Historischer Rückblick aus dem Jahr 1945

Zusammenfassungen von Meldungen der Rathauskorrespondenz

Februar

Donnerstag, 1. Februar 1945

Nach den Bombenabwürfen des Vortages sind viele Menschen im westlichen Stadtgebiet Wiens mit Aufräumungsarbeiten und der Suche nach Verschütteten beschäftigt. - Eltern werden aufgefordert, ihren Kindern "in diesen Wochen der rasch improvisierten Reisen und überfüllten Züge" einen selbstgebastelten Ausweis aus Schnur und Karton um den Hals zu hängen. - In der Urania werden an drei Nachmittagen der Woche Märchenfilme für Kinder gezeigt. Für Erwachsene läuft der Film "Sonne, Schi und Pulverschnee". - Der Schönbrunner Tiergarten ist beliebter Ausflugsort für Soldaten auf Fronturlaub, die ihre Frauen und Kinder ausführen wollen. Eine der wenigen verbliebenen Attraktionen ist ein Vogelhaus mit seltenen Exemplaren.

Freitag, 2. Februar 1945

"Sieh nochmals nach" lautet der Aufruf zum Volksopfer in den Zeitungen. Nun wird im besonderen Kinderwäsche "für die Kinder der aus den Ostgauen zurückgeführten" gesucht. Zugleich wird der Handel mit Säuglingswäsche aufgrund des Mangels streng nach Gebieten und Geburtenzahlen reglementiert. - Ein Mondkalender in der "Kleinen Wiener Kriegszeitung" informiert die Bevölkerung über die Mondphasen im Monat Februar. Der Hintergrund: nur in mondhellen Nächten ist der Ausgang ohne Taschenlampe möglich. - Autofahrer werden erneut an die Notwendigkeit einer Abblendvorrichtung erinnert. Diese soll zur Not behelfsmäßig selber hergestellt werden. - Die Schulferien werden bis Ende Februar verlängert. - Die Reichspost gibt bekannt, dass vorerst "gewöhnliche Briefe von jedermann nach jedem Ort" bis zu 20 Gramm wieder zugelassen sind. Private Einschreibebriefe sind bis auf weiteres gesperrt.

Samstag, 3. Februar 1945

"Nun fegt der eisige Schneesturm aus dem Osten schon tagelang in die Stellungen" berichtet die "Kleine Wiener Kriegszeitung" über die Panzerjagdkommandos des Volkssturms an der Ostfront. - Die Ernährungswirtschaft des Deutschen Reiches steht vor immer schwierigeren Problemen. Zum Mangel kommt die zum Teil zerstörte Infrastruktur. Logistische Probleme werden durch Arbeitskräftemangel verstärkt. In Wien darf kein frisches Brot verkauft werden, denn die Bäckereien sind verpflichtet, das frische Brot als Tagesration für Notfälle in Reserve zu halten. - Aufgrund des großen Bedarfes an Quartieren für Bombengeschädigte müssen die Wohnungen Umquartierter für Ausgebombte herangezogen werden, heißt es in einer Amtlichen Bekanntmachung. Auch eine Mahnung zur Steuerabfuhr wird amtlich bekanntgegeben. - Für die am 4. und 5. Februar stattfindenden Konzerte der Wiener Sängerknaben im Konzerthaus sind noch Karten erhältlich.

Sonntag, 4. Februar 1945

Die Namensliste der mehr als 600 durch Bombenabwürfe am 15. und 21. Jänner getöteten Menschen in Wien wird veröffentlicht. - Die Wiener Gauleiter Scharizer und Schneeberger erklären bei einer Versammlung vor Betriebsobmännern, dass "nur das verlangt werde, was die Not gebietet". - Betty Schrammel-Mitterhausen, Sängerin, Jodlerin, Schauspielerin, Mutter von 15 Kindern und in erster Ehe mit einem der berühmten "Schrammel-Brüder" verheiratet, feiert ihren 90. Geburtstag. - Ein zehnjähriger Schüler wird in der Blumauergasse von einem aus dem vierten Stockwerk herabfallenden Ziegelstein erschlagen. - Im Hotel Wimberger halten Bezirkssportvereine ein Radsportfest ab. Die Damen- und Herren-Radpolo-Turniere finden großen Anklang beim Publikum. - Auf der Hohen-Wand-Wiese gab es einen Torlauf für Männer und Frauen.

