Archivmeldung der Rathauskorrespondenz vom 23.09.2021:
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7. Wiener Landtag (7)

Dringlicher Antrag

StRin Mag.a Isabelle Jungnickel (ÖVP) erinnerte an das Jahr 2007, ein Jahr der SPÖ-Alleinregierung, in dem die SPÖ die automatische Gebührenanpassung unter „ich kann umsetzen, was ich will“ beschlossen hätte. Außerdem zitierte sie zahlreiche Aussagen von Abgeordneten der NEOS und der Grünen, die in den vergangenen Jahren das Valorisierungsgesetz ablehnten: So habe der Grüne Margulies „von vollkommener Entkoppelung der Gebühren von realen Kosten“ gesprochen; 2009 habe es einen Antrag der Grünen gegeben, die Valorisierung bis 2015 auszusetzen; die ehemalige NEOS-Abgeordnete Meinl-Reisinger und heutige Bundesparteivorsitzende habe gesagt, dass dieses „Geld völlig intransparent zum Stopfen von irgendwelchen Budgetlöchern verwendet wird“ und die NEOS-Abgeordnete Emmerling habe davon gesprochen, dass die Stadt „deutlich höhere Abgaben als notwendig“ einhebe. Die NEOS würden für Jungnickl „politische Selbstaufgabe“ betreiben. Hingegen habe die ÖVP 1998 als Juniorpartner der SPÖ einen Gebühren-Stopp bis Ende der Legislaturperiode abgerungen; man könne sich auch als Juniorpartner nicht verkaufen, so Jungnickel.

LAbg. Katharina Weninger, BA (SPÖ) warf einen Blick in die ÖVP-Presseunterlagen der vergangenen Jahre und kam zum Schluss, dass die ÖVP „nur Namen und Wörter ausgetauscht“ habe, die Argumente würden damit aber „nicht besser oder richtiger“. Wenn die Stadt für Dienstleistungen kein Geld ausgeben dürfe, müsse sich jede Wiener*in ihre eigene Mülldeponie bauen, das halte sie, Weninger, aber „weder für zielführend noch für gescheit“. Die Dienstleistungen seien viel mehr wert, als die Stadt an Gebühren einhebe, sagte Weniger. Sie wiederholte die Zahlen des Abgeordneten Margulies: So würden in Graz die Müllgebühren 9,07 Euro betragen, in Wien nach der Anpassung nur 4,95 Euro. Zudem werde der Müll in Wien zweimal pro Woche abgeholt, in Graz nur alle vierzehn Tage. Auch aus dem Finanzausgleich solle Wien „endlich“ mehr Geld erhalten, um die Leistungen der Stadt abzudecken, forderte Weninger.

Für LAbg. Dr. Peter Sittler (ÖVP) war „die Scheinheiligkeit der SPÖ“ nicht zu überbieten: sie fordere auf der einen Seite niedrigere Mieten, erhöhe aber gleichzeitig die Gebühren. Die durchschnittlichen monatlichen Betriebskosten pro Quadratmeter seien laut Sittler von 1,64 Euro im Jahr 2009 auf 2,21 Euro im Jahr 2019 angestiegen - eine Steigerung von 35% in 10 Jahren, die Inflation sei in diesem Zeitraum lediglich um 20% angestiegen. Dies liege daran, dass die SPÖ in Wien „ungeniert die Gebühren erhöht“. Daher fordere die Wiener ÖVP die Abschaffung des Wiener Valorisierungsgesetzes.

