Historischer Rückblick aus dem Jahr 1955

Zusammenfassungen von Meldungen der Rathauskorrespondenz

März 1955

März

1.3.1955: Der Säugling braucht Muttermilch - Eine Bitte der Frauenmilchsammelstelle

Im Jahre 1940 wurde die Frauenmilchsammelstelle der Stadt Wien gegründet, um der Säuglingssterblichkeit entgegenzuwirken. Die Frauenmilchsammelstelle in der Bastiengasse ist die einzige in Österreich, die im großen Stil aufgebaut ist. Sie hat seit ihrem Bestande schon vielen tausenden Säuglingen das Leben gerettet. Die Muttermilch ist für das Neugeborene, besonders aber für frühgeborene Kinder, in den ersten Lebenswochen lebenswichtig.

Die Arbeit der Frauenmilchsammelstelle besteht nun darin, die Milch von Müttern, die mehr haben als ihr eigenes Kind braucht, einzusammeln. Die Schwestern der Sammelstelle holen die Milch ab, die sodann mit den modernsten Apparaten auf das Sorgfältigste untersucht und sterilisiert wird. Gegen ärztliches Attest erhalten die Mütter, die ihre Kinder nicht selbst stillen können, sodann die für ihre Kinder notwendige Frauenmilch.

Die Anforderungen, die an die Frauenmilchsammelstelle gestellt werden, wachsen von Tag zu Tag. Sie ersucht daher dringendst alle Mütter, einen Überschuss der Sammelstelle gegen Bezahlung zu überlassen. Die Säuglingssterblichkeit kann dadurch weiter verringert werden.

1.3.1955: Direktor Rudolf Dechant gestorben

Der leitende Direktor der Zentralsparkasse der Gemeinde Wien, Rudolf Dechant, ist im 55. Lebensjahr verstorben.

In der Anglo-Bank mit dem Wesen der Geld- und Kreditgeschäfte vertraut geworden, konnte Rudolf Dechant bereits in der Arbeiterbank in leitender Stellung seine Kenntnisse und Erfahrungen verwerten. 1945 wurde Dechant mit der Leitung der Zentralsparkasse der Gemeinde Wien betraut. Dechant gelang es, das durch die Kriegs- und Nachkriegswirren stark in Mitleidenschaft gezogene Institut zu seiner heutigen Stellung im Geld- und Kreditwesen emporzuführen.

3.3.1955: Besuch englischer Fernsehleute in Wien

Eine Arbeitsgruppe der BBC-London hält sich gegenwärtig in Wien auf, um für die englischen Fernsehteilnehmer eine Sendung über unsere Stadt vorzubereiten. Man will den Eindruck, der durch reißerisch aufgemachte Publikationen wie "Der Dritte Mann" entstanden ist, korrigieren und ein Wien zeigen, das vielleicht weniger romantisch ist als das des "Third Man", aber dem tatsächlichen Bild unserer Stadt entspricht.

Kommentator in diesem Film ist der in England bekannte und überaus beliebte Fernsehstar Richard Dimbleby.

3.3.1955: Europas Fußballfunktionäre im Wiener Rathaus

Die Vizebürgermeister Honay und Weinberger haben heute im Wiener Rathaus die Delegierten des Kongresses der Union der europäischen Fußballverbände empfangen. Honay würdigte die Bedeutung des Kongresses der europäischen Fußballerprominenz, die nach einer 50-jährigen Unterbrechung wieder einmal in Wien zusammengekommen ist.

4.3.1955: Neue Gartenanlagen an der Alten Donau

Die städtischen Gärtner haben für das Frühjahr wieder ein umfangreiches Programm vorbereitet. Das Stadtgartenamt wird die Fortsetzung der gärtnerischen Umgestaltung an der Alten Donau in Angriff nehmen. Auf der Floridsdorfer Seite werden die brachliegenden Flächen zwischen der Nordbahn und dem Bruckhaufen in eine Parklandschaft mit Liegewiesen umgewandelt werden. Somit wird der Wasserpark am städtischen Angelibad vorbei bis zum Birnersteig reichen. Die gärtnerische Ausgestaltung des gegenüberliegenden Ufers wird mit der Befestigung und Bepflanzung der Böschungen fortgesetzt. Auch unterhalb der Kagraner Brücke wird ein weiteres Baulos begonnen, und zwar das Stadlauer Ufergelände gegenüber dem Gänsehäufelbad. Die Arbeiten an der Erweiterung der öffentlichen Gartenanlage entlang der Wagramer Straße und am Kaiserwasser werden heuer gleichfalls weitergeführt.