Montag, 5. Februar 1945

Ladenschlussanordnung für das Gebiet des Reichsgaues Wien: Ab sofort sind die Geschäftsräume der Färber, Chemischreiniger, Wäscher und Plätter, Photographen, Friseure, Schuhmacher, Damen- und Herrenschneider zwecks Einsparung von Beleuchtung und Beheizung bei Einbruch der Dunkelheit zu schließen. Aus demselben Grund können die "im Interesse der im Einsatz befindlichen Frauen" seit August 1944 auf 20 Uhr verlängerten Öffnungszeiten des Lebensmittelhandels nicht länger aufrechterhalten werden. - In Jalta am Schwarzen Meer beginnen die Beratungen von Stalin, Roosevelt und Churchill über die gemeinsamen Aktionen zur Beendigung des Krieges und über die Nachkriegsordnung Europas.

Dienstag, 6. Februar 1945

Die USA ziehen 50.000 Reservisten ein. - Mit Beginn der 72. Zuteilungsperiode ab 5. Februar wird der Wochensatz für Speisekartoffel um 1/2 Kilogramm herabgesetzt. - In der Zeit vom 20. Februar bis 5. April ermittelt die SA-Gruppe Donau in den diesjährigen Winterwehrkämpfen ihre besten Mannschaften im Geländelauf. In einem 10-Kilometer-Lauf sind Kopfscheiben zu treffen, natürliche Hindernisse zu nehmen und ein Handgranatenzielwerfen zu absolvieren. - Der deutsche Wehrmachtsbericht lobt den Pionier Justus Jürgensen, der die Oderbrücke bei Fürstenberg gesprengt hat und dafür mit dem Ritterkreuz ausgezeichnet wurde.

Mittwoch, 7. Februar 1945

In den Mittagsstunden wird Wien bombardiert. Es entstehen Personenverluste und Sachschaden. Getroffen werden hauptsächlich Wohnhäuser, in der Innenstadt historische Bauten und öffentliche Gebäude, unter anderem das Parlament und das Anatomische Institut. - Die Post-, Straßenbahn- oder Eisenbahnuniformen gefallener oder an der Front stehender Männer werden von Müttern und Ehefrauen zum Volksopfer gebracht. In den Nähstuben des BDM (Bund Deutscher Mädchen) werden die Kleidungsstücke in Volkssturmuniformen eingefärbt und ausgebessert. So konnten nach einigen Wochen des Volksopfers aus den Beständes des Kreises Schönbrunn, in dem der Festsaal der Kreisleitung in ein Magazin umgewandelt wurde, komplette Ausrüstungen für 180 Volkssturmmänner hergestellt werden, berichtet die "Kleine Wiener Kriegszeitung". - Täglich fordern Leuchtgasunfälle infolge der Gassperrstunden Todesopfer.

Donnerstag, 8. Februar 1945

In den Mittagsstunden erneut Bombenabwürfe auf Wiener Wohnviertel. - Der Milch-, Fett- und Eierwirtschaftsverband Donauland gibt bekannt, dass Milch nicht mehr pasteurisiert wird und daher in den Haushalten abgekocht werden muss. - In Budapest sind die Reste der deutschen Besatzung auf den Raum um die Burg zusammengedrängt. In der Herzegowina erleidet die Wehrmacht eine schwere Niederlage in einer der härtesten Schlachten des Balkankrieges.

