Archivmeldung der Rathauskorrespondenz vom 24.06.2021:
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5. Wiener Landtag (7)

Entwurf eines Gesetzes, mit dem das Wiener Mindestsicherungsgesetz - WMG geändert wird

LAbg. Georg Prack, BA (Grüne) kritisierte, dass die SPÖ und NEOS mit der Novelle des Gesetzes „grobe Verschlechterungen und Kürzungen“ bei der Mindestsicherung billigten. Die Opposition sei bei der Novelle nicht eingebunden worden, ebenso würde das Begutachtungsverfahren entfallen, weil die Novelle als Initiativantrag eingebracht werde, kritisierte Prack. „Damit wird die Transparenz mit Füßen getreten“, sagte er. „Mitten in einer der größten Wirtschaftskrisen soll es bei den Ärmsten Kürzungen geben. Können Sie sich noch in den Spiegel schauen?“, fragte Prack. Vor allem Junge würden von Kürzungen betroffen sein; auch würden Angebote wie Schulungen und Fortbildungen in der neuen Regelung reduziert. Das Modell setze auf Sanktionen statt auf Unterstützung, kritisierte Prack - unter anderem würde der Beschäftigungsbonus in der neuen Fassung ersatzlos gestrichen, Leistungen würden früher gesperrt und Auszahlungen könnten überhaupt komplett gekürzt werden. „Das sind Bestrafungs-Phantasien, so geht man nicht mit Menschen um die Hilfe brauchen“, sagte Prack.

LAbg. Mag. Patrick Gasselich (ÖVP) sagte, die Mindestsicherung solle ein Sprungbrett zurück in die Selbständigkeit sein. Wien dürfe kein Magnet für Sozialhilfe-Empfängerinnen und -Empfänger werden, warnte er. Auch er kritisierte die Vorgangsweise die Novelle als Initiativantrag einzubringen – damit würden Stellungnahmen verhindert. „Bei den Stellungnahmen würde nämlich herauskommen, dass das Wiener Gesetz verfassungswidrig ist“, sagte Gasselich. Er kritisierte Wien dafür, das neue Sozialhilfegesetz des Bundes nach wie vor nicht auf Landesebene umsetzen zu wollen – „das ist Verfassungsbruch mit Anlauf“, sagte Gasselich. Bisher hätte kein Abgeordneter der Regierung ihm, Gaselich, erklären können, wie die Regelung in Wien „auch nur irgendwie“ verfassungskonform sei.

LAbg. Dipl.-Ing. Martin Margulies (Grüne) konterte seinem Vorredner – die ÖVP solle nicht Verfassungstreue einfordern, wenn der Bundespräsident den ÖVP-Finanzminister zur Herausgabe von Akten in einem Ermittlungsverfahren zwingen müsse. „Es gibt keine Debatte über Armutsbekämpfung, ohne über Reichtum zu reden“, sagte Margulies. Er forderte die Mandatarinnen und Mandatare auf, einen Blick auf die Entwicklung des Reichtums in Österreich zu blicken: Das Vermögen der Österreicherinnen und Österreicher sei laut einer Studie der Credit Suisse in der Pandemie um 190 Milliarden Euro gestiegen – „und wir diskutieren hier, ob wir den Ärmsten in der Gesellschaft helfen? Ich dachte, das ist eine Selbstverständlichkeit!“ FPÖ und ÖVP wollten nicht über den Reichtum reden oder Vermögen besteuern - „sondern Sie reden darüber, dass die Menschen in der Mindestsicherung zu viel bekommen. Genieren Sie sich nicht?“, fragte Margulies Richtung ÖVP und FPÖ. In der Krise hätten vor allem die großen Vermögen profitiert, wobei Vermögen in Österreich äußerst ungleich verteilt sei: „In Österreich halten 80.000 Menschen einen Reichtum von knapp 500 Milliarden Euro“, sagte Margulies: „Und wir diskutieren darüber, wie wir die Sozialhilfe finanzieren können, obwohl Vermögen kaum besteuert werden“.

