Archivmeldung der Rathauskorrespondenz vom 13.01.2022:
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18. Wiener Gemeinderat (2)

GR Mag. Manfred Juraczka (ÖVP) meinte eingangs, dass das Thema bereits breit diskutiert worden sei. Das Projekt der Stadtstraße habe dem Klimacheck von Umweltministerin Gewessler (Grüne) stattgehalten. Die „Wiener Nordostumfahrung“ sei „heute notwendiger denn je“. Die Bevölkerung der Donaustadt sei in den letzten 30 Jahren um 87 Prozent gewachsen. Der Transitverkehr dürfe nicht mitten durch die Stadt geleitet werden. Die Grüne Fraktion referenziere gerne auf andere Städte wenn es um Vorzeigeprojekte ginge, meinte Juraczka. Er verwies auf Berlin, London, Rom, Brüssel und Paris. Diese Metropolen hätten jeweils einen Autobahnring rund um das Stadtgebiet. Dieser habe sich in jedem der Beispiele bewährt, „weil die Bevölkerung dadurch entlastet wurde“. Auch hätten sich die Grünen bereits für mehrere Umfahrungen in Österreich eingesetzt, „nur Wien“ dürfe keine derartige Verkehrsentlastung zugutekommen, meinte Juraczka. Die Grüne Fraktion habe das Projekt zehn Jahre lang mitgetragen und wolle es nun verhindern. Juraczka frage sich, ob es sich dabei nur um ein Politikum handle. Die Wiener*innen hätten sich eine Entlastung verdient und die ÖVP werde „alles daran setzen“, dass die Umfahrung kommt.

GR Erich Valentin (SPÖ) sagte, es sei „widerlich“, einer Partei mit der Geschichte der SPÖ zu unterstellen, sie würde demokratische Rechte unterdrücken. Die SPÖ habe sich unmittelbar nach dem Brandanschlag im Protestcamp von der Tat distanziert und sofortige Aufklärung gefordert. Die ehemalige Vizebürgermeisterin Vassilakou habe sich zur Stadtstraße bekannt, als die Klimaziele von Paris bereits mehrere Jahre alt gewesen seien. Ihr könne man kein „Betonkopfdenken“ unterstellen. Sie habe Nutzen und Kosten abgewogen und entschieden, meinte Valentin. Auch der Grüne Bundesparteivorsitzende Werner Kogler habe sich bereits für die Stadtstraße ausgesprochen, so Valentin. Nun stelle sich die Frage, warum die Wiener Grünen sich jetzt so gegen das Projekt stellen würden. Es könne sein, dass es sich bei den Gründen „um Revanchismus der Bundesministerin“ und der Enttäuschung nicht mehr in der Stadtregierung zu sein handle, mutmaßte Valentin. Es sei unmöglich, zeitgleich in der Opposition zu sein und in den Entscheidungsgremien mitzubestimmen. Für letzteres brauche es eine langfristige Verantwortung, die Valentin bei den Grünen vermisse. Die Grünen hätten in anderen Themen „versagt“, und bräuchten nun ein neues Thema, dass sie mit der Stadtstraße glauben gefunden zu haben, sagte Valentin. Er forderte die Grünen auf, Verantwortung für ihre Zeit in der Stadtregierung zu übernehmen. Der Brandanschlag im Protestcamp sei zu verurteilen, mache aber „eine illegale Besetzung nicht legaler“.

GRin Mag. Angelika Pipal-Leixner, MBA (NEOS) unterstrich die Wichtigkeit, Bürger*innen in Entscheidungsfindungen einzubinden. In Wien starte in Kürze ein weiteres Projekt, bei dem die Wiener*innen ihre Beiträge zum Klimaschutz und zur Klimawandelanpassung einzubringen könnten. Die flächendeckende Parkraumbewirtschaftung werde mit März dieses Jahres in Kraft treten, was auch der Reduktion des Stadtverkehrs zugute käme. Wien werde „laufend grüner“, Dank verschiedener Projekte. Der Ausbau des öffentlichen Verkehrs würde ebenfalls in diese Kerbe schlagen. Als nächstes wolle die Stadtregierung eine Machbarkeitsstudie für den Schnellbahnring in Wien beauftragen. Pipal-Leixner verurteilte ebenfalls den Brandanschlag im Protestcamp. Sie sei froh, „dass niemand zu Schaden gekommen ist“.