Freitag, 9. Februar 1945

Ein russisches U-Boot versenkt in der Ostsee den deutschen Luxusdampfer "General Steuben" mit 2.000 Verwundeten, mehr als tausend Flüchtlingen und 400 Mann Besatzung. Nur etwa 300 Menschen werden gerettet. - In den von Bombenabwürfen betroffenen Wiener Bezirken graben Menschen im Schutt der Häuserruinen nach Verschütteten und nach ihrer Habe. Aufgrund des Andranges der Ausgebombten werden in der Hauptabteilung "Wohnungs- und Siedlungswesen" der Gemeindeverwaltung Wohnungsansuchen nichtbombengeschädigter "Volksgenossen" nicht mehr behandelt. - Personalmangel, Probleme im Reparatur- und Materialwesen, Schwierigkeiten bei der Stromversorgung und "feindliche Einwirkungen" erschweren die Einhaltung der Fahrpläne der Wiener Verkehrsbetriebe. So müssen etwa Straßenbahnhaltestellen immer wieder um einige Meter verlegt werden, weil die Abnützung durch Bremsen nicht mehr behoben wird. Die Straßenbahnen sind überfüllt, trotz Warnung ist "Trittbrettfahren" gang und gebe. Als Folge gibt es täglich Tote und Schwerverletzte durch "Abstreifen vom Trittbrett".

Samstag, 10. Februar 1945

Ein Ausbruchsversuch der deutschen Truppen in Budapest aus dem Kessel um die Budapester Burg scheitert. - Es ist nun nicht mehr möglich, dem Liebsten Zigaretten, ein paar gekochte Eier oder ein Stück Kuchen zu schicken, wie es viele Mütter und Frauen bisher getan haben: auch Feldpostsendungen dürfen nicht mehr schwerer als 20 Gramm sein. - Die neue Filmbühne am Währinger Gürtel - die umgewandelte Volksoper - wird mit dem Ufa-Farbfilm "Der Opfergang" eröffnet. Darin geht es nicht etwa um die soeben zu Ende gegangene Volksopfer-Sammlung, sondern um das Thema des Mannes zwischen zwei Frauen, erklärt die "Kleine Wiener Kriegszeitung". - Die Volksbildungsstätte Margareten in der Stöbergasse und die dort befindliche Urania-Kulturfilmbühne, das Auditorium Maximum der Universität und das Anatomische Institut werden bis auf weiteres für Kurse und Vorträge geschlossen. - In der Volksbildungsstätte Ottakring soll es einen Lichtbildvortrag über "Blütenbildung und Befruchtung der Obstbäume" von Anton Eipeldauer geben, der allerdings zwei Tage später ebenfalls "verschoben" wird.

Sonntag, 11. Februar 1945

In Jalta auf der Krim geht eine Konferenz der Alliierten zu Ende, an der Stalin, Churchill und Roosevelt teilnahmen. Dabei werden im wesentlichen die Nachkriegsgrenzen in Europa festgelegt. - Schwere Schlacht im Raum Breslau-Liegnitz. - Plünderer von bombengeschädigten Villen und Wohnhäusern werden vom Sondergericht Wien zum Tode verurteilt. - Wegen der Enge der Gänge und der Anzahl der "Besucher" dürfen Kinderwägen ab sofort nicht mehr in das Luftschutznetz, Katakomben und Tunnels mitgenommen werden, gibt der Polizeipräsident als örtlicher Luftschutzleiter bekannt. - Bei einer Tagung beraten Stadträte und Ortsbauernführer Maßnahmen für den Frühjahrsanbau bei Mangel an Betriebsmitteln und Arbeitskräften auf den Bauernhöfen.

Montag, 12. Februar 1945

Die Deutsche Wehrmacht sprengt die Rurtalsperre. Eine gewaltige Überschwemmung ist die Folge, tausende Zivilisten sterben. Der Vormarsch der amerikanischen und britischen Truppen kann dadurch nicht gebremst werden. - Aus Anlass der Fliegerangriffe erhalten die Wiener eine Sonderzuteilung von 10 Zigaretten auf Raucherkarten. - FLAK-Schießübungen werden für die kommenden Tage im Schusssektor Arenbergpark und Breitenlee angekündigt. Die Bewohner der Häuser in einem Umkreis von 300 Meter werden aufgefordert, während des Schießens die Fenster offenzuhalten, um Beschädigungen zu vermeiden.

