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Gemeinderat, 40. Sitzung vom 25.06.2013, Wörtliches Protokoll  -  Seite 67 von 81

 

chen, aber die Dämonisierung des Bösen ist nicht die Lösung, sondern die Auseinandersetzung. Daher bin ich da im Wesentlichen bei einigen meiner Vorredner, und ich glaube nicht, dass das Heil in der Umbenennung von Straßennamen liegt, sondern auch in der Auseinandersetzung

 

Lueger hat hier eine Rolle gespielt. Wir haben ja mehrere Objekte, die den Namen Lueger tragen. Ich stehe zur Lueger-Kirche in Wien-Simmering – das ist ja bekannterweise mein Heimatbezirk –, wir haben auch einen Lueger-Platz, was ich nicht passend gefunden habe, war – das sage ich schon seit Jahren –, dass die Adresse, an der sich die Universität befindet, die Universität, die eine der großen Opferstätten der antijüdischen Säuberung der Nationalsozialisten war, den Namen eines bekannten Antisemiten trägt. Das habe ich höchst unpassend gefunden und das hätte nie zu einem Frieden in dieser für mich beklemmenden Situation geführt. Daher finde ich es weise, dass wir diesen Beschluss gefasst haben, der Universität diesen Namen in ihrer Adresse zu geben, den sie selbst trägt, nämlich den Universitätsring, so wie es in vielen Städten üblich ist, dass Orte auch den Namen ihrer Funktion tragen.

 

Also was ich mit Lueger sagen will, ist, dass hier eine differenzierte Sichtweise angebracht ist, und das hat Wien damit auch zum Ausdruck gebracht. Ein bewusster Umgang mit diesen Namen bedeutet aber auch, wo Sonne ist, da ist auch Schatten. Es gibt einfach ein paar belastete Namen, die wir uns dann genauer anschauen werden. Ich glaube, es wäre auch gescheit, wenn die politischen Akademien der Parteien Symposien machten, in denen sie sich damit auseinandersetzen und auf Sonne und Schatten einzelner Persönlichkeiten der Wiener Stadtgeschichte, der Geschichte unseres Landes verweisen.

 

Mein Vorredner, Kollege Ebinger von der FPÖ, hat gesagt, nichts umbenennen – mit etwas Schnaufen, so habe ich das interpretiert –, aber die FPÖ selbst hat sich ja hier schon artikuliert, dass eigentlich der Karl-Marx-Hof umbenannt werden sollte. Ich kann mich an diese Reden erinnern und nehme zur Kenntnis, dass Ebinger für die FPÖ hier einen Kurswechsel vollzogen hat: Keine Umbenennungen! Der Karl-Marx-Hof wird also diesen Namen weiter behalten. Ich denke mir, das passt auch zur Geschichte der Sozialpolitik, des sozialen Bewusstseins der Gegengesellschaft zu einem rein Manchester-kapitalistischen System. Da hat ja Karl Marx einiges geleistet, und das ist auch der Punkt, wo wir hier im Sozialpolitischen Verdienste von Karl Marx sehen.

 

Zur historischen Vorprüfung. Kollege Ebinger sagt, die historische Vorprüfung gibt es schon lange. Ich muss einmal sagen, oft nicht zur Freude der FPÖ gibt es diese historische Vorprüfung von Namen schon lange, denn einige Namen, die belastet waren aus den 40er Jahren, mussten hier aussortiert werden. Und dazu stehen wir auch.

 

Nun, ich darf heute einen Beschluss- und Resolutionsantrag einbringen betreffend Straßenbenennungen in Wien und darf diesen Antrag gleich übergeben. Beschluss- und Resolutionsantrag:

 

„Der amtsführende Stadtrat für Kultur und Wissenschaft wird ersucht, dafür Sorge zu tragen, dass ein Kriterienkatalog für Neubenennungen erstellt wird, dass aus der historischen Untersuchung der Wiener Straßennamen gewonnene Erkenntnisse als Grundlade für den künftigen Umgang mit historisch belasteten Namen von Verkehrsflächen in Wien und zu einer Absprache mit den zuständigen Bezirken herangezogen werden und bei künftigen personenbezogenen Verkehrsflächenbenennungen verstärkt weibliche Persönlichkeiten berücksichtigt werden mit dem Ziel, einen Gleichstand an weiblichen und männlichen Straßennamen zu erreichen.

 

In formeller Hinsicht beantrage ich die sofortige Abstimmung.“ (Beifall bei SPÖ und GRÜNEN.)

 

Ich freue mich, dass es gelungen ist, dass alle politischen Parteien hier in eine Richtung ziehen. Ich denke mir, hier einen gemeinsamen Weg zu finden, ist ganz einfach eine gute Geschichte.

 

Ich möchte nun an den Beginn meiner weiteren Ausführungen ein Zitat stellen, ein Zitat von Joseph Joubert, ein französischer Intellektueller, Essayist – Moralist hat man damals auch gesagt –, der um 1800 gelebt hat. Er sagt: „Abwesenheit muss man durch Erinnerung ergänzen. Das Gedächtnis ist der Spiegel, in dem wir die Abwesenden erblicken.“

 

Und die Abwesenden, von denen ich hier spreche, das sind vielfach jene Menschen, die in der Zeit des Holocaust vernichtet wurden, vertrieben, gedemütigt, vernichtet wurden; nicht nur Juden, aber vor allem Juden und Jüdinnen aus dieser Stadt. Daher ist dieses Thema jüdisches Erbe in Wien auch ein Anliegen der Erinnerungskultur dieser Stadt. Ich darf hier auf das Jewish Welcome Service verweisen, wo ja aktiv und in großem Umfang versucht wird, vertriebene Juden wieder nach Wien zu bringen, sie mit dieser Stadt auszusöhnen als hohes Ideal und auch ihre Nachkommen mit Wien wieder vertraut zu machen.

 

Der Problembegriff Wiedergutmachung ist hier nicht angebracht. Eine Wiedergutmachung gibt es nicht und kann es nicht geben gegenüber dem, was damals passiert ist, aber das Thematisieren und das Lernen aus dieser Geschichte ist ein hoher politischer und pädagogischer Anspruch.

 

Verweisen möchte ich auch auf den Leon Zelman Preis, den heuer der Verein Gedenkdienst erhalten hat, der sich einsetzt für die Überlebenden des Holocaust, für die Bewahrung ihrer Erfahrungsgeschichte und die Vermittlung und Weitergabe dessen an zukünftige Generationen. Das war ein Vorschlag unseres Kulturstadtrates Andi Mailath-Pokorny, und zu diesem Leon Zelman Preis und zur heurigen Entscheidung, ihn an den Verein Gedenkdienst zu übergeben, kann ich unserem Kulturstadtrat nur herzlich gratulieren.

 

Der 8. Mai, das Fest der Freude, der Befreiung, das ist hier schon gefallen. Man muss dazu sagen, Österreich ist eigentlich als Antithese zum Nationalsozialismus entstanden. Das heißt, die Zweite Republik ist diese Antithese, und dieses Fest mit den Symphonikern symbolisiert auch die Antithese zur Diktatur. Statt Diktatur wollen wir Demokratie und Zivilcourage, statt Rassismus

 

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