StR Peter Kraus, BSc (GRÜNE) entgegnete, die ehemalige Vizebürgermeisterin Vassilakou hätte im Jahr 2015 auch gesagt, dass der Lobautunnel abgesagt sei. Das habe sich heute zum Glück bewahrheitet. Man müsse Pläne auch „an aktuelle Rahmenbedingungen anpassen“. Es gebe viele Beispiele von Projekten die zum Glück überdacht und nicht umgesetzten worden seien. Die Rahmenbedingungen für die Stadtstraße hätten sich massiv geändert. Bei der Planung wären viele Faktoren nicht berücksichtigt worden, die heute Realität seien. Die Grundlagen auf denen die Planungen gefußt hätten, „haben sich alle überholt“. Man müsse noch einmal nachdenken. „Wer mit Worten zündelt, ist auch verantwortlich wenn es brennt“, zitierte Kraus. Es sei „unsere gemeinsame Verantwortung, dass wir den Brandanschlag im Protestcamp aufs Schärfste verurteilen“. Klimaschutz sei „eine Riesenherausforderung die wir mit vollem Mut angehen müssen“. Man sei der Freiheit der kommenden Generationen verpflichtet. Man müsse neue Technologien und neue Produktionsweisen entwickeln. Wachstum und Wohlstand müssten klimaneutral aufgestellt werden. Die Mobilität müsse umgedacht werden, ohne dass Öl und Gas verbrannt werden würden. All das seien „Exportschlager der Zukunft und schaffe Arbeitsplätze“. Kraus vernehme ein „fast religiöses Festhalten an neuen Autobahnen“. Politik müsse auf Klimaschutz und Zukunft ausgerichtet sein.

GR Dr. Kurt Stürzenbecher (SPÖ) brachte einen gemeinsamen Antrag der SPÖ und der NEOS zur Verurteilung des Brandanschlags im Protestcamp ein. Es seien immer die gleichen „Leiern und Protestreden von den Grünen, unabhängig davon was in die Debatte einfließen“ würden. Bis zur Wahl 2020 hätten sich die Grünen zu dem Projekt bekannt. Dabei seien auch die Pariser Klimaziele berücksichtigt worden. Nun, nach der Wahl, eine 180 Grad Wendung hinzulegen, sei unglaubwürdig, sagte Stürzenbecher. Wer die Stadtstraße verhindere, verhindere klimafitten Wohnraum für 60.000 Menschen, so der SPÖ-Mandatar. Eine Straße sei kein Selbstzweck; ohne die Straße gebe es auch keine Seestadt Nord. Die Straße sei bereits vom UVP (Umweltverträglichkeitsprüfung) Verfahren genehmigt. Ein erneutes UVP-Verfahren würde das Projekt bis zu fünf Jahre verzögern. Darin liege kein Sinn, meinte Stürzenbecher. Auch der Grüne Bundesparteivorsitzende Werner Kogler habe sich deutlich für die Stadtstraße ausgesprochen, auch wenn Kogler der Schiene den Vorzug gebe, was in Wien auch priorisiert werden würde. Die Wiener Grünen würden eine "fundamentalistische Linie" verfolgen und den Aussagen ihres Bundesparteivorsitzenden widersprechen. Das alles passe nicht zusammen. Wohnraum in Wien müsse geschaffen werden, und die Entwicklung sei dabei auf den Nord-Osten der Stadt ausgelegt. Auch der öffentliche Verkehr werde ausgebaut, was etwa mit dem Bau der U2 in der Seestadt bereits geschehen sei, bevor dort noch Menschen gewohnt hätten. Die Stadt hätte auch den Ausbau des Radwegenetzes forciert, betonte Stürzenbecher. Die Seestadt Aspern sei das modernste Stadtentwicklungsprojekt Europas, dass mit den kurzen Wegen oder etwa der Fernwärme ein Klimavorzeigeprojekt sei. „Wenn man leistbaren Wohnraum und Klimaschutz vor den Augen hat, wird man das Projekt weiter verfolgen.“ Die Stadtstraße sei „klimafreundlich“. Wien werde auch künftig sinnvolle Stadtentwicklung fortsetzen: „Im Interesse des Klimas und im Interesse der Menschen“, so Stürzenbecher abschließend. (Forts.) wei




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