Archivmeldung der Rathauskorrespondenz vom 23.11.2022:
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17. Wiener Landtag (5)

43. Bericht der Volksanwaltschaft 2021 an den Wiener Landtag

LAbg. Christian Oxonitsch (SPÖ) meinte, die Rolle der Volksanwaltschaft im Aufzeigen von Problemen sei wichtig. Für viele Menschen sei diese ein „Rettungsanker“ und sie gebe der Politik die Chance, unterschiedliche Sichtweisen zu bedenken und Sachverhalte zu entdecken, die Veränderung bräuchten. Die letzten Jahre seien vor allem im Bildungs- und Sozialbereich herausfordernd gewesen – auch weil es schwierig sei Personal zu finden – von Pflege bis Sozialpädagogik. Bund und Länder müssen eine Ausbildungsinitiative setzen und das bedeute „neue Schulformen zu schaffen“. Es gäbe keine Schule auf Niveau der HTL, die auf soziale Berufe fokussiert sei. Die Stadt könne das aber nicht tun. Wo möglich, da setzt man Akzente – etwa in Bereichen der Elementarbildung. Ein Anliegen Oxonitschs an die Volksanwaltschaft sei, dass diese von Heimen spreche, die es in Wien aber nicht mehr gebe. „Wir haben keine Heime, wir haben Wohngemeinschaften“, so Oxonitsch. In Wien würden aber auch Einrichtungen kritisiert und mit den Bundesländern verglichen werden, die es in den Bundesländern gar nicht gebe. Das Netz an sozialen Einrichtungen, die gerade auch Kindern helfen, ist laut Oxonitsch im Vergleich „sehr dicht“. Oxonitsch bedankte sich für den Dialog mit der Volksanwaltschaft und betonte die gute Zusammenarbeit sowie das Bestreben den Mitarbeiter*innen der sozialen Einrichtungen die Arbeit so einfach wie möglich zu gestalten. Abschließend gab Oxonitsch seinen Abschied aus der Stadtpolitik und Wechsel in die Bundespolitik bekannt.

LAbg. Mag. Aygül Berivan Aslan (GRÜNE) sagte, sie hatte gestern zwei „Opfer“ der MA 35 bei sich. Eine Person habe drei Jahre auf die Staatsbürgerschaft gewartet. Die zweite Person müsse auf Nachfrage ein Jahr auf ein Erstinformationsgespräch warten – das seien zwei aktuelle Fälle, sagte Aslan. Die agenkündigte Reform der MA 35 sei „gescheitert“, so Aslan. Sie äußerte Bedenken darüber, ob die Verantwortlichen Beschwerden und Bericht der Volksanwaltschaft überhaupt lesen würden. Aslan begrüßte den Vorstoß der  SPÖ in Richtung einer Vereinfachung des Zugangs zur Staatsbürgerschaft. Allerdings habe sie das Gefühl, dass „Theorie und Praxis nicht übereinstimmen“ – und nannte dafür drei Gründe: Erstens sei die Rechtfertigung der Missstände in der MA 35 durch bundesrechtliche Missstände aufgrund mangelnden Zusammenhangs unzulässig. Zweitens kritisierte sie die Übergabe der politischen Verantwortung für Aufenthaltsrechts an die NEOS. Drittens seien die Rahmenbedingungen für eine Staatsbürgerschaftserleichterung nicht gegeben. Zuerst müsse das „Behördenversagen in der MA 35“ beseitigt werden, sonst „geht sich das nicht aus“. Die Stadt habe es verabsäumt, in den Bereich zu investieren und das Personal zu entlasten. Man müsse verhindern, dass die MA 35 als „Skandalbehörde“ österreichweit in Verruf gerate. Aslan verlangte eine halbjährige Evaluierung der MA 35, die der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird und brachte einen dementsprechenden Antrag ein. Ein zweiter Antrag von Aslan verlangte die maximale Ausschöpfung des Ermessensspielraumes bei der Verleihung von Staatsbürgerschaften. Antragsteller*innen sollen möglichst einfach und kostengünstig die Voraussetzungen für die Staatsbürgerschaft erreichen können. In einem dritten Antrag verlangte sie die Senkung der Kosten für den Staatsbürgerschaftsantrag. Bei Verzögerungen, die das Verfahren auf über sechs Monate strecken, sollen die Kosten erlassen werden.

Volksanwältin Gaby Schwarz nannte als Beispiele der Arbeit in ihrem Bereich die Wiedereröffnung eines öffentlichen Durchgangs im 16. Bezirk. Man sei mit Wiener Wohnen in Kontakt. Schwarz lobte das rasche Reagieren von Wiener Wohnen in einem Fall von Schädlingsbefall – die Mieterin erhielt ein Ausweichquartier. Im Maßnahmenvollzug verlangte Schwarz etwa mehr Fortbildung für Mitarbeiter*innen oder mehr Beschäftigung für Insass*innen.

