Archivmeldung der Rathauskorrespondenz vom 27.01.2023:
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34. Wiener Gemeinderat (1)

Um 9 Uhr begann im Rathaus eine Sitzung des Wiener Gemeinderates, die auf Verlangen des ÖVP-Rathausklubs einberufen wurde. Das Thema der Sitzung lautete: „Stadtrat Christoph Wiederkehr mit Skandal-Ressort gescheitert: Fördermittelskandal Minibambini, Behördenversagen in MA 35, Integrationsversagen auf ganzer Linie, 5-Millionen-Euro-Steuergeldspritze für defizitäre Volkshochschulen, vertuschter Kindesmissbrauch in Kindergarten und Mittelschule, Pädagog*innen-Mangel an allen Ecken und Enden“. Ebenfalls eingebracht wurde von ÖVP und den Wiener Grünen ein Misstrauensantrag gegen Vizebürgermeister und Stadtrat Christoph Wiederkehr (NEOS). Fragestunde und Aktuelle Stunde entfielen.

Zur Begründung der Einberufung der Sitzung trat GR Dr. Markus Wölbitsch-Milan, MIM (ÖVP) vor den Gemeinderat. Er zitierte mehrere Medienberichte, die das angebliche Versagen von Stadtrat Wiederkehr dokumentieren sollten. Die Einberufung der Sitzung sei kein politisches Geplänkel der Opposition, sondern zeige das mangelnde Vertrauen der Bevölkerung in die Politik, so Wölbitsch-Milan. Nach mehr als zwei Jahren in der Regierung könne Wiederkehr sich nicht mehr hinter der SPÖ verstecken, sondern müsse Verantwortung übernehmen für seine Leistung: „Da war in Ihrem Fall definitiv zu wenig.“ Was Wiederkehr in den letzten beiden Jahren geliefert habe, sei nur eine „Handvoll von Skandalen und keinerlei Fortschritte“. Stadtrat Wiederkehr habe bereits aus seinen Oppositionszeiten, die Missstände beim Kindergartenverein Minibamini gekannt. Trotz der Fakten aus dem Rechnungshofbericht, werde dieser „kriminelle“ Verein weiterhin gefördert, krtisierte der ÖVP-Mandatar. „Alleine für diese Tatsache sollten wir Ihnen unser Vertrauen entziehen“, meinte Wölbitsch. Aber die Liste der Verfehlungen sei noch länger: Behördenversagen in der MA 35, die versuchte Vertuschung von Kindesmissbrauch in einem städtischen Kindergarten sowie einer Wiener Mittelschule, das Managementchaos in der Bildungsdirektion, der „Reform-Flop“ Lehrerneuverteilung oder die Überforderung der MA 11. „Die Baustellen, die Sie verwalten sind massiv einsturzgefährdet“, sagte Wölbitsch. Der „absolute Wahnsinn“ seien aber die Probleme bei der MA 35 sowie Millionen-Loch bei den Wiener Volkshochschulen. „Der SPÖ jedes Mal die Mauer zu machen, ist ein starkes Stück für eine Transparenzpartei“, meinte Wölbitsch. „Sie haben sich in Ihrem Amt als massive Enttäuschung erwiesen. Angesichts der vielen Skandale in ihrem Ressort bleibt uns gar nichts anderes übrig, als Ihnen heute das Misstrauen auszusprechen“, sagte Wölbitsch.

