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Gemeinderat, 40. Sitzung vom 25.06.2013, Wörtliches Protokoll  -  Seite 70 von 81

 

das wäre eine weitere freiwillige Leistung der Bundesländer, die Washingtoner Erklärung verpflichte aber den Bund zur Restaurierung und Erhaltung jüdischer Friedhöfe.“

 

Meine Damen und Herren, in der Zwischenzeit wurde vereinbart, dass 50 Prozent der Bund zahlt, 25 Prozent die Stadt Wien und 25 Prozent die IKG. Die Stadt Wien hat als Vorleistung sozusagen das Torwärterhaus aus historischen Gründen renovieren lassen, aber das, meine Damen und Herren, ist einfach zu wenig. Der Friedhof ist nach wie vor unzugänglich, die Gräber sind wirklich aus den Angeln geworfen.

 

Der Kollege Troch hat so besonders das jüdische Erbe hervorgehoben, er hat auch den Holocaust thematisiert und das Fest zum 8. Mai in dem Zusammenhang hier erwähnt. Ja, wir haben dort so viel Geld hinausgeschmissen, warum ist man in dieser Stadt nicht in der Lage, den Friedhof endlich zu sanieren. Ich weiß, es ist sicher viel Geld, das man hier in die Hand nehmen muss, aber tut endlich was! Auch wenn man sagt, es gibt schon wieder Geheimverhandlungen, das zeigt nur, dass zwischen 2005 und 2013 offensichtlich in dieser Stadt nichts weitergegangen ist, und diese Kulturschande, meine Damen und Herren, ist wirklich ein Skandal.

 

Ich kann nur abschließend mit meiner Kollegin Isabella Leeb sagen: Herr Stadtrat, tun Sie endlich was! Denn der Stillstand in dieser Stadt in manchen Dingen im Kulturbereich ist erbärmlich.

 

Wir werden dem Rechnungsabschluss nicht zustimmen. (Beifall bei der ÖVP.)

 

Vorsitzender GR Mag Dietbert Kowarik: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist der GR Dr Van der Bellen. Ich erteile ihm das Wort. Selbstausgesuchte Redezeit: 12 Minuten. Sie kennen das aus dem Parlament.

 

16.39.22

GR Dr Alexander Van der Bellen (Grüner Klub im Rathaus)|: Danke. – Herr Vorsitzender! Herr Stadtrat! Meine Damen und Herren!

 

Frau Leeb hat mit Recht darauf hingewiesen, dass in der Kultur – enge Kooperation ist vielleicht zu viel gesagt – der Bund jedenfalls sehr aktiv ist, speziell in Wien über die Oper, Burgtheater und so weiter. Da haben Sie natürlich vollkommen recht. Für den Wissenschaftsbereich gilt das erst recht. Wien sollte das als ungeheuren Standortvorteil sehen.

 

Ich habe mir einmal Berlin genauer angeschaut – das ist schon ein paar Jahre her –, und damals hat sich jedenfalls herausgestellt, dass – Berlin ist natürlich größer als Wien – pro Kopf gerechnet die Einnahmen, plus, minus 10 Prozent, durchaus ähnlich waren im vergleichbaren Rahmen. Der Unterschied liegt bei den Ausgaben. Berlin als Stadt und Land ist zuständig für die Berliner Universitäten, sehr viele Theater und so weiter. Also die sind im Grunde genommen in einem viel engeren finanziellen Korsett als Wien, möchte man meinen. Ich bin als Lobbyist sozusagen der Universitäten und außeruniversitären Institutionen immer ein bisschen in Sorge, dass Wien das zu selbstverständlich nimmt. Das ist Bundeskompetenz, der Bund ist hauptsächlich verantwortlich – das stimmt ja auch –, die Universitäten können nicht absiedeln oder jedenfalls nur sehr schwer – eine Universität ist nicht die VOEST, die teilweise nach Texas geht; das schaue ich mir an bei der Universität Wien oder anderen –, denn das kann zu einer Behaglichkeit, zu einer Bequemlichkeit führen, die sehr schlecht wäre. Aber ich glaube, das ist nicht der Fall, jedenfalls zunehmend nicht der Fall.

 

Gestern habe ich den neuen Wissenschaftsbericht der Stadt auf den Schreibtisch bekommen – vielleicht hat jemand von Ihnen schon Gelegenheit gehabt hineinzuschauen –, mit gewohnter Akribie von Prof Ehalt zusammengestellt. Ich möchte Sie nur auf zwei oder drei Dinge darin hinweisen. Ich fand eine Bemerkung sehr interessant im Vorwort von StR Mailath-Pokorny, nämlich gewissermaßen so Synergieeffekte zwischen Kultur und Wissenschaft. Auf den ersten Blick scheinen das ja vollkommen verschiedene Bereiche zu sein. Die Wissenschaft arbeitet analytisch, und Kunst und Kultur ist eher etwas Intuitiv-Assoziatives. Das stimmt aber nur auf den ersten Blick. Die großen Durchbrüche – dafür gibt es viele Beispiele, glaube ich, in der Mathematik und Physik – haben jedenfalls einen intuitiven Prozess zur Voraussetzung, erst dann kommt sozusagen das Analytische hinzu.

 

Was ich echt genial finde, ist der Titel des Vorworts von Bgm Häupl: „Wien: Eine angewandte Stadtuniversität.“ Das kann ich natürlich nur als Zielformulierung interpretieren und nicht als Beschreibung des Status quo, das ist schon klar, und ich glaube, Bgm Häupl hat es auch so gemeint, wenn er vom „erfolgreichen Weg Wiens zur Wissenschaftsstadt“ schreibt; also wir sind noch nicht ganz dort. Das halte ich für enorm wichtig, aus mindestens zwei Gründen.

 

Erstens: Es ist für jede Stadt gut – für eine Großstadt, wir leben ja nicht in einer Kreisstadt oder Provinzstadt –, es ist für jede Großstadt wichtig, im kulturellen Bereich, im wissenschaftlichen Forschungsbereich Anziehungskraft zu entfalten. Und die internationale Konkurrenz schläft auch nicht. Also München, Berlin, Barcelona und so weiter wären naheliegende Vergleichsorte.

 

Aber das Zweite ist die Entwicklung am Arbeitsmarkt. Die Kollegin Korosec hat gestern im Rahmen eines anderen Punktes mit Recht darauf hingewiesen, dass die Qualifikationsnachfrage am Arbeitsmarkt sich zunehmend auf eine tertiäre Ausbildung konzentriert und diese als Voraussetzung verlangt. Das kann man nur zwei Mal unterstreichen. Gerade in Österreich, wo wir diese etwas merkwürdige Dichotomie haben zwischen sehr gut positionierten Firmen in eher traditionellen Branchen, die aber bestimmte Nischen des Weltmarktes besetzt haben und sehr gut florieren, während sich gleichzeitig neue Unternehmen im universitätsnahen Bereich, im forschungsnahen Bereich entwickeln, die hohe Qualifikationen insbesondere in den Naturwissenschaften, aber nicht nur dort, voraussetzen. Dafür muss man natürlich vorsorgen.

 

Also wenn Sie das interessiert: Das WIFO hat dankenswerterweise das ganze Heft 2 von Ende Februar dieses Jahres dem Strukturwandel der Qualifikationsnachfrage der Wirtschaft, dem Stellenwert von Aus- und Weiterbildung und bestimmten hochschulpolitischen

 

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