Archivmeldung der Rathauskorrespondenz vom 23.06.2022:
Bitte beachten Sie, dass die Inhalte (Termine, Kontaktmöglichkeiten,...) möglicherweise nicht mehr aktuell sind.

14. Wiener Landtag (4)

Bericht der Wiener Pflege-, Patientinnen- und Patientenanwaltschaft (WPPA) über ihre Tätigkeit im Jahr 2021

LAbg. Mag. Barbara Huemer (GRÜNE) bedauerte, dass dieser der letzte Bericht sei, der von der scheidenden Patient*innen-Anwältin Sigrid Pilz erstellt wurde. Sie bedankte sich bei der ehemaligen Grünen-Gemeinderätin für die zehnjährige Tätigkeit als Patient*innen-Anwältin. Huemer beschrieb Pilz als „engagierte, mutige, streitbare und unabhängige Anwältin der Interessen der Patient*innen“ die bei Problemen kompetent helfen konnte und „Finger in die Wunden gelegt“ hätte. Das „konfrontative Verhältnis“ mit der Ärztekammer sei der engagierten Arbeit Pilz‘ geschuldet und ein „Qualitätszeichen“ so Huemer. In der Funktion als Anwältin sei es auch ihre Aufgabe, Missstände aufzuzeigen und Pilz habe nie gezögert, Institutionen mit Fehlern oder Versäumnissen zu konfrontieren. Das Handeln Pilz‘ hätte das Ansehen und Vertrauen der Menschen in Institutionen gestärkt, so Huemer. Sie sah die Wiener Pflege- und Patient*innen-Anwaltschaft (WPPA) als wichtigen Player im Gesundheitssystem und der Gesundheitspolitik der Stadt. Pilz habe schon vor ihrer Funktion als Patient*innen- und Pflege-Anwältin mit dem Aufdecken des Pflegeskandals deutliche Verbesserungen im Pflege- und Gesundheitswesen erreicht, erinnerte Huemer. Als Patient*innen-Anwältin habe Pilz „tausende Euro“ an Entschädigungen für erlittene Schäden herausverhandelt – „vielen Dank dafür“. Im letzten Jahr sei die Pflege-Anwaltschaft 11.500-mal eingeschaltet worden und 1,15 Millionen Euro aus dem Patient*innen-Entschädigungs-Fonds an 81 geschädigte Personen ausgezahlt worden, zog Huemer Bilanz über die Tätigkeit der Anwaltschaft. Die Institution biete auch Information und Orientierungshilfe im Gesundheitssystem – konkret beim „Übersetzen“ und verständlich machen von medizinischen Befunden für Laien. Huemer begrüßte, dass die Patient*innen-Anwaltschaft speziell das Thema Kindergesundheit ansprechen würde – konkret den Mangel an Kinder-Kassenärtz*innen. „Das ist dieser Stadt nicht würdig, dass Kinder, die Versorgung brauchen diese nicht bekommen, weil es sie nicht gibt“, sagte Huemer. Sie kritisierte außerdem den Trend „weg von Kassenärtz*innen hin zu Privat- oder Wahl-Ärzt*innen“. Sie kritisierte außerdem die Unterversorgung bei der Kinder- und Jugendpsychiatrie. „Wir brauchen eine gute Versorgung für Kinder, damit sie nicht zu kranken Erwachsenen werden“ – hier sei auch der Einsatz der Politik gefordert; übrigens bei jeder Form der Unterversorgung im Gesundheitssystem. Huemer forderte – analog zur Patient*innen-Anwaltschaft - außerdem mehr Primärversorgungszentren für die Stadt; das Angebot müsse ausgebaut werden. Abschließend bedauerte Huemer die Nicht-Verlängerung Pilz‘ „auch frauenpolitisch ein Verlust“, da sich nach wie vor wenig Frauen in Spitzenfunktionen befinden würden; Pilz folgt ein Mann im Amt.