StR Karl Mahrer (ÖVP) begann mit einem Zitat von Bertolt Brecht: „Vertrauen wird dadurch erschöpft, dass es in Anspruch genommen wird“. Vertrauen sei ein wertvolles Gut in der Politik, doch Stadtrat Wiederkehr – der ihm persönlich sympathisch sei – habe dieses Vertrauen „schon viel zu oft in Anspruch genommen“. Die Aufgabe in seinem Amt habe Wiederkehr nicht bewältigt und sei nach zwei Jahren gescheitert, meinte Mahrer. Es sei die Aufgabe der Opposition, eine Kontrollfunktion auszuüben und die Abläufe in der Regierung korrekt funktionieren würden, denn es gehe um das Wohl der Wienerinnen und Wiener sowie letztlich ums Steuergeld. Seit er – Mahrer – als Landesparteiobmann angetreten sei, hätten sich die Skandale im Wiederkehr-Ressort angehäuft. Etwa die Vertuschung eines Missbrauchsskandals im Kindergarten, oder im Sommer der Wien-Energie-Skandal unter der Duldung Wiederkehrs, oder bei Schulbeginn im Herbst die Zuspitzung des Mangels an Lehrpersonal; auch das Bildungs- und Integrationsversagen sei immanent. Denn die Ursache für das „Versagen im Schulbereich“ würde bereits in der Kindergartenzeit liegen. Im Dezember sei der Skandal rund um die Volkshochschulen dazugekommen. „Jetzt werden weitere fünf Millionen Euro an die VHS zugeschossen, obwohl die seit Jahren geforderten Sanierungsarbeiten in den Volkshochschulen nicht angegangen werden“, meinte Mahrer. Das bestehende „Totalversagen“ der MA 35 durch die Überforderung der Mitarbeiter*innen bestehe weiterhin, die Reformvorhaben seien entweder zu langsam oder bloße Lippenbekenntnisse. Der Tropfen der das Fass zum Überlaufen gebracht habe, sei der Kontrollskandal um den Kindergartenverein Minibambini. Essenslieferungen von Schein-Baufirmen, ein Luxusfuhrpark, dubiose In-sich-Geschäfte, Bargeldzahlungen in Millionenhöhe, der Vereinsvorstand bildet sich aus den Mitgliedern eines einzigen Familienclans, zählte Mahrer auf: „Das alles fällt Ihnen nicht auf, das alles ist Ihre politische Verantwortung“, sagte Mahrer in Richtung Vizebürgermeister. Die NEOS seien in ihren „Kernkompetenzen“ Bildung, Kinder, Jugend und Transparenz nicht mehr glaubwürdig, zog Mahrer den Schluss. Bei zahlreichen Themen sei die Aufrichtigkeit – eine Voraussetzung für Vertrauen in die Politik – verloren gegangen. Denn Stadtrat Wiederkehr habe das Stadtparlament und die Öffentlichkeit in der Causa Wien Energie falsch informiert. Trotz gegenteiliger Aussagen und Berichten in den Medien, sei Wiederkehr bereits am 15. Juni 2022 über die Vergabe von 700 Millionen Euro in Notkompetenz informiert gewesen. Dieses „System an Falschmeldungen“ würde sich beim Fall Minibamini wiederholen. „Herr Stadtrat, Sie sind schlicht und ergreifend von dieser Aufgabe überfordert. Ziehen Sie die Verantwortung daraus“, verlangte Mahrer. Stadtrat Wiederkehr sei zur Mitte seiner Amtsperiode „gescheitert“. Es fehle an Durchsetzungsvermögen und der fehlenden Einsicht bei Problemen, deswegen sei das Vertrauen verloren gegangen. Mahrer forderte die NEOS auf zu überlegen, ob sie in Regierungsverantwortung wirklich richtig seien. „In der Krise erweist sich der Charakter. Nehmen Sie unsere konstruktive Kritik und Vorschläge ernst, denn Sie müssen Ordnung in Ihr Ressort bekommen“, forderte Mahrer in Richtung Wiederkehr.

StR Dominik Nepp, MA (FPÖ) sagte, er verstehe nicht, wieso trotz des Misstrauensantrags gegen Stadtrat Wiederkehr, die ÖVP in der kommenden Woche eine gemeinsame Präsentation mit Stadtrat Wiederkehr abhalten werde. „Peinlich“ sei der Vorschlag der ÖVP, die NEOS aufzufordern die Regierung zu verlassen, „nur damit die ÖVP in die Regierung rein kann“. Eigentlich müsste sich das Misstrauen gegen Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) richten, „doch das macht die ÖVP nicht, weil sie sich für die nächste Regierungsbeteiligung „aufmascherln will“. Im Wiederkehr-Ressort würde vieles im Argen liegen, sein Vorwurf an den Stadtrat sei das fehlende Handeln. Der eigentliche Zweck der Wiener Volkshochschulen sei nach seiner Ansicht nicht, „um Kurse abzuhalten, die sowieso niemand besucht, sondern um die internen Macht-trukturen der SPÖ Szu stärken“, vermutete Nepp. „Egal, wo man im Ressort von Stadtrat Wiederkehr hinschaut, man sieht nur ein eklatantes Versagen“, meinte Nepp, der ankündigte, den Misstrauensantrag gegen Wiederkehr zu unterstützen.