Dienstag, 13. Februar 1945

Der Kampf um Budapest ist zu Ende, die letzten deutschen Soldaten kapitulieren. Im Kampf um Budapest verzeichnete die Deutsche Wehrmacht 49.000 Tote und 110.000 Gefangene. Die Zahl der sowjetischen Opfer ist nicht bekannt, war aber sicher sehr hoch, ebenso die Zahl der Opfer unter der Zivilbevölkerung. Budapest ist ein Trümmerhaufen. - Wiener Lebensmittelkartenbesitzer erhalten pro Kopf 250 g Zwiebeln und 1 kg holländische Rüben. Besitzer von Reichseierkarten müssen diese als Vormerkung bis 24. Februar vom Lebensmittelhändler abstempeln lassen. Zeitpunkt und Anzahl der zur Verteilung kommenden Eier werden noch verlautbart. - Passfotos werden zwecks Rohstoffersparnis normiert. So dürfen ab sofort bei Fotografen nur mehr "Normallichtbilder" in der Größe von 37 x 52 Millimeter angefordert werden.

Mittwoch, 14. Februar 1945

Die bis dahin vom Krieg kaum betroffene Stadt Dresden, die mit Flüchtlingen voll ist, erlebt zwei Tage lang den schwersten Luftangriff der Geschichte. Die Zahl der Opfer konnte nicht festgestellt werden, lag aber jedenfalls weit über 100.000. - In den Mittagsstunden werden wieder Bomben auf Wien abgeworfen, u.a. wird das Belvedere getroffen. - Die "Volksopfer-Sammlung" ist offiziell zu Ende - doch es wird weitergesammelt, nun unter dem Motto "Volktstreue heißt Pflicht erfüllen" für das Kriegswinterhilfswerk. - Die Ladenzeiten der Photographen, Friseure und Schuhmacher werden eingeschränkt.

Donnerstag, 15. Februar 1945

Die "Mühlviertler Hasenjagd" ist zu Ende. Von 400 sowjetischen Kriegsgefangenen, die aus dem KZ-Mauthausen ausgebrochen waren, wurden von der SS unter Mithilfe eines Teiles der Bevölkerung etwa die Hälfte erschossen oder erschlagen, die meisten anderen gefangen. Sie wurden im Freien gefesselt und so lange mit kaltem Wasser angeschüttet, bis sie tot waren. - Zehn Männern gelang die Flucht. Sie wurden von Mühlviertler Bauern versteckt und überlebten so den Krieg. - In den Mittagsstunden werden Bomben auf Wien abgeworfen. Es entstehen Personenverluste und Sachschäden in den äußeren Bezirken. Mittlerweile sind die ärgsten Schäden an der Universität notdürftig behoben, so dass die Vorlesungen wieder aufgenommen werden können. Das Robert-Koch-Krankenhaus und das Favoritner Kinderspital (so hießen in jener Zeit das Franz-Josefs-Spital und das Preyer'sche Kinderspital) hingegen werden wegen Bombenschäden geschlossen. Die Hauptabteilung für Gesundheitswesen und Volkswesen der Gemeindeverwaltung des Reichsgaues Wien weist die Kranken in Anstalten in "Niederdonau", ein. - Für den kommenden Sonntag werden Wasserballspiele im Dianabad angekündigt. Die Wiener Basketballer, darunter die "Hitlerjungen des Postsportvereins und des Deutschen Turnerbundes" Floridsdorf kämpfen um den Landesmeistertitel.

Freitag, 16. Februar 1945

Die Zeitungen berichten über eine neue "Wunderwaffe", den "Schnorchel", der es U-Booten ermöglichen soll, zehn Wochen unter Wasser zu bleiben. - Alle "Jungen und Mädel", die sich nicht im kriegswichtigen Arbeitseinsatz oder im Kriegsdienst befinden, werden von der Gebietsführung der HJ Wien zur Beseitigung der Luftkriegsschäden herangezogen. - Zu zwei Jahren Zuchthaus wegen Verbrechens nach der Wehrkraftschutzverordnung wird eine 34jährige Wienerin, Mutter eines Kindes, verurteilt, weil sie während des Fronteinsatzes ihres Mannes mit einem Kriegsgefangenen ein ehebrecherisches Verhältnis unterhalten hat. - Auf Gemüse-Karten sind Zwiebeln, Rüben und Essiggemüse erhältlich. - Infolge Bombenschäden an den Aufbahrungshallen des Wiener Zentralfriedhofes können dort keine Beerdigungen mehr vorgenommen werden.

