Archivmeldung der Rathauskorrespondenz vom 24.06.2021:
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5. Wiener Landtag (6)

Entwurf eines Gesetzes, mit dem das Wiener Mindestsicherungsgesetz (WMG) geändert wird

LAbg. Wolfgang Seidl (FPÖ) sah „einen Traum wahr werden“ – am Ende des Tages würden wohl FPÖ und Grüne bei der Mindestsicherung (MNS) „dasselbe Abstimmungsverhalten“ zeigen; nämlich in ihrer Oppositionsrolle gegen die Novelle stimmen. Seidl zeigte auf, dass das Land Wien zahlreiche Punkte des Bundesgesetzes „nach wie vor nicht umgesetzt“ habe. Auch andere Bundesländer mit vergleichbarer Bevölkerungsgröße, also Niederösterreich, Oberösterreich und die Steiermark, hätten Zuwachs bei der Zahl der MNS-Beziehenden, aber: Nur in Wien steige „die Zahl der Nicht-Staatsbürger“ laufend, welche diese Unterstützung beziehen. „Das kostet uns 600 Millionen Euro im Jahr. Jeder zwanzigste Steuer-Euro in Wien fließt in die Mindestsicherung“, so Seidl. „Wie kann es in einem Rechtsstaat möglich sein, dass Wien bis heute das Bundesgesetz nicht umsetzt?“, fragte Seidl ins Plenum. Auch die Grünen verschonte Seidl nicht: „Sich hier und heute hinstellen und sagen, ‚das ist alles so furchtbar-grauslich‘ – die Grünen stellen seit eineinhalb Jahren den Sozialminister, Sie könnten das ändern!“, richtete Seidl Worte an die Fraktion der Grünen. Er brachte insgesamt vier Anträge ein: zum Wiener Mindestsicherungsgesetz, zur Volksanwaltschaft und zu „Mängeln beim Vollzug“ des Niederlassungs- sowie Staatsbürgerschaftsgesetzes.

LAbg. Mag. (FH) Jörg Konrad (NEOS) widersprach den „türkis-blauen Plänen“ der ehemaligen Bundesregierung. Menschen mit legalem Aufenthaltstitel dürften nicht in die „Armutsfalle“ gedrängt werden. Die rot-pinke „Fortschrittskoalition“ würde keine „Maßnahmen streichen, sondern ersetzen“: Zahlreiche Förderungen, etwa jene Corona-bedingten, würden nicht mehr der MNS angerechnet; arbeitsmarktpolitisch setze die Stadt auf „early intervention“ und individuelles „case management“ – dabei gebe die Verwaltung „rasche und gezielte Hilfe“ für Junge auf Jobsuche. Das passiere bereits im Jobcenter „U25“ in Meidling. „Was Sie hier als Grüne kritisieren, ist Oppositionsrhetorik, aber sachpolitisch nicht vernünftig“, sagte Konrad. So wie sich die NEOS und die Stadtregierung „zur Mindestsicherung als Sprungbrett“ deklarieren, forderte Konrad mittels Antrag den Bund auf, eine „vernünftige und evidenzbasierte Lösung“ zu finden.

LAbg. Viktoria Spielmann, BA (Grüne) nannte die Debatte zum Thema ein „amüsantes Schauspiel“. Das einzige, was teurer als die Mindestsicherung sei, fragte sie in Richtung FPÖ, „das ist die Armut“. Die Freiheitlichen würden stets Keile in die Gesellschaft treiben wollen. Ad NEOS meinte Spielmann: „Was ist denn Ihre ‚early intervention‘? Ihre ‚intervention‘ ist das Streichen der Mittel um 25 Prozent ab dem ersten Tag!“, fand Spielmann scharfe Worte. Im Namen ihrer Grünen-Fraktion brachte sie Änderungsanträge zur vorliegenden Novelle ein: „Wir legen da bewusst einen Finger in die Wunde.“ Es gehe ihr um Unterstützung für Junge, während „die Behörde ab Tag eins kürzt“.  Kaum sei Rot-Grün nicht mehr in Verantwortung, würden „Errungenschaften der letzten 10 Jahre in kürzester Zeit abgeschafft“, so Spielmann. „Grüne Regierungsbeteiligung bedeutet, Politik nicht auf dem Rücken der Ärmsten zu machen“ – was unter Rot-Grün in Wien passiert sei. Seit Eintritt der NEOS in die Stadtregierung stünden „Bestrafung und Kürzungen“ auf dem Programm, kritisierte Spielmann. „Führen wir stattdessen eine Arbeitszeit-Debatte“, appellierte Spielmann, „in Wien haben wir eine progressive Mehrheit!“