LAbg. Mag. Dietbert Kowarik (FPÖ) kritisierte ebenfalls das Vorgehen der Stadtregierung, die Novelle als Initiativantrag ohne Regierungsvorlage vorzulegen. Das Gesetz hätten aber nicht „spontan“ die Unterzeichnerinnen und Unterzeichner geschrieben, sondern der Magistrat. In Österreich gelte ein Gesetz zur Mindestsicherung, das in Wien nicht umgesetzt werde – „mir ist das nicht wurscht“, sagte Kowarik. Es gebe viele Gesetze und EU-Verordnungen, mit denen er, Kowarik, privat nicht einverstanden sei, er halte sich aber trotzdem daran, „weil Gesetzte, die rechtmäßig zustande gekommen sind und in Kraft getreten sind, gelten.“ Es sei „abenteuerlich“ von den NEOS, die Vorgangsweise des Sozialstadtrats, ein Bundes-Gesetz in Wien einfach nicht umzusetzen, mitzutragen. „An Regeln müssen wir uns alle halten“, sagte Kowarik. In Richtung Margulies meinte Kowarik: „Sie haben schon recht, es gibt Krisengewinnler“ – die Institutionen auf EU-Ebene, die dazu berufen wären, Krisengewinnler einen Beitrag leisten zu lassen, würden allerdings versagen: „Amazon wird nicht unsere Krise zahlen“, prophezeite Kowarik, die Krise würde viel mehr Löcher in die Finanzen von Kommunen reißen, die dann vom Mittelstand gestopft würden. „Wer finanziert denn das, was Sie so locker ausgeben? Auch da gehört Fairness her“, sagte Kowarik. Die Gesellschaft würde auch deshalb auseinanderdriften, „weil wir immer mehr Leute herholen, das spaltet auch die Gesellschaft“.

StR Peter Hacker (SPÖ) sagte: „Ich möchte gerne Mäuschen sein, wenn sich ÖVP und Grüne im Bund über Sozialpolitik unterhalten." Wenn die ÖVP der Stadt „Verfassungsbruch“ beim Mindestsicherungsgesetz vorwerfe, dann wolle er wissen: „Bei welcher Passage denn genau?“ Bei der Regelung des Bundes zum Beispiel sei die Staffelung von Geld bei Kindern eindeutig vom Verfassungsgerichtshof als verfassungswidrig festgestellt worden, auch seien weitere Paragraphen eindeutig von den Verfassungsrichterinnen und -Richtern abgewiesen worden. Selbst ohne klarem Gerichtsentscheid gebe es aus Wiener Sicht keine Zweifel, sagte Hacker: „Ausnutzen von Menschen, aus dem Land verjagen und rausschmeißen aus den Sicherungssystemen – da machen wir ganz klar nicht mit.“ Das Sozialhilfe-Grundgesetz der ÖVP und der Grünen im Bund „hat die Idee eines Sicherungsnetzes abgeschafft“, kritisierte Hacker. Die Sozialhilfe sei nur mehr ein Zuschuss, heiße es im neuen Bundes-Gesetz: „Das ist Zynismus“, so Hacker. Die ÖVP wolle kein „Auffang-System“, sondern ein „Zuschuss-System“: „Wer brav 'Bitte' sagt, bekommt einen Zuschuss vom Fürsten“. Die Grünen würden dabei mitmachen, sagte Hacker. Auch die Unterstützung für Mieterinnen und Mieter, die sich den Zins nicht mehr leisten könnten, funktioniere nach demselben Prinzip, sagte Hacker. Wien werde weiter für ein echtes Sicherungsnetz arbeiten, schloss der Sozialstadtrat.

LAbg. David Ellensohn (Grüne) forderte ebenfalls eine Reichtums-Debatte: „Wenn der Reichtum fair verteilt ist, haben alle etwas davon“. Die ÖVP sei nicht an einer fairen Verteilung von Reichtum interessiert; das Match laute: „Bringen die Grünen in der Regierung im Bund etwas weiter? Die Grünen halten auf allen Ebenen gegen Kürzungen an“, meinte Ellensohn. In der Bundesregierung hätte es mit den Grünen keine Verschlechterungen gegeben bei Asyl oder Arbeitsrecht – anders als in anderen Koalitionen mit ÖVP-Beteiligung zuvor. Krisen würden nie die „oberen 10 Prozent“ treffen – „sind wir nicht in der Lage in diesem Land, zu sagen, wie wollen wir Armut bekämpfen?“ Dazu brauche es einen Schulterschluss von Grünen, SPÖ und einzelnen Stimmen aus der ÖVP, forderte Ellensohn. (Forts.) ato

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