Samstag, 17. Februar 1945

"Herrliche Hitlerjugend" titelt die "Kleine Wiener Kriegszeitung" einen Bericht über die Verleihung von hohen Orden an sechzehnjährige Soldaten. - Goethes Wohn- und Sterbehaus in Weimar wird von Bomben zerstört. -Die Rote Armee erobert Posen. - Als letztes lateinamerikanisches Land erklärte Venezuela den Krieg gegen Deutschland und Japan.

Sonntag, 18. Februar 1945

Verbraucher erhalten für ihre Lebensmittelkarten statt einem Halben Kilo Brot ein Viertel Kilo Fleisch. - "Der höllische Luftballon" heißt die Kindervorstellung in der Wiener Marionettenbühne Währinger Straße 12. - Die Wintermantel-Austauschstelle in der Stiftgasse wird geschlossen. - Schon den dritten Tag gibt es mehrstündigen Fliegeralarm, den die Menschen in Kellern verbringen müssen, aber es fallen keine Bomben.

Montag, 19. Februar 1945

Wieder ein schwerer Luftangriff auf Wien, wobei vor allem Favoriten, Meidling und Hietzing betroffen sind. Auch auf Schloss und Tiergarten Schönbrunn fallen Bomben. Alle Bahngebäude Wiens sind zerstört oder schwer beschädigt. In Hütteldorf wird ein alter Weinkeller, der als Luftschutzraum dient, von Bomben getroffen. Viele Menschen sind tot.

Dienstag, 20. Februar 1945

In den Mittagsstunden Bomben auf Wien. - Der Luftangriff hat zur Folge, dass der Großteil Wiens vom Vormittag bis in den späten Abend, Teile der Stadt Wien auch noch weitere Tage ohne Gas und Strom sind. - Erstmals tauchen einzelne Tiefflieger über der Stadt auf, die auf alles schießen, was sich bewegt. Die deutsche Fliegerabwehr ist praktisch nicht mehr vorhanden. - Die Zeitungen melden die Programme von 120 Kinos, aber wegen Bombenschäden oder Strommangel spielt keines mehr.

Mittwoch, 21. Februar 1945

Wieder ein schwerer Luftangriff, bei dem außer Favoriten und Simmering neuerlich Schönbrunn sowie der 1. und der 6. Bezirk besonders betroffen sind. U.a. werden das Rathaus und die Universität schwer, das Burgtheater und die Votivkirche geringer beschädigt. Die Beförderung von Paketen, mit Ausnahme von Arzneimitteln wird eingestellt. - Das Kinderspital im 9. Bezirk wird wieder eröffnet.

Donnerstag, 22. Februar 1945

Seit Kriegsbeginn veröffentlichen die Zeitungen keinen Wetterbericht, der als militärische Geheimsache gilt. Vor allem sollen damit die feindlichen Luftstreitkräfte keine Anhaltspunkte bekommen. Den geheim gehaltenen Aufzeichnungen der Meteorologen ist zu entnehmen, dass der Februar 1945 sehr kalt und schneereich war. Der Großteil Wiens ist auch am eiskalten 22. Februar ohne Gas und Strom. In vielen Haushalten gibt es als einzige Heiz- und Kochmöglichkeit kleine eiserne Öfen, "Hausfreund" genannt. Als Brennmaterial dient meist Holz aus den Wäldern um Wien, die dabei schwer geschädigt werden.

