Archivmeldung der Rathauskorrespondenz vom 28.09.2020:
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50. Wiener Landtag (2)

Labg. Gabriele Mörk (SPÖ) kritisierte das Sozialhilfe-Grundgesetz von Türkis-Blau: Es sei kein Instrument zur aktiven Bekämpfung von Armut, es diene nicht dazu Notlagen abzufedern, was in Zeiten der Corona-Krise wichtig sei. Außerdem sei es „unfassbar“, dass im Gesetz das Ziel der Bekämpfung der Armut überhaupt nicht erwähnt werde. Das von Türkis-Blau beschlossene Sozialhilfe-Grundsatzgesetz hätte unter anderem Verschlechterungen für Kinder, Familien und Alleinerziehende gebracht, ebenso für Menschen mit Behinderung. Das Gesetzt sei nach der Begutachtung von diversen Organisationen "zerrissen" worden und in wichtigen Teilen vom Verfassungsgerichtshof schließlich auch gekippt worden. Wien hätte deshalb nach wie vor ein eigenes, geltendes Mindestsicherungsgesetz, das 2018 und 2020 novelliert worden sei. Die Novellen hätten Nachschärfungen bei den Pflichten der BezieherInnen gebracht und neue Arbeitsanreize eingeführt. Der Fokus der Wiener Mindestsicherung liege laut Mörk auf jungen Menschen mit vielen Angeboten zur Integration in den Arbeitsmarkt. Dieses Ziel sei mit einem Rückgang der jungen Mindestsicherungsbezieherinnen und –Bezieher auch erreicht worden, unter anderem mit Einrichtungen wie dem "U25" in Meidling, wo die Sozialabteilung der Stadt (MA 40) und das AMS gemeinsam junge Menschen dabei beraten, Arbeit zu finden und passende Angebote für sich zu nutzen. Ziel der Stadt müsse es sein, allen Wienerinnen und Wienern in wirtschaftlich schwierigen Zeiten ein verlässliches Hilfsnetz anzubieten. Kürzungen in Covid-Zeiten seien kontraproduktiv, mahnte Mörk, „in Krisenzeiten braucht es ein Sicherungsnetz um Menschen aufzufangen, die in Not geraten sind.“

Labg. Mag. Caroline Hungerländer (ÖVP) sagte, mehr als die Hälfte der Mindestsicherungbezieherinnen und -Bezieher seien Nicht-Österreicher. Die Integrationspolitik der Stadt sei gescheitert, weil es offenbar nicht gelingen würde, zugewanderte Menschen in Arbeit zu bringen. Es brauche Sanktionen bei mangelnder Integration, forderte Hungerländer: „Kürzt man die Mindestsicherung oder Sozialleistungen, dann werden sich viele überlegen, schnell einen Deutschkurs oder einen Integrationskurs zu machen.“ Für Integration brauche es Angebote aber auch Verpflichtungen; wenn die nicht eingehalten werden, dann müsste es auch Konsequenzen geben. Sie vermisste den politischen Willen dazu in Wien. Hungerländer forderte die Stadt auf, den „rechtskonformen Zustand herzustellen, und die Ausführungsbestimmungen des Sozialhilfe-Gesetzes des Bundes endlich umzusetzen".

Labg. Angela Schütz (FPÖ) sagte: Im heutigen Sonderlandtag mache „die ÖVP den Bock zum Gärtner. Vor jeder Wahl kommen Themen, die Wählern wichtig sind, für die sich die FPÖ einsetzt. Wenn es dann nach der Wahl um die Umsetzung geht, fällt die ÖVP im Liegen um.“ Das von Türkis-Blau im Bund beschlossene Sozialhilfe-Gesetz gehöre umgesetzt. Einige vom Verfassungsgerichtshof kritisierte Punkte hätten „locker behoben werden können“. Bundeskanzler Kurz und Finanzminister Blümel, beide ÖVP, seien schuld, dass das Bundes-Gesetz in Wien nicht umgesetzt wurde und Wien ein „Eldorado für Sozialmigration“ sei, weil sie die Umsetzung des Gesetzes in Länder-Hand gelegt hätten. "Die Hälfte" der Mindestsicherungsbeziehenden in Österreich seien in Wien zu finden, davon seinen noch einmal die Hälfte Ausländer. Die FPÖ fordere „Vorrang für Österreicher bei der Mindestsicherung“, betonte Schütz. Nicht-Österreichische Staatsbürger sollen keine Leistungen erhalten, subsidiär Schutzberechtigte keine Mindestsicherung, sondern nur "Kernleistungen" der Grundsicherung. Sachleistungen müssten vor Geldleistungen ausgezahlt werden, Höchstsätze für Wohngemeinschaften auch in Wien nicht überschritten werden. Wenn es keine „Integrationsmaßnahmen oder Arbeitswilligkeit“ gebe, solle die Mindestsicherung gekürzt oder gestrichen werden, forderte Schütz im Namen ihrer Partei.