Volksanwalt Mag. Bernhard Achitz bedankte sich für die Mitarbeit der Verwaltung, meinte aber, dass die Volksanwaltschaft mit ihrer Arbeit oft an die Grenzen der rechtlichen Rahmenbedingungen stoße. Da käme die Politik ins Spiel. Achitz sprach die Missbrauchs-Opfer in Heimen an. Heute fänden Jugendliche bessere Rahmenbedingungen vor – Einzelfälle von Fehlentscheidungen bleiben aber. Die Beschäftigten brauchen daher volle Unterstützung und bessere Rahmenbedingungen. Das systematische Problem von zu wenig qualifizierten Beschäftigten und zu wenigen Krisenplätzen sei anzusprechen, Investitionen notwendig. Eine Studie, die in Bälde veröffentlicht werde, zeige, dass Beschäftigte oft „die falsche oder eine mangelhafte Ausbildung“ haben. Achitz bat darum, darauf ein „Augenmerk zu legen“.  Das Personalaufstockung helfe, zeigt die Situation in der MA 40, dort gingen die Beschwerden aufgrund von mehr Mitarbeiter*innen zurück. Achitz wunderte sich über den Mangel an Wortmeldungen zur Pflege. Die Volksanwaltschaft habe ein großes Problem – einen „enormen Personalmangel“ – festgestellt. Das führe zu „Menschenrechtsverletzungen“. Als Beispiel nannte er unter anderem das Ruhigstellen von Menschen mit Medikamenten in Anstalten.

Volksanwalt Dr. Walter Rosenkranz ging auf zwei Einzelfälle aus den Volksanwaltschafts-Berichten näher ein, bei denen der gleiche Sachverhalt unterschiedlich behandelt wurde. Im Winter- und Osterlockdown wurde Eltern laut Rosenkranz empfohlen Kinder zu Hause zu behalten und nicht in den Hort zu schicken. Im Winterlockdown wurden die Kosten des Horts nicht vorgeschrieben, zu Ostern schon. Rosenkranz hinterfragte warum dem so sei. Eine Mutter habe im Home Office die Doppelbelastung der Kinderbetreuung erlebt. Statt einem Dank habe Sie eine hohe Rechnung über Hortkosten erhalten. Nummer zwei: Es käme vor, dass Behinderte eine Parkkarte haben und vergessen diese in das Auto zu legen. Da käme es zur Anzeige oder sogar zur Abschleppung des Fahrzeugs. Bei der Strafe könne man, laut Rosenkranz, sagen, dass die Kosten der Abschleppung „Strafe genug“ seien und eine Mahnung aussprechen. Das Bundesfinanzgericht habe in so einem Sachverhalt dementsprechend nur eine Ermahnung ausgesprochen, das Magistrat lehnte das laut Rosenkranz aber ab. In anderen Fällen beriefe man sich dann wiederum auf eben diese Gerichte, um zu strafen. Zur MA 35 meinte Rosenkranz: Nach Gesprächen der Volksanwaltschaft mit der Abteilung habe man eine deutliche Verbesserung der telefonischen Erreichbarkeit feststellen können. Weiters stellte man sicher, dass es eine Sonderstellung von Nachkommen von Opfern des NS-Regimes gäbe. Der Ukrainekrieg ziehe eine Vervielfachung der Staatsbürgerschaftsanträge nach sich – hauptsächlich von russischen Staatsbürgern, die nun Österreicher*innen werden wollen. Auch die Anträge von Geflüchteten die 2015/2016 ins Land gekommen sind, steigen laut Rosenkranz. Er verwies erneut auf den Personalmangel bei der MA 35 und kritisierte die Verfahrenslänge, die auch schon vor der Pandemie ein Problem gewesen sei: Dafür gebe es in einem „Rechtsstaat keine Rechtfertigung“. Rosenkranz meinte, das Erstinformationsgespräch sei nicht gesetzlich verankert. Ein schriftlicher Antrag sei ausreichend. Es gäbe Akten, die seit Jahren nicht bearbeitet worden seien. Das ziehe einen enormen Verwaltungsaufwand – etwa die Beantragung eines Strafregisterauszugs – nach sich. Rosenkranz forderte, dass es eine „virtuelle Alarmglocke“ geben müsse, die darauf hinweise, wenn ein Akt länger stillgelegen sei.

Der Bericht der Volksanwaltschaft wurde einstimmig angenommen. Die Anträge der Opposition wurden abgelehnt. (Forts.) pos

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