LAbg. KRin Margarete Kriz-Zwittkovits (ÖVP) betonte, dass die ÖVP die Qualität der Dienstleistungen „nicht in Frage gestellt“ habe. Zudem hob sie hervor, dass die Bundesregierung allein für Wiener Haushalte 18 Milliarden Euro Corona-Hilfen zur Verfügung gestellt habe. Bei der Valorisierung gehe es der ÖVP um die „automatische Anhebung“, die laut Kriz-Zwittkovits auch vom Rechnungshof kritisiert wurde.  Zudem gebe es für die Gebühren weder eine „schlüssige Kostenkalkulation“ noch „zweckgebundene Rücklagen“. Bei der Wiener Wirtschaft schlage sich die Erhöhung der Gebühren mit 16, 5 Millionen Euro nieder, laut Kriz-Zwittkovits werde sich „die Belastung nicht in Luft auflösen“. Sie treffe vor allem Hotels und Gastronomiebetriebe, die zum Beispiel einen hohen Wasserverbrauch hätten. Außerdem kritisierte Kriz-Zwittkovits zwei weitere Belastungen: die Luftsteuer und die Dienstgeber-Abgabe (U-Bahn-Steuer) und brachte zwei Anträge zur Abschaffung dieser Steuern ein.

LAbg. Wolfgang Seidl (FPÖ) fragte in Richtung der NEOS: „Wo habt ihr Euch durchgesetzt?“ Sogar die Grünen durften während zweier Legislaturperioden „die Autofahrer*innen sekkieren“. Zudem war er der Meinung, dass die Stadt „kein Einnahmen-Problem, sondern ein Ausgaben-Problem“ habe: allein die Krankenhäuser würden in den nächsten Jahren 4 bis 5 Milliarden Euro benötigen. Auch die Wiener Mindestsicherung sei immer noch nicht verfassungskonform und würde 600 Millionen Euro verschlingen; in Oberösterreich zum Beispiel würde die Mindestsicherung im Vergleich nur 39 Millionen Euro kosten. Abschließend brachte er zwei Anträge ein: eine Forderung nach einer adaptierter Berechnungsmethode für Abgaben und transparente Mittelverwendung und die Streichung der Valorisierung aus der Wiener Stadtverfassung.

LAbg. Dipl.-Ing. Martin Margulies (GRÜNE) kritisierte, dass ÖVP und FPÖ der öffentlichen Hand in der aktuellen Situation finanzielle Mittel „wegnehmen“ wolle: „Während der Corona-Pandemie macht es keinen Sinn, überall zu kürzen, wo es nur geht.“ Immer, wenn das Valorisierungsgesetz geändert wird, würden die Gebühren erhöht werden – das sei Margulies zufolge etwa alle drei Jahre. Es sei bei der Anpassung des Valorisierungsgesetzes natürlich zu unterscheiden, ob in dem Jahr Budget-Überschüsse gemacht werden oder nicht. „Wenn man es sich leisten kann, muss man Gebühren nicht erhöhen“, erklärte Margulies. Denn es sei Aufgabe der Stadt, den Schwächeren und Ärmeren zu helfen. Er ortete fehlende Mietzins-Obergrenzen auf Bundesebene und kritisierte, dass dies eine wesentlich höhere Mehrbelastung für Wiener*innen sei als jene Belastung durch das Valorisierungsgestz. Margulies sagte in Richtung ÖVP Wien: „Wenn ihr das im Bund durchführt, bin ich sicher, wir können auch die Wiener SPÖ überzeugen, das Valorisierungsgesetz abzuschaffen.“ Hier müsse die ÖVP gegensteuern.

Abstimmungen

Der Dringliche Antrag der ÖVP betreffend Abschaffung des Wiener Valorisierungsgesetzes wurde dem zuständigen Stadtrat für Finanzen, Wirtschaft, Arbeit, Internationales und Wiener Stadtwerke zugewiesen. Alle Anträge – allesamt von der Opposition eingebracht – fanden nicht die notwendige Mehrheit.

Der 7. Wiener Landtag endete um 16.00 Uhr.

In der Informationsdatenbank des Wiener Landtages und Gemeinderates (INFODAT) unter www.wien.gv.at/infodat können Reden, Debattenbeiträge, Beschlüsse, Anfragen, Anträge, Gesetzesentwürfe und Landesgesetzblätter nach verschiedenen Kriterien abgerufen werden. Dabei wird Zugriff auf die zugehörigen Videos und Originaldokumente (sofern elektronisch vorhanden) geboten. (Schluss) hie/exm/red

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