Labg. Peter Florianschütz, MA, MLS (SPÖ) bedauerte, dass in der vermutlich letzten Sitzung des Landtag in der laufenden Legislaturperiode darüber debattiert werde „wie man möglichst verhindern kann, dass etwas gegen Armutsbekämpfung gemacht wird“; das sei „peinlich und beschämend“. Wer im Landtag behaupte, die Grundsicherung sei eine „Hängematte oder die Mindestsicherung ein angenehmes System, in dem sich die Menschen pudelwohl fühlen“, solle die Bezüge – 917,30 Euro für Einzelpersonen und jeweils 688,01 Euro für Paare – mit dem eigenen Einkommen vergleichen. Sozialstadtrat Peter Hacker beharre zu Recht auf die bestehende Wiener Regelung der Grund- und Mindestsicherung, ihn lobte Florianschütz als „Bollwerk gegen die Armut“. Das neue Bundesgesetz hätte deutliche Verschlechterungen für Kinder, Familien und Menschen mit Behinderung gebracht. Den Vorwurf der Opposition, die Zahl der Mindestsicherungsbezieherinnen und -bezieher würde in Wien steigen, wies Florianschütz zurück. Bis zum Ausbruch der Corona-Krise seien sie rückläufig gewesen. Wien wirke auf Menschen in anderen Bundesländern nicht als „Sozialdorado“, konterte er seinen Vorrednerinnen von der Opposition: Es sei "absurd" anzunehmen, dass jemand gezielt überlege nach Wien zu ziehen, „weil dann habe ich mich saniert“. Subsidiär Schutzberechtigte hätten keinen Zugang zum Arbeitsmarkt, weshalb für sie nur die Möglichkeit der Mindestsicherung bleibe. Armutsabsicherung müsse wie Krankenversicherung oder Unfallversicherung als Selbstverständlichkeit in der Gesellschaft wahrgenommen werden, forderte Florianschütz. „Die Grundsicherung ist eine Frage des sozialen Zusammenhalts. Die Alternative ist Beschäftigung und Arbeit zu jeder Bedingung, Sonntagsarbeit, Kürzung der Lohn-Nebenkosten zu Lasten der Arbeitnehmer“.

StRin Ursula Schweiger-Stenzel (FPÖ) kritisierte, dass Wien die meisten Mindestsicherungsbeziehenden in ganz Österreich habe. Es gebe sehr wohl einen Zusammenhang zwischen höheren Sozialleistungen und Zuwanderung, das belegten auch Studien, so Stenzel. „In Österreich aufgenommene Flüchtlinge gehen dorthin, wo mehr Sozialhilfe gezahlt wird“, sagte Stenzel. Bei Kürzungen in Oberösterreich und in Niederösterreich bei der Grundsicherung hätte es einen „Migrationszug“ nach Wien gegeben. Rot-Grün würde auch selbst „Pull-Effekte“ verursachen. Inzwischen sei es attraktiver für Migrantenfamilien "in Wien von Sozialleistungen zu leben als in Tirol von Arbeit", sagte Stenzel. Die Schere zwischen Sozialleistungen und Lohn würde in Zeiten von Corona noch weiter auseinander gehen. Die "Pandemie-Hysterie" werde mehr Mindestsicherungsbezieherinnen und -bezieher "produzieren", weil Jobs im Tourismus durch Reisewarnungen verloren gingen und der Städtetourismus in Wien ohnedies seit Jahresbeginn am Boden liege. Zusätzliche Aufnahmebereitschaft für Flüchtlinge zu signalisieren sei deshalb abzulehnen. Stenzel forderte: Keine Mindestsicherung an fremde Staatsbürger; nur Grundversorgung für Schutzberechtigte; Sachleistungen und Kürzungen bei Integrations- und Arbeitsverweigerung. Zu Unrecht bezogene Leistungen würden auch für Empörung innerhalb der Migranten-Community sorgen, zum Beispiel beim Wohnkostenzuschuss, ortete Stenzel. "Fehlgeleitete rot-grüne Migrationspolitik" sei es, welche den Zusammenhalt gefährde, nicht die Kritik an Missbrauch. In Krisenzeiten brauche es mehr Anreize für die "Leistungserbringung, nicht das Nichtstun", so Stenzel: „Die Krise bringt Leid, aber Arbeit muss man suchen, dann findet man sie auch“, sagte Stenzel.

Abstimmung: Der Antrag der ÖVP fand nicht die notwendige Mehrheit.

Vor Schluss der Sitzung zog Landtagspräsident Ernst Woller (SPÖ) eine kurze Bilanz über die Arbeit des Gremiums in den vergangenen fünf Jahren. In der jetzt endenden Legislaturperiode ist der Landtag zu 50 Sitzungen zusammengetreten, hat 229 öffentliche Tagesordnungspunkte behandelt. 64 Prozent davon wurden einstimmig, der Rest mehrstimmig beschlossen. In den vergangenen fünf Jahren gab es unter anderem 29 Aktuelle Stunden, 320 Anfragen in der Fragestunde, außerdem behandelte der Landtag 426 Anträge. Die Redezeit im Landtag betrug 224 Stunden und 45 Minuten, es gab insgesamt 19 Ordnungrufe. Abschließend bedankte sich Woller bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Hohen Haus für die Vorbereitung und Durchführung der Sitzungen.

Der 50. Wiener Landtag endete um 10.38 Uhr.

  In der Informationsdatenbank des Wiener Landtages und Gemeinderates (INFODAT) unter http://www.wien.gv.at/infodat können Reden, Debattenbeiträge, Beschlüsse, Anfragen, Anträge, Gesetzesentwürfe und Landesgesetzblätter nach verschiedenen Kriterien abgerufen werden. Dabei wird Zugriff auf die zugehörigen Videos und Originaldokumente (sofern elektronisch vorhanden) geboten. (Schluss) ato

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