mich: Auf welchem Weg sind wir?

 

Nächster Punkt: Die Demokratisierung des Nahen Ostens. Ja, meine Damen und Herren, die ist dringend notwendig. Es ist schrecklich zu sehen, dass die Demokratie - und auf die Gründe kann ich jetzt nicht eingehen, aber nur das Faktum - in vielen arabischen Ländern mehr als entwicklungsfähig ist. Aber Demokratie herbei bomben - was wären die Konsequenzen? Ich möchte nur auf zwei denkbare Konsequenzen hinweisen, was Demokratisierung bedeuten kann, wenn man sie ernst nimmt. Wenn man sie ernst nimmt, kann es eine schiitische Regierung im Irak geben, wissend, wie die ethnischen Mehrheitsverhältnisse sind. Ob eine schiitische Mehrheitsregierung im Irak das ist, was sich die USA vorstellen, wage ich mehr als zu bezweifeln.

 

Wenn eine Demokratisierung stattfindet, dann wissen alle, die sich auch nur eine Spur mit dem Land beschäftigen, was das für den Norden des Iraks heißt. Das heißt, dass die Kurden endlich sagen werden, wir wollen unseren eigenen Staat. Das wird diese Region sicherlich stabilisieren, wenn die Türken sagen, ja genau, super, dass hier ein eigener Staat passiert. Was die Konsequenzen daraus sind, das sehen wir ja jetzt bereits, was kurz angedeutet wurde - ein Krieg im Krieg. Und der unglaubliche Zynismus war ja einmal mehr, dass der türkische Außenminister gesagt hat, die Zusage, im Irak einzumarschieren, war eine Zusage der USA als Gegenleistung für Überflugsgenehmigungen. Also was die Konsequenz daraus sein wird außer einem Zuspitzen des Pulverfasses Irak, das ist eine weitere Geschichte.

 

Ein letztes, und da schaue ich auf unsere eigene Geschichte. Hier gibt es zwei Exponenten, den Präsidenten der Vereinigten Staaten auf der einen und den Diktator

 

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