7.3.1955: Neue städtische Volksschule für die Leopoldstadt

Die im Jahre 1945 völlig kriegszerstörte Volksschule in Wien 2, Czerninplatz 3, wird nun von der Gemeinde Wien wieder aufgebaut. Der Wiederaufbau wird mit ca. 5 Millionen Schilling veranschlagt. Die neue städtische Schule wird nach den Plänen des Architekten Prof. Oswald Haerdtl gebaut.

8.3.1955: Neue Bauprojekte in den Wiener Hafenanlagen

Im Hafen Freudenau, der nach dem Beschluss des Wiener Gemeinderates zu einem Stückguthafen ausgebaut werden soll, wird nun im Rahmen der ersten Ausbaustufe ein Teil der neuen Ufereinfassung hergestellt werden. Für den Bau des ersten Bauabschnittes an der Freudenauer Kaianlage, der etwa 200 Meter lang sein wird, sind unter Voraussetzung eines 60-prozentigen Bundesbeitrages aufgrund des künftigen Hafenbautenförderungsgesetzes seitens der Gemeinde Wien acht Millionen Schilling vorgesehen. Errichtet wird auch ein Aufsichtsgebäude im Ölhafen Lobau, es handelt sich um ein Objekt, in dem auch die Hafenzollwache untergebracht werden wird.

11.3.1955: Günstige Entwicklung der städtischen Geräteaktionen

Das Interesse der Bevölkerung an den Geräteaktionen der Wiener Elektrizitäts-Werke und der Wiener Gaswerke hat auch in den beiden ersten Monaten dieses Jahres nicht nachgelassen. Es wurden insgesamt 3.713 verschiedene Geräte bestellt, 666 Installationsaufträge erteilt und 438 komplette Badezimmereinrichtungen in Auftrag gegeben. Wertmäßig entspricht dies einer Gesamtsumme von rund 12 Millionen Schilling.

11.3.1955: Aus dem Wiener Gemeinderat

Im Wiener Gemeinderat wurden u.a. folgende Anträge eingebracht und einstimmig angenommen:

Antrag auf höheres Pflegegeld für Pflegekinder der Gemeinde Wien; die Landaufenthaltsaktion für Dauerbefürsorgte der Gemeinde Wien wird erweitert sowie ein Antrag über die Baubewilligung für den unterirdischen Fußgängerdurchgang unter der Opernkreuzung.

12.3.1955: Ehrenmedaille der Stadt Wien für Rudolf Kaftan

Ehrenmedaille an Dir. Kaftan für seine Verdienste um das Uhrenmuseum

Anlässlich seines 85. Geburtstages und in Würdigung seiner besonderen Verdienste um das Uhrenmuseum der Stadt Wien wird Rudolf Kaftan die Ehrenmedaille der Bundeshauptstadt Wien verliehen.

12.3.1955: Trauer um Georg Schenker

Georg Schenker, Direktor der Wiener Symphoniker, verstarb überraschend im 46. Lebensjahr. Die Beisetzung der Urne wird auf dem Pötzleinsdorfer Friedhof im Familiengrab stattfinden.

12.3.1955: Die ersten Großraumwagen auf der Linie O

Die Wiener Verkehrsbetriebe haben bei den Lohner-Werken vorläufig 50 neue Großraumbeiwagen bestellt, die die Serienbezeichnung "C 2" tragen. Die ersten 12 Wagen werden nun auf der Linie O in Betrieb genommen. Diese vierachsigen Beiwagen fassen 97 Fahrgäste, sind mit besonderem Fahrkomfort ausgestattet und verfügen über Nutzstrom-Speicherheizung, Neon-Röhrenbeleuchtung, Durofol-Sitze und elektrisch betätigte automatische Doppelschwenktüren. Die Wagen sind für Fließverkehr mit festem Schaffnersitz, der übrigens auch einen neuen Geldwechsler-Apparat aufweisen wird, eingerichtet.

12.3.1955: "Ringturm" - der Name des Bürohochhauses

Der Wettbewerb um die Namensgebung für das neue Bürohochhaus am Schottenring wurde mit der Auslosung der geeignetsten Vorschläge beendet. Insgesamt wurden 6.502 Vorschläge eingesandt. Nach den Bestimmungen des Preisausschreibens wurden vorerst zehn Namen, und zwar City-Haus, Gutwill-Haus, Haus der Gegenseitigkeit, Hoch-Eck, Neues Hochhaus, Ringturm, Sonnblick-Haus, Versicherungs-Hochhaus, Vindobona-Haus, Weitblick-Haus, ausgewählt und mit Anerkennungspreisen von je 100 Schilling honoriert.

Als Name des Hochhauses wurde "Ringturm" bestimmt. Der Gewinner erhält ein Ehrenhonorar von 2.000 Schilling.

