Jüdisches Vermögen, Versicherungen - Vermögensentzug in der NS-Zeit

Jüdisches Vermögen

Im März 1938 lebten in Österreich schätzungsweise über 200.000 Personen, die nach nationalsozialistischen Vorgaben als Jüdinnen und Juden verfolgt wurden. Diese verfügten über ein geschätztes Vermögen zwischen 1,842 und 2,9 Milliarden Reichsmark und besaßen zwischen 25.000 und 36.000 Betriebe. Einer etablierten großbürgerlichen und mittelständischen Schicht stand eine große Zahl relativ armer Jüdinnen und Juden gegenüber. Die meisten von ihnen waren um die Jahrhundertwende und während des Ersten Weltkrieges aus den östlichen Teilen der Monarchie zugewandert.

Mit der Verordnung über die Anmeldung des Vermögens von Jüdinnen und Juden vom 26. April 1938 wurden alle Jüdinnen und Juden sowie deren Ehemänner und -frauen verpflichtet, ihr gesamtes in- und ausländisches Vermögen und kapitalisiertes Einkommen zu bewerten. Vermögen über einem Wert von 5.000 Reichsmark musste angemeldet werden.

Die Vermögensentziehung erstreckte sich auf den gesamten Besitz - bis zum Hausrat der zuerst Zwangsumgesiedelten und dann Deportierten. Auf Grundlage der elften Verordnung zum Reichsbürgergesetz vom 25. November 1941 wurde das Vermögen sämtlicher ins Ausland vertriebener Jüdinnen und Juden für verfallen erklärt. Die letzten Habseligkeiten der Deportierten wurden in den Ghettos und Vernichtungslagern bis zur Verwertung der Goldzähne der Ermordeten systematisch geraubt. So kam es im NS-Regime zum Totalentzug jedweden jüdischen Vermögens.

Versicherungen

Jüdinnen und Juden waren gezwungen, Prämienzahlungen für ihre Lebensversicherungen einzustellen und Versicherungspolizzen zurück zu verkaufen. Gründe waren Berufsverbote, Existenzvernichtung und die Notwendigkeit, die für eine Ausreise erforderlichen finanziellen Mittel zu erhalten. Aus diesen Rückkäufen lukrierte die Versicherungswirtschaft Stornogewinne. Versicherungsbeiträge von "Emigrantinnen und Emigranten" wurden auf Sperrkonten überwiesen.

Die Pfändung von Kapitalversicherungspolizzen diente den Finanzämtern zur Abdeckung von (auch fiktiven) Steuerschulden der Jüdinnen und Juden. Der Rückkaufwert wurde in diesen Fällen an das Deutsche Reich geleistet.

Im Zuge des Novemberpogroms 1938 kam es zu einem Entzug von Glasbruch- und ähnlichen Versicherungen. Für beschädigte Wohnungseinrichtungen, zerstörte Geschäftsauslagen sowie Fenster und Inventar zerstörter Synagogen und Bethäuser konnten die jüdischen Versicherungsnehmerinnen und -nehmer keine Entschädigung aufgrund entsprechender Versicherungspolizzen erhalten. Obwohl auch diese Leistungen an das Deutsche Reich gezahlt werden mussten, wurden die eigentlichen Versicherungsnehmerinnen und -nehmer zu weiteren Zahlungen angehalten.

Als Folge der elften Verordnung zum Reichsbürgergesetz galten mit 31. Dezember 1941 alle jüdischen Versicherungspolizzen als beschlagnahmt. Dadurch wurde der Versicherungsschutz aller Jüdinnen und Juden aufgehoben.

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