6. Steuerungsstrukturen und -regelungen

6.1 Steuerungsstrukturen und -regelungen

Um unsere ambitionierten Klimaziele erreichen zu können, stehen uns Strategiedokumente und Klimainstrumente zur Verfügung.

Die Smart City Strategie Wien (SCSW) ist als Dachstrategie unser langfristiger, übergeordneter Orientierungsrahmen mit dem zentralen Anspruch, „hohe Lebensqualität für alle Wiener*innen bei größtmöglicher Ressourcenschonung durch soziale und technische Innovationen“ sicherzustellen und zu fördern.

Die in der Smart City Strategie Wien festgelegten Ziele aus den unterschiedlichsten Zielbereichen werden in den Fachstrategien und Programmen der Stadt Wien aufgegriffen, operationalisiert und mit geeigneten Umsetzungsmaßnahmen konkretisiert.

Eine derartige Konkretisierung für den Themenkomplex Klima stellt der Wiener Klimafahrplan dar. Er beschreibt unseren gemeinsamen Weg zur Erreichung der Wiener Klimaziele bis 20401 im Sinne eines klimagerechten Wiens. Im Klimafahrplan werden die prioritären Stoßrichtungen benannt und die wichtigsten umzusetzenden Maßnahmen(bündel) und erforderlichen Instrumente für Klimaschutz und Klimaanpassung angeführt. Im Zuge der Erstellung des Klimafahrplans wurde eigens eine breite Maßnahmensammlung angelegt. Hierin finden sich Maßnahmen für Klimaschutz und Klimaanpassung im Wirkungsbereich der Bundeshauptstadt, die von den Expert*innen der Abteilungen der Stadt Wien eingemeldet wurden. Der vorliegende Entwurf stellt kein abgeschlossenes Produkt dar. Vielmehr soll es laufend möglich sein, Maßnahmen zu ergänzen bzw. anzupassen. Damit ist der Klimafahrplan mit der Maßnahmensammlung auch das Bindeglied zwischen den Klimazielen der Stadt und dem zukünftigen Wiener Klimabudget.

Mit dem Wiener Klimabudget soll jährlich die Entscheidung darüber getroffen werden, welche klimarelevanten Maßnahmen und Instrumente im nächsten Kalender- bzw. Budgetjahr umzusetzen sind. Sofern erforderlich, soll auch deren budgetäre Bedeckung beschlossen werden. Der Klimabudgetprozess ist so gestaltet, dass zunächst eine Vielzahl an Maßnahmenvorschlägen hinreichend konkretisiert und nach verschiedenen Kriterien vorbewertet wird2, um die politisch zu treffenden Entscheidungen zu unterstützen. Ziel des Prozesses ist es, im jährlichen Wiener Klimabudget ausreichend viele bzw. wirkungsvolle Maßnahmen und Instrumente für Klimaschutz und Klimaanpassung festzulegen, um damit die Wiener Klimaziele3 erreichen zu können.

Neben der Steuerung des öffentlichen Budgets der Stadt sind die allgemeinen Rahmenbedingungen so anzupassen, dass auch Privatpersonen und Unternehmen klimaverträglich handeln. Entsprechende ordnungspolitische Vorgaben, Förderanreize, Subventionen, Abgaben, Gebühren, planungsrechtliche Instrumente, Kooperationsvereinbarungen, Informationen, Schulungen und bewusstseinsbildende Instrumente sind von EU, Bund und Land Wien auf den Weg zu bringen. Zudem sind die Zivilgesellschaft und die Wirtschaft für gemeinsame Anstrengungen zu gewinnen, um gemeinsam die Wiener Klimaziele erreichen zu können. Zentrale Stellschrauben sind in den einzelnen Kapiteln des Wiener Klimafahrplans dargestellt.

Schließlich sollen im Rahmen des Klimabudgets nationale und internationale Festlegungen und Maßnahmen gemonitort werden, um deren Effekt auf Wiener Ebene sichtbar zu machen und um sich gegenüber Bund und EU entsprechend positionieren zu können.

Abbildung 26: Die Wiener Klimagovernance – von der Smart City Strategie Wien bis zum Klimabudget; eigene Darstellung

Ergänzend zum Klimabudget wird das Pilotprojekt Wiener Klimateam initiiert. Dabei handelt es sich um einen innovativen Beteiligungsprozess, der insbesondere Projekte für ein klimaneutrales und klimaresilientes Wien sektoren- und themenübergreifend auf den Weg bringen soll: Alle Wiener*innen werden eingeladen, Projektideen für Klimaschutz und Klimaanpassung einzubringen. Gemeinsam mit der Verwaltung, der Stadt- und Bezirkspolitik arbeiten die Bürger*innen besonders vielversprechende Ideen aus. Die ausgearbeiteten Projektideen werden von einer repräsentativ gelosten Bürger*innen-Jury bewertet, im Rahmen eines Bürger*innen-Votings ausgewählt und bei Zustimmung finanziert und zur Umsetzung gebracht. Gestartet wird damit 2022 in den drei Pilotbezirken Margareten, Simmering und Ottakring.

