8.3 Potenzieller Nutzungsdruck
Mit dem Indikator „potenzieller Nutzungsdruck auf den öffentlichen Raum“ wird untersucht, wo ein hoher Nutzungsdruck in der Stadt eher gegeben ist und wo nicht. Je mehr Grünflächen in der Nachbarschaft zur Erholung und für Freizeitgestaltung öffentlich nutzbar sind, desto geringer ist der potenzielle soziale Nutzungsdruck. Dieser umfasst neben der Anzahl der BewohnerInnen in einem Gebiet auch soziale Faktoren, um beispielsweise abzubilden, wenn Menschen diesen gleichzeitig nutzen möchten (viel/flexible Tagesfreizeit), sie kleine Wohnungen zur Verfügung haben oder schlicht aufgrund geringer Einkommen nicht die Möglichkeit haben, mangelnden Grünraum durch Reisen oder Möglichkeiten zur kostenpflichtigen Freizeitgestaltung zu kompensieren. Einkommensdaten liegen auf der kleinräumlichen Ebene jedoch nicht vor, daher wurden hier die Arbeitslosenrate und der Anteil der BezieherInnen der Wiener Mindestsicherung als Annäherung herangezogen. Je höher Armutsindikatoren in der BewohnerInnenstruktur sind, desto größer ist der potenzielle Druck auf den öffentlichen Raum und die grüne Infrastruktur in diesen Gebieten.
Der Indikator zum potenziellen Nutzungsdruck zeigt, wo grüner Freiraum knapp ist und viele Menschen ihn besonders benötigen würden.
Im Vergleich zum letzten Integrationsmonitor konnte die Methode zur Berechnung des „potenziellen Nutzungsdrucks“ verbessert werden. Zum ersten Mal konnten mit dem „grünen RABEn“ (einer GIS-gestützten Verteil-Software) die vorhandenen und für die Erholung dienlichen Grünflächen in Relation zur Anzahl der BewohnerInnen in jedem Stadtgebiet gesetzt werden. Im Detail besteht das Messinstrument „potenzieller Nutzungsdruck auf den öffentlichen Raum“ aus den folgenden Elementen:
- Zunächst werden räumliche Konzentrationen der EinwohnerInnendichte (in EinwohnerInnen pro Hektar) erfasst und analysiert, inwieweit eine ausreichende Versorgung durch den vorhandenen Grün- und Erholungsraum gegeben ist.
- Dazu kommen der jeweilige Anteil von erwerbsarbeitslosen Menschen (in % der Erwerbspersonen) sowie der Anteil von BezieherInnen der Wiener Mindestsicherung (in % der BewohnerInnen insgesamt).
- Diese Daten werden durch eine räumliche Überlagerung zusammengeführt. Durch die Verknüpfung der mit Grünraum unterversorgten Gebiete auf Nachbarschaftsebene (EinwohnerInnendichte und Hektar Grünflächen), einer überdurchschnittlich hohen Arbeitslosenquote sowie eines hohen Anteils von EmpfängerInnen der Wiener Mindestsicherung wird der Indikator „potenzieller Nutzungsdruck“ errechnet.

Hoher potenzieller Nutzungsdruck ist vor allem in den eng verbauten und dicht bewohnten Gebieten aus der Gründerzeit sichtbar. Das sind Stadtteile, die überdurchschnittlich oft von zugewanderten WienerInnen bewohnt werden.
Die Karte in Abbildung 2 zeigt daher, in welchen Zählgebieten der Stadt Wien potenziell eine hohe Nutzungsdichte und höherer Handlungsbedarf gegeben ist, weil der grüne Freiraum (zugängliche Parks) knapp ist und viele Menschen den nutzbaren Freiraum besonders benötigen (dunkle Flächen in der Karte). Ein vergleichsweise hoher Nutzungsdruck wird vor allem in dicht bebauten Wohngebieten aus der Gründerzeit sowie in Gebieten mit einem hohen Anteil von WienerInnen mit ausländischer Herkunft sichtbar.
Werden die Ergebnisse mit dem letzten Integrationsmonitor aus dem Jahr 2017 verglichen, so wird an zahlreichen Stellen die durch die Einbeziehung der verfügbaren Grünräume verbesserte Methode sichtbar. So ist beispielsweise erkennbar, wie die Grünräume am Rand von Favoriten die Situation im inneren Teil des Bezirks abschwächen. Des Weiteren ist auch die auf den Indikator mildernde Wirkung der kleinen, aber flächenmäßig verteilten „Beserlparks“ westlich des Westgürtels sowie auch des Augartens in der Brigittenau sichtbar.
Überall dort, wo ein hoher Nutzungsdruck angezeigt wird, sollten Interventionen zu räumlichen oder sozialen Ausgleichsmaßnahmen geprüft werden, denn gerade hier hätten solche Maßnahmen auch einen sozialpolitischen Mehrwert und große Auswirkung auf viele BewohnerInnen. Beispielsweise kann die Stadt mit Fördergeldern impulsgebend oder unterstützend sein. Neben Investitionen in Begrünungsmaßnahmen und in den öffentlichen Raum finden sich auch in der Wohnbau-, Kultur- oder der Projektförderung wie beispielsweise den „Grätzloasen“ der Lokalen Agenda 21 viele Beispiele. Außerdem können Maßnahmen der Stadtentwicklung zur Transformation des Straßenraumes oder der Bezirkserneuerung neue Qualitäten zur Verbesserung der Situation schaffen.
Bevor räumliche Verbesserungen (Umbau in der Stadtstruktur) abgeleitet werden, gilt es, die Bedürfnisse der Menschen noch stärker zu hinterfragen: Viele kulturelle und soziale Angebote können zu „organisierter“ Begegnung führen. Will man die Nachbarschaft oder freiwillige, zufällige Begegnungen fördern, sind öffentliche und einladende Freiräume ein Schlüssel. Benachteiligte Menschen nutzen Parks seltener, doch gleichzeitig sind es genau diese benachteiligten Gruppen, die – wie bereits weiter oben gezeigt wurde – zusätzliche Freiräume verstärkt einfordern. Dies können je nach Lebensstil grüne Freiräume in Parkanlagen sein, jedoch genauso auch Verweilflächen im Verkehrsraum (zum Beispiel um Kioske). Freilich ist bei dieser Frage auch die Nähe zu Grünanlagen oder öffentlichen Freiräumen relevant. Hierbei sind gerade Personen aus innerstädtischen und eng verbauten Bezirken besonders unzufrieden.
Fußnoten
Zurück zu Referenz- Hierbei ist erwähnenswert, dass „privates“ Grün oder beispielsweise eine zeitlich eingeschränkte Nutzbarkeit (Schönbrunn oder Belvedere) nicht voll mitgewichtet wurde. Die Aussicht aus dem Fenster in einen begrünten Innenhof trägt zwar zur Lebensqualität bei, hilft jedoch zum Beispiel Jugendlichen, die sich am Abend konsumfrei in einer Clique treffen wollen, wenig.