Archivmeldung der Rathauskorrespondenz vom 30.01.2021:
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Der Beitrag der Städte und Regionen zur EU-Initiative für leistbares Wohnen

Der Beitrag der Städte und Regionen zur EU-Initiative für leistbares Wohnen

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Online-Fachveranstaltung des Wien-Hauses mit 200 TeilnehmerInnen

Am 27. Januar 2021 organisierte das Brüsseler Verbindungsbüro der Stadt Wien unter
dem Titel „Die EU-Initiative für leistbares Wohnen – Wie können wir sie auf den Boden
bringen?“ ein Webinar über diese neue Initiative der EU, die von der Europäischen
Kommission als ein Eckpfeiler ihrer Renovierungswellenstrategie angekündigt worden
war. Die „Affordable Housing Initiative“ zielt darauf ab, in den kommenden Jahren 100
Stadtteile als Leuchtturmprojekte in der gesamten EU zu revitalisieren. Rund 200
TeilnehmerInnen nahmen an der Online-Veranstaltung teil. 

In seiner Einführung gab Direktor Slawomir Tokarski von der Generaldirektion 
Binnenmarkt, Industrie, Unternehmertum und KMU der Europäischen Kommission (DG
GROW) einen kurzen Überblick über die ersten Ideen der Kommission und betonte, dass
dies der Beginn eines offenen Dialogs zur weiteren Gestaltung der Initiative sei. Er
begrüßte die Gelegenheit zum Austausch mit Städten und InteressenvertreterInnen. "Wir
glauben, dass die Renovierungswelle eine lokale Initiative sein sollte, eine Initiative von
unten nach oben, die Arbeitsplätze in Verbindung mit dem grünen und digitalen
Übergang bringen kann", erklärte er. Er verwies darauf, dass der menschliche Faktor bei
solchen Projekten lange Zeit vernachlässigt worden sei, es aber notwendig sei, ein solides
Umfeld um die Häuser herum zu schaffen, um die steigende Polarisierung der Gesellschaft
zu überwinden. Ziel müsse es sein, dass die Wohnungen in den anvisierten 100
Leuchtturmprojekten nach der Sanierung bezahlbar und nachhaltig sind. Er kündigte für
das zweite Quartal 2021 einen Aufruf zu einer Partnerschaft auf EU-Ebene an, an der
verschiedene Stakeholder, darunter auch die lokalen Gebietskörperschaften, beteiligt sein
sollen.

Anschließend konnten die Teilnehmer zwei Beispiele aus der Praxis hören.  
Lucia Štasselová, stellvertretende Bürgermeisterin für Wohnungsbau in Bratislava, erklärte
in ihrem Vortrag, warum ihre Stadt im Jahr 2018 einen starken neuen Anlauf zur
Schaffung von bezahlbarem Wohnraum genommen hat. "Nach 1989 wurden die
öffentlichen Wohnungen verkauft und fast keine neuen bezahlbaren Wohnungen
gebaut", sagte Frau Štasselová. "Deshalb ist es wichtig, neue Standorte für den
öffentlichen Wohnungsbau zu finden, städtische Flächen auszuwählen, neue Prozesse und
Gesetzgebungsverfahren zu prüfen und nicht zuletzt staatliche Mittel für die Sanierung
des bestehenden Wohnungsbestands einzusetzen." Dies wird jedoch nicht ohne die
Einbindung der Privatwirtschaft unter Einhaltung sehr strenger Auflagen hinsichtlich der
Wohnkosten und Vergaberegeln möglich sein.

Julia Girardi-Hoog von der Stadt Wien schilderte anschließend die Entstehung des
Horizon2020-Projekts "Smarter Together" mit dem Ziel, durch soziale und technische
Innovationen einen lebenswerten Stadtteil zu schaffen. Dabei ging es nicht nur um die
Sanierung und Renovierung von Wohnungen und öffentlichen Räumen, sondern auch um
die Energieversorgung und -nutzung sowie die Mobilität. 7 Millionen Euro an EU-Horizon 2020-Mitteln wurden zur Unterstützung der Innovationselemente dieses stark 
partizipativen Projekts bereitgestellt und insgesamt wurden durch das Projekt 80
Millionen Euro an Investitionen ausgelöst. Angesichts der hervorragenden Ergebnisse
beschloss die Stadt, das Projektvorhaben auf einen weiteren Stadtteil pro Jahr
auszuweiten.

