«  1  »

 

Gemeinderat, 6. Sitzung vom 25.10.2001, Wörtliches Protokoll  -  Seite 29 von 100

 

folgenden Besprechung kein Redner öfter als zweimal und mehr als insgesamt 20 Minuten sprechen darf. Ausgenommen von dieser Regelung sind der Bürgermeister und die zuständigen amtsführenden Stadträte. Deren Redezeit ist pro Wortmeldung mit 20 Minuten beschränkt.

 

Zur Besprechung der Mitteilung erteile ich Herrn GR Mag Chorherr das Wort.

 

GR Mag Christoph Chorherr (Grüner Klub im Rathaus): Herr Stadtrat! Meine Damen und Herren!

 

Sie haben diesen Masterplan jetzt zur Diskussion vorgelegt und ich möchte in einigen Punkten sehr präzise darauf eingehen.

 

Einer der für mich wesentlichsten Punkte gleich zu Beginn. Es wird auf die Ziele des Verkehrskonzepts verwiesen und darauf, dass sie mit diesem Verkehrsmasterplan präzisiert werden.

 

Ich komme auf das - aus meiner Sicht - Grundsatzziel des Verkehrskonzepts, und da Sie es - ich fürchte, wohlweislich - nicht erwähnt haben, möchte ich es noch einmal erwähnen. Das Verkehrskonzept hält Folgendes fest: Der Anteil des öffentlichen Verkehrs soll von 1990 37 Prozent auf 2010 45 Prozent steigen. Der motorisierte Individualverkehr soll von 37 Prozent 1990 auf 25 Prozent zurückgehen.

 

Herr Stadtrat, ich frage Sie: Gibt es einen Grund, dass sich dieses Ziel hier nicht mehr findet, oder gehe ich recht in der Annahme, dass insbesondere mit dem deutlichen Ausbau von Straßen, auf den ich noch eingehen werde, es aus Ihrer Sicht illusorisch ist, dieses Ziel zu erreichen? - Man kann sich nicht ein sehr ambitioniertes öffentliches Verkehrsausbauprogramm als Ziel vornehmen, den Autoverkehr reduzieren und gleichzeitig wie ein Wilder Autobahnen bauen. Das geht nicht zusammen! Also ich frage Sie und würde das wirklich sehr gerne wissen.

 

Wir haben nur mehr neun Jahre Zeit, zehn Jahre sind bereits vergangen, doch die Ziele heute im Jahr 2001 sehen in etwa so aus, dass der öffentliche Verkehr in Wien in Prozenten gleich geblieben ist und auch der Autoverkehr gleich geblieben ist. Wie wollen Sie in neun Jahren den motorisierten Individualverkehr von 37 Prozent auf 25 Prozent hinunterbekommen, wenn Sie die Ziele des Verkehrskonzepts weiter ernst nehmen? - Vor dieser Frage können Sie sich nicht drücken und ich erwarte eine klare Antwort.

 

Meine Grundthese, die ich gerade auch heute darlegen will, weil heute der Spatenstich zur B 301 stattfindet, der große Irrglaube, der sich auch in diesem Masterplan wieder findet, insbesondere, was die so genannte Umfahrungsstraße im Süden Wiens, aber vor allem auch die Nordostumfahrung bedeutet, ist Folgendes: Sie werden dadurch kaum - kaum bis nicht - Transitverkehr von der Tangente abziehen können, Sie werden aber einen massiven Siedlungsimpuls im Süden Wiens, einen massiven Siedlungsimpuls im Nordosten haben - das belegen Ihnen auch die Studien, die Sie selbst in Auftrag gegeben haben -, und Sie werden maßgeblich dazu beitragen, dass der Lokalverkehr in und um Wien weiter auf die Straße verlagert wird. Sie werden mit diesen Straßen das Geschäftesterben im Zentrum der Stadt weiter vorantreiben, Sie werden Shopping-Meilen am Rande der Stadt oder in Niederösterreich weiter vorantreiben, eine SCS-artige Funktion nach der anderen wird sich entlang dieser Straßen ansiedeln. Wir haben es bereits im Süden Wiens, Sie würden es, wenn es dazu kommt, auch hier forcieren. Dagegen - das sage ich heute bereits - wird es vehementen Widerstand von Seiten der GRÜNEN geben, und zwar genau aus Lebensqualitätsgründen. Es ist undenkbar, die Zahl der Einkaufszentren zu vervielfachen und gleichzeitig - das sage ich jetzt bewusst - scheinheilig die innerstädtische Nahversorgung aufrechtzuerhalten.

 

Man muss und man kann - ich werde im nächsten Punkt dazu kommen - den Transitverkehr bündeln, lenken und auch auf die Schiene verlagern, aber dazu kann man nicht ausgerechnet primär Autobahnen bauen. - Also erste Frage: Ziele des Verkehrskonzepts.

 

Zweitens lese ich auch mit Interesse - und dem ist ja nur zuzustimmen -, dass Sie bei der Ausgangslage schreiben, es gehe um die Reduktion klimawirksamer Emissionen. Ich gehe einmal davon aus, dass unter anderem CO2-Emissionen gemeint sind. Herr Stadtrat, Sie wissen, wie sich die CO2-Emissionen, insbesondere im Verkehr, verhalten. Nirgendwo wachsen die CO2-Emissionen stärker als im Verkehr. Auch in Wien. Mit diesem Programm, das sich primär auf den Straßenausbau konzentriert, werden die CO2-Emissionen noch stärker als in der Vergangenheit wachsen. Also was hier steht, es geht um die Reduktion klimawirksamer Emissionen, ist ein Quatsch. Sie werden nicht reduziert, sie werden weiter wachsen, und wenn sie reduziert werden, was mich ja sehr freuen würde, würde ich Sie bitten, zu argumentieren, in welcher Form Sie sich diese Reduktionen vorstellen.

 

Im dritten Punkt, der hier steht, wird richtigerweise die Zersiedelung angesprochen. Die Randwanderung von Bewohnern in das Wiener Umland hat sich in den letzten zehn Jahren dynamisch fortgesetzt. Ich habe ungern Recht in dieser Frage, aber ich prognostiziere hier und heute: Wenn diese Straßen realisiert werden, wird diese Randwanderung nicht reduziert werden, sondern die Zersiedelung der Stadt wird weiter voranschreiten. Sie setzen den Impuls zur weiteren Zersiedelung der Stadt Wien. Das ist der Punkt.

 

Wie die Alland-Autobahn die Zersiedelung des Wienerwalds mit sich gebracht hat, wird der weitere Ausbau von Straßen insbesondere dazu führen, dass sich die Leute, die sich in ihrem Verkehrsverhalten immer überlegen, wie viel Zeit sie fürs Pendeln in Anspruch nehmen wollen, immer mehr im Wiener Umland und noch weiter draußen ansiedeln, und die Zersiedelung wird weiter voranschreiten. Das ist ein grundlegender Fehler, ein Denkfehler, der leider bis heute nicht ausgeräumt wurde. Und da steht man alle zehn Jahre und sagt: Huch, schon wieder Einwohner verloren! Huch, schon wieder in das Umland abge

 

«  1  »

Verantwortlich für diese Seite:
Stadt Wien | Geschäftsstelle Landtag, Gemeinderat, Landesregierung und Stadtsenat (Magistratsdirektion)
Kontaktformular