LAbg. Ingrid Korosec (ÖVP) meinte, der Bericht sei nicht nur eine Rückschau auf das letzte Jahr sondern eine ganze Karriere. Der Bericht müsse eine Pflichtlektüre sein; eine erfolgreiche Repräsentantin werde nach zehn Jahren nicht mehr bestellt und kein Regierungsmitglied sei bei der Debatte anwesend: „Diese Abwesenheit gebührt der erfolgreichen Arbeit der Patient*innen-Anwältin ganz und gar nicht“. Pilz habe ihre Aufgabe „mit Leidenschaft und erfolgreich“ erledigt und die WPPA geprägt, lobte Korosec. Sie habe „nicht nur verwaltet, sondern gestaltet“, meinte Korosec. In Zeiten der Covid-Pandemie sei es wichtig, dass Patient*innen ihre Rechte gegenüber dem Gesundheitsdienst einfordern könnten. Auch Korosec kritisierte die Unterversorgung bei der Kinder- und Jugendpsychiatrie: Es könne nicht sein, dass Eltern „ein privates Sparbuch anzulegen haben, um ihren Kindern die psychiatrische Therapie zukommen zu lassen“, sagte Korosec. Pilz habe in ihrem Bericht auch die Digitalisierung im Gesundheitswesen zum Thema gemacht. Die Digitalisierung sie die Zukunft und ein entscheidender Pfeiler für eine flexible und effiziente Versorgung. Der Wiener Gesundheitsverbund (Wigev) sei noch „meilenweit“ von einer zeitgerechten Umsetzung der Digitalisierung entfernt; „aber Lernfähigkeit kann ja noch kommen“, meinte Korosec. Abschließend sprach Korosec zur Palliativversorgung – also der Versorgung von Menschen, deren Krankheiten nicht mehr heilbar sind. Hier brauche es mehr finanzielle Mittel, damit Menschen auch würdevoll aus dem Leben scheiden könnten. Im Bericht der Patient*innen-Anwaltschaft werde der Personalmangel in diesem Teilgebiet der Medizin aufgezeigt. Abschließend kritisierte sie die Ausschreibung und den Bestellungsprozess des Postens des Patient*innen-Anwalts. So ein wichtiges Amt dürfe nicht per Umlaufbeschluss der Stadtregierung vergeben werden, kritisierte Korosec. Dieses Vorgehen nehme der Opposition die Möglichkeit, sich ein Bild der Kandidat*innen zu machen. Die Opposition habe den Namen des neuen Patient*innen-Anwalts aus den Medien erfahren.

LAbg. Dr. Claudia Laschan (SPÖ) begrüßte den neuen Patient*innen-Anwalt Gerald Jelinek auf der Besucher*innen-Tribüne des Gemeinderatssitzungsaals. Sie bedankte sich bei der scheidenden Pflege- und Patienten*innen-Anwältin Pilz und ihrem Team für die „hervorragende, wichtige und Fingerspitzengefühl erfordernde Arbeit für die Patient*innen und Menschen dieser Stadt“. Laschan ging auf einzelne Punkte des aktuellsten Berichts der Patient*inne-Anwaltschaft ein. So werde darin die Unterversorgung durch Primärversorgungszentren kritisiert. Der Ausbau sei notwendig, aber dem stünden mehrere Hürden gegenüber. So sei es bei jedem neuen Primärversorgungszentrum eine Herausforderung, geeignete Immobilien oder Grundstücke zu finden; auch müsse der Schwerpunkt von Primärversorgungzentren und jetzt Primärersorgungseinheiten gut gewählt sein und Ärzt*innen dafür gewonnen und gefunden werden. Die Primärversorgungzentren als Kassen-Ordinationen stünden in Konkurrenz mit der steigenden Zahl der Wahlärzt*innen. Sie kritisierte die Ärztekammer dafür, die Primärversorgungzentren und jetzt Primärersorgungseinheiten „lange blockiert“ zu haben. Auch die Krankenkasse habe das Projekt Primärversorgungseinheiten anfänglich zu wenig unterstützt. Jedenfalls gebe es aktuell immerhin acht Primärversorgungseinheiten in Wien; diesen Umstand könne man „beklagen oder versuchen das Angebot mit einem konstruktiven Miteinander aller Player auszubauen“, sagte Laschan. Außerdem kritisierte Laschan die „Mehrklassenmedizin“ durch die steigende Zahl der Wahlärzt*innen – unter dem schrumpfenden Angebot der Kassenärtz*innen würden vor allem ärmere Menschen leiden, die auch häufiger unter Krankheiten leiden. „Hier müssen wir hinschauen“, meinte Laschan; jede Person verdiene eine gute medizinische Versorgung unabhängig vom Einkommen, Zusatzversicherung oder sozialem Status. Laschan sprach zum Abschnitt „Kommunikation“ im Bericht der Patient*innen-Anwaltschaft: Menschen, die ein Spital oder eine medizinische Einrichtung aufsuchten, seien oft verunsichert und vulnerabel; deshalb komme es auch eine wertschätzende und offene Kommunikation an. Beschwerdebriefe über schlechte Behandlung an die Ombudsstellen gingen oft auf „einen schroffen Ton oder ein verbales drüberfahren“ ausgelöst, selbst wenn die medizinische Behandlung einwandfrei gewesen sei. Die forderte Medizinier*innen auf, auf einen wertschätzenden Umgang zu achten. Schließlich sprach Laschan zu einem im Bericht geschilderten Kunstfehler in einem Privatspital der nur glimpflich ausgegangen ist, weil die Person in ein anderes Spital verlegt worden war; solche Fälle würden nur selten bei der Patient*innen-Anwaltschaft landen, weil die Patient*innen einfach nur froh seien, den medizinischen Fehler überlebt zu haben, berichtete Laschan. Privatspitäler würden übrigens nicht in den Patient*innen-Entschädigungsfonds einzahlen, kritisierte Laschan, dieser Hinweis müsse auch in den Unterlagen bei der Aufnahme in einem Privatspital aufscheinen. Schließlich schloss sich Laschan an die Kritik Korosecs am fehlenden Angebot der Palliativmedizin an: jeder Mensch habe ein Recht auf palliativmedizinische Versorgung, sagte Laschan. Diese Disziplin müsse auch in Pflegehäusern angesiedelt werden, regte Laschan an. (Forts.) ato

Rückfragehinweis für Medien