15.3.1955: Das Baumgartner Bad wird vergrößert

Durch die rege Bautätigkeit der Gemeinde Wien entlang des oberen Wientales ist der Besuch in den beiden städtischen Sommerbädern in Baumgarten und in Hütteldorf in den letzten Jahren stark gestiegen. Vor allem das Baumgartner Bad ist nach der Fertigstellung des Hugo Breitner-Hofes für die vielen neuen Badegäste zu klein geworden. Nun wird das Bad durch den Zubau von zwei Hallen mit 70 Kabinen und 135 Kästchen erweitert. Im städtischen Sommerbad in Hütteldorf wurden die Grünflächen vergrößert.

15.3.1955: Volksgarten wird "Volksgarten". Ein Übereinkommen zwischen der Gemeinde Wien und dem Bund

Auf Antrag des Amtsführenden Stadtrates für Bauangelegenheiten Thaller stimmte heute der Wiener Stadtsenat einem Übereinkommen zwischen der Gemeinde Wien und dem Bund zu, nach welchem der Volksgarten, die Goethegasse, die Hanuschgasse und die Augustinerbastei Beleuchtungsanlagen erhalten sollen. So wie bei dem Übereinkommen über die Beleuchtung im Bereiche der Hofburg und der Museen aus dem Jahre 1953 soll nunmehr auch auf den angeführten Grundflächen die Kosten der erstmaligen Herstellung der Beleuchtungsanlagen der Bund tragen, während die Stadtverwaltung die Kosten des laufenden Betriebes übernimmt. Die Gemeinde Wien wird für Stromkosten und für die Instandhaltung jährlich 52.000 Schilling aufbringen müssen. Der Bund übernimmt hiermit die Verpflichtung, alle erwähnten Verkehrs- und Erholungsflächen ständig und ununterbrochen zugänglich zu halten.

17.3.1955: Ambesser inszeniert "Vogelhändler" in Schönbrunn

Axel Ambesser mit C. Borchers

Der bekannte Autor, Regisseur und Schauspieler Axel Ambesser hat die Regie der Operette "die schöne Helene" von Jacques Offenbach übernommen, die im Mai in der Staatsoper in der Volksoper aufgeführt werden wird. Anschließend wird Ambesser die Operette "Der Vogelhändler" von Karl Zeller in der Aufführung der Volksoper, deren Inszenierung gleichfalls von ihm besorgt wurde, für die Freilichtbühne vor dem Schloss Schönbrunn einrichten.

17.3.1955: Bürgermeister Jonas empfing den Generaldirektor der Bundesbahnen

Generaldirektor der ÖBB, Dr. Schantl

Der neuernannte Generaldirektor der Österreichischen Bundesbahnen, Dr. Schantl, wurde heute von Bürgermeister Jonas im Rathaus empfangen.

19.3.1955: Japanerin als "Geisha" im Raimundtheater

Zu den Wiener Festwochen wird im Raimundtheater die Operette "Die Geisha" von Owen Hall und Harry Greenbank, deutsch von C. M. Roehr und Julius Freund, Musik von Sidney Jones aufgeführt.

Die Neubearbeitung des Textes und die Inszenierung besorgt Karl Farkas. Für die Titelrolle wurde Tomiko Kanazawa von der Oper in San Franzisko gewonnen. Die Rolle des Reginald Fairfax singt und spielt Erwin V. Gross. Die Komikerrollen wurden mit Fritz Imhoff als Wun Hi und mit Max Brod als Marquis Imari besetzt.

Zu den Wiener Festwochen werden somit an drei Bühnen, nämlich in der Volksoper, im Raimundtheater und auf der Freilichtbühne vor dem Schloss Schönbrunn, Operetten aufgeführt werden.

22.3.1955: Bagdad interessiert sich für Wien

Den immer stärker werdenden wirtschaftlichen Verbindungen Wiens mit den Ländern des Mittleren Ostens werden bald auch intensive Beziehungen auf dem Gebiete des Fremdenverkehrs folgen. Als Vorboten, der noch im heurigen Jahr zu erwartenden Besucher aus dem Irak, wurde im Wiener Rathaus eine Gruppe von Bagdader Reisefachleuten begrüßt. Die erste größere Reisegesellschaft aus dem Irak soll bereits zu Beginn der Festwochen in Wien eintreffen.

23.3.1955: 334 Infektionskrankheiten - kein Todesfall

Das Gesundheitsamt der Stadt Wien veröffentlicht den Bericht über die anzeigepflichtigen Infektionskrankheiten im Monat Februar. Danach wurden im Berichtsmonat u.a. 12 Diphtherie- und 217 Scharlacherkrankungen gemeldet (Vormonat 13, bzw. 212). Im Februar gab es vier Typhusfälle (Jänner sechs). Die Zahl der Keuchhustenerkrankungen betrug 98 (Vormonat 69). Weiters wurden zwei Kinderlähmungsfälle und eine Dysenterieerkrankung angezeigt. Unter den insgesamt 334 im Februar angezeigten Erkrankungen gab es keinen einzigen Todesfall.