Zwei europäische Stakeholder-Organisationen gaben erste Reaktionen und
Positionierungen zur „Affordable Housing Initiative“.  
Barbara Steenbergen, Leiterin des Brüsseler Büros des Internationalen Mieterbunds,
forderte, dass die Förderungen mit dem bestehenden nationalen Mietrecht kombiniert
werden müssen, damit sie gerecht und sozial ausgewogen wirken. "Ein Hauptkriterium der
Initiative sollte sein, dass strenge Regeln zur Erreichung der Wohnkostenneutralität
gelten. Mieterhöhungen durch Renovierung müssen durch Energiekosteneinsparungen in
gleicher Höhe ausgeglichen werden, um "Renovictions" und Gentrifizierung zu
vermeiden", sagte Frau Steenbergen, die auch einen "Europäischen Verhaltenskodex für
Renovierung" forderte, der die gleichberechtigte Beteiligung der MieterInnen bei
Renovierungen sicherstellt, wie die bereits bestehende Europäische Initiative für
verantwortungsvolles Wohnen ERHIN. Wiener Wohnen hat sich als erstes österreichisches
Wohnbauunternehmen bereits angeschlossen.

Sorcha Edwards, Generalsekretärin von Housing Europe, plädierte für die Notwendigkeit,
den Green Deal zu einem sozialen Green Deal zu machen. "Es ist entscheidend, dass wir
die Renovierungswelle richtig hinbekommen und dafür sorgen, dass sie niemanden
zurücklässt.“ Die Initiative für erschwinglichen Wohnraum sollte eine Welle sein, die
Erschwinglichkeit und soziale Inklusion auf den Boden bringt. Sie sollte dazu beitragen,
Arbeitsplätze und KMUs zu schaffen, dem lokalen Bausektor zu helfen, sich auf Gebiete
mit sozialen Problemen zu konzentrieren und Wohnraum für die alternde Bevölkerung fit
zu machen. Sie sollte auch zu einer messbaren Reduzierung der Treibhausgasemissionen
führen und den digitalen Fortschritt auf Bezirksebene nutzen. Die Initiative sollte auch als
Politiklabor für Verbesserungen in der EU-Politik zu staatlichen Beihilfen und Beschaffung
dienen, die die lokalen Renovierungsprojekte unterstützen können. Der entscheidende
Punkt ist jedoch die Finanzierung; hier erklärte Frau Edwards, dass ein spezifisches
Förderprogramm notwendig sei.

Elena Szolgayová, Housing 2030 Vizevorsitzende und langjährige Vorsitzende des UNECE 
Komitees für Wohnen und Grundstücksmanagement von 2013 bis 2019, hielt das
Schlusswort und verwies auf die wachsende Kluft zwischen Arm und Reich, die dazu führt,
dass die Wohnungsfrage immer drängender wird. "Wir müssen langfristige und
nachhaltige Visionen schaffen, um die Realität von bezahlbarem Wohnraum zu erreichen.
Es liegt an den Regierungen, eine langfristige Perspektive zu bieten, um die
Erschwinglichkeit von Wohnraum zu unterstützen, das Ziel sollte sein, eine Symphonie zu
hören, in der alle Instrumente zusammenarbeiten, die schöne Musik zu spielen."

Die TeilnehmerInnen nutzten den Chat aktiv, um Hinweise zu zahlreichen bereits 
bestehenden Projekten zu teilen, die zur Initiative für leistbares Wohnen beitragen
können. Michaela Kauer, Leiterin des Brüsseler Verbindungsbüros der Stadt Wien und Moderatorin der Diskussion, schloss das Webinar mit der Hoffnung und Zuversicht, dass 
die Veranstaltung ein erfolgreicher Auftakt für weitere Diskussionen war, um die Initiative
für leistbares Wohnen gemeinsam mit einer breiten Palette von Städten und Stakeholdern
weiter zu gestalten und „auf den Boden zu bringen“.

Die ganze Online-Fachveranstaltung finden Sie unter
https://www.youtube.com/watch?v=zV-3B8gF3Lo  

Diese Veranstaltung war Teil der #Progressive Housing Week, die Informationen zu allen 
Veranstaltungen finden Sie unter https://pes.cor.europa.eu/housing-week-highlights 

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