LAbg. Ingrid Korosec (ÖVP) wollte ihrer Grünen-Vorrednerin Spielmann widersprechen: „Jede Maßnahme, die arbeitslose Betroffene ab Tag eins zurück in die Beschäftigung bringen, ist gut“. Wer „mit 25 Jahren noch immer nicht bereit ist, einen Job anzunehmen, dem man ihm anbietet – da muss es Sanktionen geben“, verteidigte Korosec ihre Fraktionslinie und damit die Ablehnung des Grünen-Antrags. Es müsse Ziel sein, jungen Menschen Beschäftigung und damit ein sicheres Einkommen zu bieten – aber dieses Einkommen könne nicht „durch Nichtstun passieren“. Gleichzeitig kündigte Korosec an, als ÖVP die vorliegende Novelle abzulehnen: „Wir stimmen dem nicht zu. Setzen Sie das Bundesgesetz um, die Frist ist seit 18 Monaten abgelaufen“, appellierte Korosec Richtung Stadtregierung. Dass die Novelle hier und heute mittels Initiativantrags eingebracht werde, sei respektlos gegenüber den demokratischen Gepflogenheiten im Haus: „Sie können nicht gesetzlich frei nach Ihrem Geschmack interpretieren“, sagte Korosec, und vermisste den üblichen Weg von Gesetzesänderungen, über öffentliche Vorlagen und Begutachtungsfristen. „Die Zahlen sind alarmierend“, verwies Korosec auf die steigende Zahl der Mindestsicherungs-Beziehenden: „Aber wir müssen jenen helfen, die es wirklich brauchen.“ Es brauche ein „gerechtes soziales Netz“, sie und ihre Fraktion wollten eine „Überbrückungshilfe, keine Dauerhängematte“; Menschen dürften nicht in eine „lebenslange Abhängigkeit“ gedrängt werden. Dazu brachte Korosec einen Antrag ein: Wien solle das Bundes-Grundgesetz endlich umsetzen.

LAbg. Peter Florianschütz, MA, MLS (SPÖ) erwiderte in Richtung Vorrednerin Korosec und ÖVP: „Ihr Appell bleibt zahnlos, denn Ihr Bundesgesetz ist ungerecht!“ Was seien denn die grundsätzlichen Positionen aus sozialdemokratischer Sicht, fragte Florianschütz rhetorisch. Um strukturelle Armut zu vermeiden, brauche es „gute Ausbildung, um rasch in eine gut bezahlte volle Erwerbstätigkeit zu kommen“ – damit diese Menschen „selbstständig für sich sorgen können“, also frei und unabhängig. „Was Sie hier machen, ist Propaganda“, kritisierte Florianschütz die Argumente der Opposition, diese verdrehe die Wahrheit. „Es sind nicht die 100 Prozent Mindestsicherung Normalität, und die Stadt kürzt auf 75 Prozent“, es sei genau andersrum: „Die 75 Prozent sind normal, die Stadt stockt in Fällen auf 100 Prozent auf“, so Florianschütz. Das betreffe auch den Wegfall der „Vier-Monats-Phase“, was die Grünen kritisieren: Diese Phase sei „nie zur Neuorientierung gedacht gewesen, sondern geplant in der Sorge, dass es keine ausreichenden Angebote gibt“. Es gehe immer um Anreize, nie um die Gewöhnung an langfristige Joblosigkeit. „Wir schauen, dass wir die Jugendlichen rasch in Kurse bekommen. Damit sie eine Qualifikation bekommen und in den Arbeitsmarkt finden“, so Florianschütz. „Kein Mensch in Wien“ sei absichtlich in der Mindestsicherung: „Wer das unterstellt, macht das böswillig“, so Florianschütz, der an das Ziel „Beschäftigung statt Verwahrung“ verwies. Damit „Sozialhilfe Armut bekämpft, und nicht Arme“, brachte er einen Antrag ein. (Forts.) esl

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