In den Tbc-Fürsorgestellen wurde bei 1.644 Personen Tuberkulose (Vormonat 1.409) festgestellt.

25.3.1955: Gluck hat Glück. Sein Denkmal wird wieder aufgestellt

Wechselhafte Schicksale verbinden sich mit dem Denkmal für Christoph Willibald Ritter von Gluck, der 1787 in Wien starb. Nach dem Vorbild, das Bildhauer Krenner schuf und das im Musikvereinsgebäude zu sehen ist, meißelte Bildhauer Pilz die Statue Glucks aus weißem Marmor. Dieses Standbild wurde im Jahre 1938 vor dem Rathaus an Stelle der Statue von Sonnenfels aufgestellt, die den Nürnberger Rassegesetzen nicht entsprach. Während der Zeit der Naziherrschaft lehnte Sonnenfels in einem Hof des Wiener Rathauses. 1945 stellte man Sonnenfels wieder an seinen angestammten Platz. Gluck musste nun weichen und "wanderte" in ein städtisches Depot.

Nun soll aber auch das Standbild Christoph Willibald Ritter von Glucks wieder zu Ehren kommen. Der neue Aufstellungsort ist in einer kleinen Grünanlage im 4. Bezirk, Ecke Argentinierstraße und Kreuzherrengasse.

25.3.1955: Eröffnung der neuen städtischen Bücherei in Simmering

In Anwesenheit zahlreicher Festgäste wurde heute die zweite städtische Bücherei des 11. Bezirks in der Zippererstraße eröffnet und ihrer Bestimmung übergeben. Die Bücherei mit 3.500 Bänden ist in einem Gemeindebau untergebracht.

26.3.1955: "Oscar Straus-Park" in Hietzing

Der Gemeinderatsausschuss für Kultur und Volksbildung benannte die Gartenanlage 13, Hermesgasse - Wolkersbergenstraße nach dem Operettenkomponisten Oscar Straus. Die Anlage führt nun den Namen "Oscar Straus-Park". Der Schweizer Geschichtsschreiber Ägidius Tschudi wurde geehrt, indem die Gasse 4 in der Rittersporn-Siedlung im 22. Bezirk die Benennung "Tschudigasse" erhielt.

29.3.1955: Die erste Parkanlage am Handels-Kai

Von besonderer städtebaulicher Bedeutung ist die Errichtung einer Parkanlage am Handels-Kai. Der etwa 4.000 Quadratmeter große Grünstreifen, der oberhalb der Brücke der Roten Armee angelegt wird, kann als erster Schritt zur Verwirklichung des Projektes der Stadtverwaltung angesehen werden, nach dem das rechte Donauufer umgestaltet und somit Wien an seinen Strom nähergerückt werden soll.

29.3.1955: Figaros aus aller Welt im Wiener Rathaus

Teilnehmer am 8. Internationalen Preisfrisieren im Rathaus

Vizebürgermeister Honay empfing im Rathaus die Teilnehmer am 8. Internationalen Preisfrisieren, das unter starker in- und ausländischer Beteiligung in den letzten Tagen in Wien durchgeführt wurde.

29.3.1955: Landmann gewinnt in Paris Freiflug nach Wien

Aufgrund eines Preisausschreibens einer französischen Rundfunksendung "Das große Spiel der Reisenden", gewann ein französischer Landmann aus Cahors in Südfrankreich, Jean-Marie Couderc, den 1. Preis, der in einer Flugreise nach Wien und einem dreitägigen Freiaufenthalt in unserer Stadt besteht. Der 32-jährige Bauer hat während des Krieges als Fremdarbeiter Wien kennen gelernt.

31.3.1955: Alexander Moissi zum Gedenken

In Gedenken an den Schauspieler Alexander Moissi

Am 2. April wäre Alexander Moissi, einer der berühmtesten und erfolgreichsten Schauspieler seiner Zeit 75 Jahre alt geworden.

Ein gebürtiger Triestiner, hatte er es anfangs schwer, sich auf der Bühne durchzusetzen. Dies gelang ihm erst, als ihm Max Reinhardt am Deutschen Theater in Berlin eine Reihe großer Rollen anvertraute. In Wien trat der Künstler, dessen besondere Stärke die Darstellung tragischer Charaktere war, häufig im Deutschen Volkstheater auf. In Salzburg verkörperte er vor allem den Jedermann. Einzigartige Leistungen vollbrachte er auch als Interpret Tolstois. Bassermann übergab ihm den Iffland-Ring. Alexander Moissi starb am 22. März 1935 in Lugano, wo er begraben ist.

Hinweis: Die Fotos der Landesbildstelle/media wien befinden sich alle im Besitz des Wiener Stadt- und Landesarchives (MA 8).