GRin Mag.a Bettina Emmerling, MSc (NEOS) entgegnete der ÖVP, sie würde im Antrag „Fakten verdrehen – und das ist selbst für eine Oppositionspartei nicht glaubwürdig und nicht redlich“. Natürlich könne man das politische Misstrauen gegen Stadtrat Wiederkehr aussprechen, aber ihrer Ansicht nach müsse man das nicht für Fälle aus dem Jahr 2014 machen. Der Anspruch der NEOS sei es, in Wien konstruktiv mit Elan zu handeln und ergebnisorientiert aus Krisen zu führen. Das Motto der ÖVP dagegen sei wohl: „Wer nichts macht, macht nichts falsch“. Besonders im Bildungsbereich und im Integrationsbereich sei jahrzehntelang nichts passiert, die NEOS hingegen hätten angepackt. Etwa bei der Reform der Zuteilung von Pädagog*innen. Positiv auch: In Wien sei in den Schulen während der Corona-Pandemie ein funktionierendes Testsystem aufgebaut worden, habe im Bund ein Testchaos geherrscht. Für Geflüchtete aus der Ukraine seien in wenigen Monaten 4.000 Schulplätze neu geschaffen geworden und damit eine Perspektive erstellt worden. Im Kindergartenbereich sei nach den Vorwürfen eines Missbrauchs ein Kinderschutzgesetz erlassen worden – nach nur einem Jahr. Im Fall Minibamini sei rasch und konsequent gehandelt worden, während es von der ÖVP bei einem Fördermissbrauchsskandal nicht einmal eine Entschuldigung, geschweige denn eine Konsequenz gegeben hätte. Die Grünen seien nun in Wien – ebenso wie im Bund – wohl schon in „Geiselhaft der ÖVP“, vermutete Emmerling. Der Misstrauensantrag sei wohl eine Ablenkung von Themen wie dem Schengen-Veto oder der Abschiebung von Kindern, die den Grünen unangenehm seien. Zehn Jahre lang habe sie – Emmerling – von den Grünen nichts zu Kindergärten oder zu den Volkshochschulen gehört. Bei der Ressortaufteilung in Wien sei es „kein Ziehen des kürzeren Strohhalms“ gewesen, denn genau diese Ressorts hätte sich die bewusst ausgesucht, um die dortigen Probleme zu lösen. Dem „Kaltstart“ in die Regierungsverantwortung mit der Corona-Pandemie und Schulschließungen sei man mit Lösungen wie zum Beispiel die Lerncafes entgegengetreten. Die Prämisse für das Bildungsressort sei es, dass alle Kinder und Jugendlichen, egal woher sie kommen oder in welchem Bezirk sie wohnen, die gleichen Chancen bekommen sollten. „Das ist das Wiener Bildungsversprechen“. Jede Schule im Grätzl soll zur besten gemacht werden, jede Schule werde durch zusätzliches administratives Personal oder Schoolnurses entlastet. „Das ist ein langer Prozess, der von Stadtrat Wiederkehr begonnen wurde“, meinte Emmerling. Für die Missbrauchsfälle und Förderskandale in Kindergärten gebe es keine Toleranz, jetzt werde an Änderungen und an der Aufklärung gearbeitet. Im Mittelpunkt würden dabei immer die Kinder sowie das Kinderwohl stehen. Es brauche aber immer weitere Qualitätssprünge im Kindergarten. „Unser Anspruch ist es, zu gestalten und nicht nur zu verwalten“, so Emmerling. So gebe es mittlerweile in Wien keine Kindergartengruppe mehr, die mit nur einer einzigen Betreuungsperson auskommen müsse. Zum Thema Kindergarten-Pädagog*innen-Mangel: Wien sei mit dem Ausbildungsgeld von 1.400 Euro pro Monat und der Imagekampagne für ein positives Berufsbild beispielgebend. „Stadtrat Christoph Wiederkehr hat gezeigt, dass er die Zukunft gestalten und Krisen bewältigen kann. Diesen Weg wird er konsequent weitergehen – auch wenn es Ihnen nicht recht ist“, sagte Emmerling in Richtung Opposition. (Forts.) nic

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