Darüber hinaus soll der Wiener Klimacheck als Instrument der Wiener Klimapolitik zum Einsatz kommen. Damit sollen konkrete Projekte in einer frühen Planungsphase auf ihre Klimawirksamkeit hin bewertet werden. Darunter fallen etwa größere Planungs- und Bauvorhaben oder die Anpassung wesentlicher Rahmenbedingungen im Wirkungsbereich der Stadt. Der Klimacheck soll stufenweise und hinsichtlich des Aufwands verhältnismäßig aufgebaut sein. Eine detaillierte Bewertung, gegebenenfalls unter Einbeziehung externer Gutachten, wird nur für Projekte durchgeführt, bei denen wesentliche Klimaauswirkungen zu erwarten sind. Wien setzt sich gemeinsam mit den übrigen Bundesländern dafür ein, hierfür einen bundesweit einheitlichen Ansatz zu entwickeln.4

Für all die angesprochenen Strategien und Instrumente – Smart City Strategie Wien, Klimafahrplan, Klimabudget, Wiener Klimateam, Klimacheck, aber auch für klimarelevante Fachstrategien und -konzepte – braucht es regelmäßige Monitoring- und Evaluierungs­prozesse, um feststellen zu können, ob Wien seinen Pfad gemäß dem Klimafahrplan einhalten kann und wenn nicht, ob es an Maßnahmen im eigenen Wirkungsbereich oder an den Weichenstellungen auf Bundes- und EU-Ebene liegt. Dazu sind in vielen Bereichen qualitativ bessere und zeitnähere Datengrundlagen erforderlich, als sie heute zur Verfügung stehen. Darum wird sich das Monitoring und die Evaluierung zu Beginn vielfach auf quantitative und qualitative Einschätzungen beziehen müssen. Die Weiterentwicklung wird schrittweise und in Abstimmung mit den angesprochenen Klimainstrumenten erfolgen.

Einen weiteren wichtigen Pfeiler der Wiener Klimapolitik bildet der seit 2019 als Bera­t­ungs­gremium der Wiener Regierung installierte Wiener Klimarat. Dieser besteht aus Wissenschaftler*innen bzw. renommierten externen Fachexpert*innen, hochrangigen Mitarbeiter*innen der Stadt Wien und Vertreter*innen aus Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft. Der Wiener Klimarat hat die Aufgabe, Politik und Verwaltung der Stadt Wien bei der Entwicklung klimapolitischer Vorhaben zu beraten und wird als zentrale Stütze und Inputgeber auf dem Weg zur Klimametropole gesehen.

Verankert werden die angesprochenen klimarelevanten Zielsetzungen und Vorgaben, Begriffsbestimmungen, Instrumente und Governance-Strukturen im sogenannten Wiener Klimaschutzgesetz. Dieses befand sich zur Zeit der Erstellung des Klimafahrplans in Ausarbeitung.

Wie wirksam die Klimainstrumente sind, wird sich in ihrer praktischen Anwendung zeigen. Mit Anpassungen und Nachschärfungen ist jedenfalls zu rechnen. Immerhin entsteht die Governance-Struktur ebenso wie der Klimafahrplan selbst in der historisch wohl dynamischsten Phase der europäischen und österreichischen Klimapolitik.

Um auf diese Dynamik bestmöglich reagieren und gleichzeitig die im Klimafahrplan skizzierten Pfade umsetzen zu können, müssen die angesprochenen Klimainstrumente strategisch aufeinander abgestimmt werden. Dazu wurde im Herbst 2021 eine neue, die gesamte Stadtverwaltung umfassende Managementstruktur für Klima geschaffen. Durch eine beim neu bestellten Bereichsleiter für Klimaangelegenheiten angesiedelte Managementeinheit soll sichergestellt werden, dass Wiens Klimainstrumente und -maßnahmen in Zusammenarbeit mit den jeweiligen Dienststellen ressortübergreifend erarbeitet und koordiniert werden, um sie noch gezielter umsetzen zu können. Hiermit verbunden ist auch der permanente Informationsaustausch und die Vernetzung mit relevanten Stake­holder*innen sowie die Vertretung der Stadt Wien in Klimaangelegenheiten nach außen. Die neue Steuerungseinheit wird somit zur organisatorischen Drehscheibe und zum Impulsgeber für die ganzheitliche Betrachtung von Klimaschutz, Klimaanpassung und Kreislaufwirtschaft – verwaltungsintern, aber auch gegenüber der Politik, anderen Gebietskörperschaften und insbesondere den Bürger*innen.


Fußnoten

  1. Zum Monitoring des Zielerfüllungsgrads hinsichtlich Klimaneutralität bis 2040 wurden die leitzielrelevanten Emissionen aus der SCSW gewählt. Diese umfassen den Großteil der in Wien verursachten Treibhausgase, sparen jedoch einzelne Bereiche aus (siehe dazu Kapitel 4, 4.6 und 4.7). Sofern eine Weiterentwicklung der jetzigen Emissionsbilanzierung als sinnvoll erscheint, kann diese angepasst werden.

  2. Dazu zählt u. a. die Bewertung der erhobenen Maßnahmen nach Emissionseinsparungspotenzial, Klimaanpassungspotenzial, finanziellem Aufwand bzw. Einsparungen, aber auch im Hinblick auf weitere Co-Benefits wie soziale und ökologische Aspekte. Es können hier auch die Themen Kreislaufwirtschaft und Ressourceneinsatz berücksichtigt werden.

  3. Das Wiener Klimabudget orientiert sich an den emissionsbezogenen Zielvorgaben der Smart City Strategie Wien, allen voran an den Treibhausgasreduktionszielen bis 2030 (minus 55 Prozent pro Kopf ggü. 2005) und 2040 (Klimaneutralität) und an dem zur Klimaneutralität noch verbleibenden Treibhausgasbudget (60 Millionen Tonnen CO2-Äquivalent ab 2021). Darüber hinaus wird es möglich sein, alle Emissionen in Wien – d. h. auch den ETS-Bereich betreffend – zu monitoren. Dadurch kann die Gesamtheit der klimarelevanten Emissionen im Blick behalten werden, um auch Wünsche auf nationaler und europäischer Ebene treffsicher einbringen zu können.

  4. Ergebnis der Landesklimaschutz­referentenkonferenz 2021.