Freitag, 23. Februar 1945

Die Studierenden der Universität werden zu Aufräumungsarbeiten herangezogen. - Werdende und stillende Mütter erhalten ein Kilogramm Äpfel. - Wassersparmaßnahmen werden verordnet: Baden ist verboten, ebenso der Gebrauch von Wasser für gewerbliche Zwecke außer im Lebensmittelhandel. - Die Wiener Raucher erhalten aus Anlass des letzten Bombenangriffes eine Sonderzuteilung von zehn Zigaretten. - Die Zeitungen berichten über japanische Kamikaze-Flieger, die sich mit ihren Flugzeugen voller Sprengstoff auf feindliche Schiffe stürzen.

Samstag, 24. Februar 1945

In München findet eine große Kundgebung der NSDAP statt. Im Mittelpunkt steht eine Rede Hitlers, die er jedoch nicht selbst hält, sondern verlesen lässt. Er schließt mit den Worten: "Vor 25 Jahren verkündete ich den Sieg der Bewegung! Heute prophezeie ich, wie immer durchdrungen vom Glauben an unser Volk, am Ende den Sieg des Deutschen Reiches!" - Der Deutsche Wehrmachtsbericht meldet täglich erfolgreiche Abwehrkämpfe und sogar siegreiche Angriffe. Gleichzeitig werden täglich neue umkämpfte Orte und Gebiete gemeldet. Wer auf der Landkarte nachschaut, erkennt, dass die Wehmacht an allen Fronten auf dem Rückzug ist.

Sonntag, 25. Februar 1945

Im Dianabad veranstaltet die HJ (Hitlerjugend) ein "Pimpfenschwimmfest", wo "Pimpfe" (das sind die Zehn- bis Vierzehnjährigen) und "Jungmädel" ihr Können unter Beweis stellen sollen. - Notdienstverpflichtung: Zur Behebung der Bombenschäden werden die Betriebe mit ihren Gefolgschaften aufgefordert, für Aufräumungsarbeiten zur Verfügung zu stehen. - Die deutschen Zeitungen feiern die Zerschlagung eines sowjetischen Brückenkopfes an der Gran als Beginn der großen Gegenoffensive in Ungarn. In Wirklichkeit bereitet sich die Rote Armee in Ungarn auf ihre letzte große Offensive vor, den Angriff in Richtung Wien.

Montag, 26. Februar 1945

In der Slowakei beginnt eine Großoffensive der Roten Armee mit der Stoßrichtung gegen Preßburg und Wien. - Im Zentralfriedhof finden wieder Beerdigungen statt, jedoch ohne Aufbahrung und Kondukt. Den Angehörigen steht es frei, die Trauerfeiern am offenen Grab abzuhalten. Über diese Neuerungen erfahren die Angehörigen aus der Zeitung. - Viele Straßen Wiens sind wegen der Trümmer- und Schuttberge nahezu unpassierbar. Starke Stürme hüllen die Stadt in Staubwolken, die das Atmen erschweren.

Dienstag, 27. Februar 1945

In Ungarn besetzt die Rote Armee systematisch Dorf um Dorf und nähert sich der österreichischen (damals deutschen) Grenze. - Die Hörer und Hörerinnen der Universität werden zum Einsatz an der beschädigten Universität gerufen. "Wichtig: Hämmer, Zangen, Kartonmesser mitbringen!". - "Normal" verkehren nur mehr zehn Straßenbahnlinien in Wien. 36 Linien sind gänzlich eingestellt, der Rest umgeleitet. - Die extreme Kälte ist vorbei, die Temperatur steigt über Nacht auf plus 10 Grad.

Mittwoch, 28. Februar 1945

Die für Ende Februar vorgesehene Wiedereröffnung der Schulen wird erneut verschoben. - Amerikanische Truppen besetzen Trier. - In Wien gibt es wieder Fußball-Meisterschaftsspiele: Auf dem Sportklubplatz gibt es die Ergebnisse: Sportklub-Austria 3:2, Vienna-Admira 5:3. Auf den anderen Plätzen kann nicht gespielt werden. In der Tabelle führt Rapid vor Wacker, Vienna, FC Wien, FAC, Admira, Sportklub, WAC, Austria und Oberlaa.